VwGH 2006/08/0186

VwGH2006/08/018626.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Mag. G in V, vertreten durch die Dr. Günter Medweschek Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 9020 Klagenfurt, Lidmanskygasse 27/1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 5. April 2006, Zl. LGS/SfA/05662/2006, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2004/I/077;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 AlVG in der Zeit von 29. Juli bis 8. September 2005 keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe und eine Nachsicht gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 Abs. 3 AlVG nicht erteilt werde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Klagenfurt vom 4. August 2005 die Notstandshilfe für die Zeit vom 29. Juli 2005 bis 8. September 2005 versagt worden sei, da er die Arbeitsaufnahme der ihm vom Arbeitsmarktservice zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung bei der Firma GPS (Gemeinnütziges Personalservice Kärnten GmbH) mit möglichem Arbeitsantritt am 29. Juli 2005 vereitelt habe und berücksichtigungswürdige Umstände für die Erteilung einer Nachsicht nicht vorlägen. Nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens stelle die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 1998 mit kurzen Unterbrechungen Notstandshilfe beziehe. Er sei im Betreuungsverlauf mehrmals über die Zumutbarkeitsbestimmungen nach dem AlVG aufgeklärt worden und habe mit seiner Unterschrift zur Kenntnis genommen, dass er zur Aufnahme und Ausübung einer am Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden, zumutbaren, versicherungspflichtigen Beschäftigung bereit sein müsse, um seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe zu wahren. Am 28. Juli 2005 sei dem Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice Klagenfurt eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter beim Dienstgeber GPS (Gemeinnütziges Personalservice Kärnten GmbH) in Klagenfurt "mit zumindest kollektivvertraglicher Entlohnung" zugewiesen worden. Die Arbeitsaufnahme wäre ab 29. Juli 2005 möglich gewesen. Wörtlich heißt es im angefochtenen Bescheid sodann:

"Das GPS Kärnten betreibt eine gemeinnützige Ges.m.b.H. mit der Zielsetzung Arbeitssuchende mit oder ohne Arbeitskräfteüberlassung wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren."

Das Dienstverhältnis sei nicht zu Stande gekommen. Der Beschwerdeführer habe sich am 28. Juli 2005 bei GPS vorgestellt und es sei vereinbart worden, dass er die Arbeit gleich am nächsten Tag (29. Juli 2005) um 7 Uhr aufnehmen könne. Der Beschwerdeführer sei wie vereinbart am 29. Juli 2005 kurz vor 7 Uhr bei GPS erschienen. Da er laut eigenen Angaben ein wenig habe warten müssen, habe er "Dehnungsübungen" am Türstock ausgeführt. Weiters habe er Klimmzüge und Liegestütze gemacht. Aus einer "Texteintragung" vom 29. Juli 2005 (telefonische Rücksprache mit einem Mitarbeiter von GPS) sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer wie folgt vorgesprochen habe:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie (unter anderem) den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet und angemessen entlohnt ist. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung.

Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Auf Grund des § 38 AlVG sind diese Regelungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

2. Die belangte Behörde geht davon aus, dass dem Beschwerdeführer eine zumutbare Beschäftigung zugewiesen worden sei. Sie hat es jedoch unterlassen, nähere Feststellungen zur konkreten Beschäftigung zu treffen, die im vorliegenden Fall nicht nur auf Grund der vom Beschwerdeführer geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen erforderlich gewesen wären, sondern insbesondere im Hinblick auf die von ihm vorgebrachten Einwendungen betreffend das zugewiesene Unternehmen erforderlich gewesen wären. Insbesondere dürfte offenbar auch die belangte Behörde davon ausgehen, dass es sich - wie in dem im Verwaltungsakt erliegenden, nicht unterfertigten Dienstvertrag ausdrücklich ausgeführt - um einen Transitarbeitsplatz gehandelt habe, somit nicht um eine am allgemeinen Arbeitsmarkt angebotene versicherungspflichtige Beschäftigung. Darauf deutet auch die ausdrückliche Feststellung hin, dass der "zugewiesene" Dienstgeber eine gemeinnützige GmbH "betreibe", mit der Zielsetzung, Arbeitsuchende "mit oder ohne Arbeitskräfteüberlassung" wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Da die Vermittlung eines bloßen Transitarbeitsplatzes jedoch nicht zu den in § 9 Abs. 1 AlVG genannten Maßnahmen gehört, steht die Vereitelung eines derartigen "Beschäftigungsverhältnisses" nach der im vorliegenden Fall maßgebenden Rechtslage (BGBl. I Nr. 77/2004) nicht unter der Sanktion des § 10 AlVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0252 m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund erübrigt es sich, auf die weiteren Beschwerdeausführungen einzugehen. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 26. November 2008

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