VwGH 2006/01/0071

VwGH2006/01/00719.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde 1. des U A, 2. der K A, 3. des mj. F A, 4. der mj. A A, 5. der mj. A A, und 6. des mj. L A, alle in W und alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. Jänner 2006, Zl. Gem(Stb)-426095/6-2006-Mah/Hs, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs4 Z1;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen des Erstbeschwerdeführers um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "unter Erstreckung" auf die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer gemäß §§ 10 Abs. 1, 4 und 5 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. Nr. 124/1998 (im Folgenden: StbG), in Verbindung mit §§ 16 und 17 StbG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Erstbeschwerdeführer habe am 25. Mai 2005 einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für sich sowie für seine Gattin (die Zweitbeschwerdeführerin) und seine minderjährigen Kinder (die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer) eingebracht. Das Ermittlungsverfahren habe im Wesentlichen ergeben, dass die Beschwerdeführer seit 5. Mai 1999 in Österreich lebten, unbescholten seien und der Lebensunterhalt durch ein regelmäßiges Einkommen seitens des Erstbeschwerdeführers als gesichert anzusehen sei. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe seien jedoch keine erhoben worden. Erst in der Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs vom 29. November 2005 habe der Erstbeschwerdeführer ausgeführt, dass er und seine Familie seit sieben Jahren in Österreich lebten, dass die Deutschkenntnisse gut wären, die älteren Kinder die zweite und dritte Klasse Hauptschule und je ein weiteres Kind die Volksschule bzw. den Kindergarten besuchten. Weiters habe der Erstbeschwerdeführer in dieser Stellungnahme vorgebracht, bereits mehrere Verwandte besäßen die österreichische Staatsbürgerschaft, woraus auf eine nachhaltige persönliche Integration zu schließen sei. Eine berufliche Integration des Erstbeschwerdeführers sei nach seiner Stellungnahme auf Grund seiner mehrjährigen Tätigkeit bei der Firma P. gegeben.

Die Ansicht des Erstbeschwerdeführers, dass eine nachhaltige Integration vorliege, könne seitens der belangten Behörde nicht geteilt werden. Deutschkenntnisse seien laut § 10a StbG Voraussetzung jeglicher Verleihung und vermögen den Erstbeschwerdeführer und seine Familie nicht in besonderer Weise herauszuheben. Der Hinweis auf die Tatsache, dass die Kinder die Schule bzw. den Kindergarten in Österreich besuchten, sei in diesem Zusammenhang vollkommen ohne Bedeutung, zumal in Österreich Schulpflicht bestehe und jedes Kind die Schule besuchen müsse. Der Umstand, dass die nächsten Angehörigen die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, sei nicht als berücksichtigungswürdiger Grund zu sehen. Zur beruflichen Integration sei festzuhalten, dass auch eine langjährige Beschäftigung beim selben Arbeitgeber kein berücksichtungswürdiger Grund sei. Auch eine nachhaltige Integration sei daraus nicht ableitbar. Hier werde zweifellos das Vorliegen guter Voraussetzungen bzw. das Bemühen der Antragsteller um eine Integration in Österreich mit dem erwiesenen Vorliegen einer nachhaltigen Integration verwechselt. Da somit die Voraussetzungen für eine Verleihung gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit Z 5 StbG nicht gegeben seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Erstbeschwerdeführer erfüllt unstrittig nicht die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG. Im Beschwerdefall ist alleine strittig, ob von dieser Voraussetzung gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 StbG aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund abgesehen werden kann.

2. Gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 iVm Abs. 5 Z 3 StbG - in der hier maßgeblichen Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 - kann die Verleihung der Staatsbürgerschaft auch ohne den in § 10 Abs. 1 Z 1 StbG vorausgesetzten 10-jährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet erfolgen, wenn der Verleihungswerber seit mindestens sechs Jahren seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat und der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration erbracht wird.

Zur maßgeblichen Rechtslage und zur Auslegung des Tatbestandsmerkmales der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration und den hiefür maßgeblichen Kriterien ist gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0227, zu verweisen (vgl. hiezu zuletzt das hg. Erkenntnis vom 4. September 2008, Zl. 2006/01/0074, mwN und Wiedergabe der Gesetzesmaterialien).

3. Diese solcherart zur Beurteilung des Tatbestandsmerkmales der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration nach der hg. Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien hat die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht ausreichend berücksichtigt, da sie sich nicht mit den Angaben des Erstbeschwerdeführers im Schriftsatz vom 19. November 2005 hätte begnügen dürfen, sondern auch Feststellungen zu seiner beschäftigungsrechtlichen (z.B. Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) und fremdenrechtlich (z.B. unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung) gesicherten Position in Österreich hätte treffen müssen. Diese wären aber im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0277, mwN) erforderlich, um beurteilen zu können, ob eine "nachhaltige persönliche und berufliche Integration" vorliegt.

4. Da die belangte Behörde solcherart den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründete, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 9. Oktober 2008

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