VwGH 2005/18/0693

VwGH2005/18/069328.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des AR, geboren 1968, vertreten durch Dr. Robert Wallentin, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 6-8, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 21. Oktober 2005, Zl. 314.305/2-III/4/04, betreffend Ungültigerklärung eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §16 Abs1b idF 2002/I/126;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrG 1997 §16 Abs1b idF 2002/I/126;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der abgefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 21. Oktober 2005 wurde der dem Beschwerdeführer vom Landeshauptmann von Wien am 9. Juli 1998 erteilte unbefristete Aufenthaltstitel gemäß § 16 Abs. 1b des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, für ungültig erklärt.

Im Zuge des Antrages des Beschwerdeführers vom 16. September 2003 auf Erteilung eines Niederlassungsnachweises sei der erstinstanzlichen Behörde bekannt geworden, dass sich der Beschwerdeführer seit mehreren Jahren nicht in Österreich aufgehalten habe und auch nicht niedergelassen gewesen sei. Mit Schreiben des Landeshauptmanns von Wien vom 11. November 2003 sei dem Beschwerdeführer die Absicht zur Kenntnis gebracht worden, den unbefristeten Aufenthaltstitel für ungültig zu erklären.

Der Aktenlage zufolge sei der Beschwerdeführer im Jahr 1999 zu seiner Familie nach Mazedonien gefahren. In diesem Jahr sei ihm während seines Besuches von der Polizei sein Reisepass abgenommen worden. Erst im Jahre 2003 sei ihm ein neuer Reisepass ausgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe angegeben, die Gründe für die Reisepassabnahme wären ihm nicht bekannt und er könnte keine diesbezüglichen Bestätigungen vorlegen. In Mazedonien habe der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt gehabt und mit seiner Familie eine kleine Landwirtschaft betrieben. Finanzielle Unterstützung habe der Beschwerdeführer von seiner Mutter, die eine Pension aus Deutschland beziehe, erhalten. Der Beschwerdeführer selbst habe keine Wohnung im österreichischen Bundesgebiet aufrecht erhalten. Auf den fehlenden Niederlassungswillen deute auch die Tatsache hin, dass der Beschwerdeführer bis August 2003 keinen neuen Reisepass beantragt habe.

Der Beschwerdeführer habe keine humanitären Gründe geltend gemacht. Eine amtswegige Überprüfung i.S.d. § 10 Abs. 4 FrG habe ergeben, dass kein ausreichender, besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 16 FrG in der Fassung der Fremdengesetznovelle 2002, BGBl. I Nr. 126, lautet:

"§ 16. (1) Ein Einreisetitel ist für ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die eine Versagung rechtfertigen würden (§§ 10 und 11).

(1a) Soll ein Visum bei einer Grenzübergangsstelle für ungültig erklärt werden, so hat die Behörde nach Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Erledigung kann sich in diesen Fällen darauf beschränken, die Ungültigkeit im Reisedokument kenntlich zu machen, der maßgebliche Sachverhalt ist jedoch nachvollziehbar festzuhalten.

(1b) Ein unbefristeter Aufenthaltstitel ist auf Antrag des Fremden oder von Amts wegen für ungültig zu erklären, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde seinen Niederlassungswillen aufgegeben hat und er seine Niederlassung in Österreich beendet hat. Die Behörde hat den Fremden von der Absicht der Ungültigerklärung in Kenntnis zu setzen und ihm eine vierzehn Tage nicht unterschreitende Frist zur Stellungnahme einzuräumen. Nach Ablauf dieser Frist ist bei unverändertem Sachverhalt der Aufenthaltstitel für ungültig zu erklären. Die zur Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes befugte Behörde ist von der Ungültigerklärung in geeigneter Weise in Kenntnis zu setzen.

(2) Einreise- und Aufenthaltstitel werden ungültig, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar wird. Ein Aufenthaltstitel lebt von Gesetzes wegen wieder auf, sofern innerhalb seiner ursprünglichen Geltungsdauer das Aufenthaltsverbot oder die Ausweisung anders als gemäß § 44 behoben wird.

(3) Ein Einreise- oder Aufenthaltstitel wird gegenstandslos,

1. insoweit den Fremden ein weiterer Einreise- oder Aufenthaltstitel mit überschneidender Gültigkeit erteilt wird,

oder

2. wenn die Fremden Österreicher oder EWR-Bürger werden.

(4) Die Ungültigkeit der im Reisedokument Fremder ersichtlich gemachten Einreise- oder Aufenthaltstitel ist in diesen Reisedokumenten kenntlich zu machen. Hiezu ist jede Behörde (§§ 88 und 89) ermächtigt, der ein Reisedokument anläßlich einer Amtshandlung nach diesem Bundesgesetz vorliegt."

2.1. In der Beschwerde hält der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren aufrecht und macht geltend, seinen Niederlassungswillen und seinen Wohnsitz in Österreich nie aufgegeben zu haben. Aus der Tatsache, dass er im Jahre 1999 auf Grund seiner Beistandspflicht gegenüber seiner Familie nach Mazedonien gereist sei, um dort Schutzmaßnahmen für seine Familie zu ergreifen, könne nicht abgeleitet werden, dass er seinen Niederlassungswillen aufgegeben habe.

2.2. Der Beschwerdeführer hielt sich von 1992 bis 1999 ohne Unterbrechung im österreichischen Bundesgebiet auf. Seit 28. Juli 1998 verfügte er über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Im Zeitraum von 1999 bis 2003 befand er sich in Mazedonien bei seiner Familie, kehrte im Jahr 2003 nach Österreich zurück und stellte (am 16. September 2003) einen Antrag auf Erteilung eines Niederlassungsnachweises (§ 24 FrG). Bei seiner Einvernahme vom 16. September 2003 hat der Beschwerdeführer vor dem Landeshauptmann von Wien (der erstinstanzlichen Behörde) angegeben, dass er - nach einem Versuch in Deutschland zu arbeiten, um den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen - zu seiner Schwester nach Österreich gekommen sei, um hier zu arbeiten. Er könne sofort bei einer Gärtnerei zu arbeiten beginnen, benötige dafür aber den Niederlassungsnachweis. Er habe seine frühere Wohnung in Wien verloren. (Aus seinem Antrag geht als derzeitiger und beabsichtigter Wohnsitz eine Adresse Wien hervor).

2.3. Die Einfügung des § 16 Abs. 1b FrG durch die FrG-Novelle 2002 trägt dem Umstand Rechnung, dass Fremde zwar eine unbefristete Niederlassungsbewilligung haben, aber ihren Niederlassungswillen in Österreich aufgegeben haben und in die Heimat rück- oder weitergewandert sind. Es soll der Behörde in diesem Fall möglich sein, die Aufenthaltstitel dieser Fremden für ungültig zu erklären (vgl. RV 1172 BlgNR 21. GP 28).

Eine Ungültigerklärung eines Aufenthaltstitels ist nach dieser Bestimmung nur dann möglich, wenn der Fremde zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides sowohl seinen Niederlassungswillen aufgegeben hat als auch seine Niederlassung in Österreich beendet hat. Ein Außerkrafttreten von Gesetzes wegen bei (früherer) Verwirklichung der besagten Umstände ist nicht vorgesehen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der verfahrensrechtlichen Anordnung des § 16 Abs. 1b FrG, wonach der Fremde von der Absicht der Ungültigerklärung in Kenntnis zu setzen ist und der Aufenthaltstitel nach Ablauf einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme für ungültig zu erklären ist, wenn der Sachverhalt unverändert geblieben ist. Hat der Beschwerdeführer jedoch die Niederlassung in Österreich noch vor der Entscheidung über die Ungültigerklärung des Aufenthaltstitels fortgesetzt, so hat sich der Sachverhalt insofern geändert, als nunmehr sowohl ein Niederlassungswille vorhanden ist als auch eine tatsächliche Niederlassung in Österreich besteht, sodass von einer Ungültigerklärung des Aufenthaltstitels nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmung Abstand zu nehmen ist.

Da in Anbetracht der Antragstellung, der Wohnsitznahme und der Bemühung des Beschwerdeführers, in Österreich eine Beschäftigung aufzunehmen, kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass er seinen Niederlassungswillen aufgegeben und seine Niederlassung in Österreich beendet hat, entsprach die Ungültigerklärung des Aufenthaltstitels nicht dem Gesetz.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

4. Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. April 2008

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