Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 8. März 2005 wurden die Berufungen des Beschwerdeführers, eines österreichischen Staatsbürgers, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 29. Juli 2004, mit dem diesem der österreichische Reisepass entzogen worden war und gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 4. Oktober 2004, mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Rechtsmittelfrist im Passentziehungsverfahren abgewiesen worden war, gemäß § 63 Abs. 5 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, als verspätet eingebracht zurückgewiesen bzw. gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Dem angefochtenen Bescheid zufolge sei vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren zur Entziehung des österreichischen Reisepasses im Wesentlichen vorgebracht worden, dass er sich seit Verhängung der Untersuchungshaft wohlverhalten hätte und dies auch im Gerichtsverfahren gewürdigt und deshalb nur eine bedingte Strafe ausgesprochen worden wäre. Das Gericht hätte eine positive Zukunftsprognose ausgesprochen, die jedenfalls eine Entziehung des Reisepasses nicht rechtfertigen würde. Die Entziehung des Reisepasses würde dem Beschwerdeführer gegenüber einen schweren Vertrauensmangel seitens der Republik Österreich darstellen und die Anführung des Gesetzestextes wäre allein nicht ausreichend.
Zur Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellte die belangte Behörde fest, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See der Reisepass mit ordnungsgemäßer Hinterlegung vom 10. August 2004 entzogen worden sei. Die Rechtsmittelfrist habe somit am 24. August 2004 geendet und die diesbezügliche Rechtsmittelbelehrung der Behörde erster Instanz sei rechtmäßig gewesen. Innerhalb der ordnungsgemäßen Rechtsmittelfrist sei kein Rechtsmittel erhoben worden. Am 30. September 2004 sei bei der Behörde erster Instanz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist beantragt worden.
Laut Berufungsvorbringen hätte der Rechtsanwalt ein Rechtsmittel für den 12. August 2004 "eingetragen", die sehr zuverlässige Kanzleileiterin hätte jedoch im Kanzleibuch "Stellungnahme" eingetragen und nicht "Vorstellung". Aus diesem Grund wäre kein Rechtsmittel eingebracht worden bzw. die Kanzleileiterin hätte sich eine Woche auf Urlaub befunden, weshalb fristgerecht ein Rechtsmittel nicht ergriffen worden wäre.
In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 17. Dezember 2005 (richtig: 2004) sei ausgeführt worden, dass in der Rechtsanwaltskanzlei eingehende Post vom Anwalt selbst geöffnet und mit dem Datum des Eingangs versehen werde. Auf Tonband würde sodann diktiert, worum es sich handelte (beispielsweise "Berufung", "Vorstellung" oder "Stellungnahme") und ob eine Rechtsmittelfrist einzutragen wäre. Danach käme das Schriftstück mit dem Akt wieder zum Anwalt und dieser würde entscheiden, ob eine Eingabe gleich ausgefertigt werde oder ob dies unmittelbar oder am letzten Tag der Frist geschehe. Es würde auch überprüft, ob eine Frist eingetragen worden wäre. Dabei wäre übersehen worden, dass statt "Berufung" "Stellungnahme" eingetragen und so der Akt zur weiteren Bearbeitung wieder abgelegt worden wäre. Infolge Arbeitsüberlastung wäre eine Stellungnahme, da diese ja nicht an so strenge Fristen gebunden sei, erst später auszuführen gewesen. Die Überwachung des Kontrollsystems wäre vom Anwalt selbst ausgeführt worden, er hätte sonst noch keine Fristen übersehen und eine Verquickung unglücklicher Umstände hätte dazu geführt, dass das Rechtsmittel nicht ausgeführt worden wäre. Das Verschulden des Anwaltes wäre geringfügig, trotz durchgeführter Kontrolle wäre "Stellungnahme" statt "Rechtsmittel" eingetragen worden und dieses Versehen könnte nicht dem Einschreiter zum Nachteil gereichen.
Die belangte Behörde führte aus, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG zu bewilligen sei, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen wäre, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Gemäß aktueller Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedürfte es für die Abfertigung von Schriftstücken und Wahrung der Berufungsfristen einer Rechtsanwaltskanzlei eines sicheren Kontrollsystems.
Durch eine bloß einmalige Handlung sei das angeführte Kontrollsystem in der Kanzlei zunichte gemacht worden. Ein Kontrollsystem habe von der prinzipiellen Bedeutung den Sinn und Zweck, genau solche Situationen zu vermeiden. Wenn es ein bloß einmaliges irrtümliches Handeln nicht erkenne, entspreche es nicht den Qualitätskriterien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung abzuweisen (und die Berufung gegen den Passentziehungsbescheid zurückzuweisen) sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Gemäß § 71 Abs. 2 leg. cit. muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Im Fall der Versäumung der Frist hat die Partei gemäß Abs. 3 leg. cit. die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.
Ein Verschulden des Vertreters wird nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einem Verschulden des Vertretenen gleichgesetzt und somit der Partei zugerechnet (vgl. beispielweise die hg. Erkenntnisse vom 31. Juli 1996, Zl. 96/13/0092, vom 28. April 1992, Zl. 92/05/0051, und vom 17. September 1990, Zl. 87/14/0030). Zu beurteilen ist demnach das Verhalten des Rechtsanwaltes selbst. Dieser darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht grob schuldhaft außer Acht gelassen haben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Wiedereinsetzungsanträgen muss ein Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt ist. Einen ganz wesentlichen Teil jener Vorkehrungen, die zur Verhinderung von Fristversäumungen unerlässlich sind, stellt die Vormerkung der in Betracht kommenden (Rechtsmittel-)Fristen dar. In Bezug auf Irrtümer hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass für die richtige Beachtung der (Rechtsmittel-)Fristen in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich ist. Er selbst habe die Fristen zu setzen, ihr Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Mai 2002, Zlen. 2002/20/0226, 0227, mit weiteren Hinweisen, unter anderem auf das Erkenntnis vom 3. April 2001, Zl. 2000/08/0214, mwN).
Im vorliegenden Fall ist dem Vertreter des Beschwerdeführers selbst der zur Fristensäumung führende Fehler unterlaufen. Er hat - seinem eigenen Vorbringen vom 17. Dezember 2004 zufolge - die Rechtsmittelfrist "durch eine Verquickung unglücklicher Umstände" übersehen. Um welche Umstände es sich dabei handeln soll, wurde nicht dargelegt. An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist in Bezug auf die einzuhaltende Sorgfalt ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, unerfahrene Personen (vgl. die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, etwa vom 8. Februar 1995, Zl. 95/03/0015). Arbeitsüberlastung stellt nach der hg. Judikatur keinen Wiedereinsetzungsgrund dar (vgl. die hg. Beschlüsse vom 26. Juni 1997, Zlen. 97/16/0166, 0167, und vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0225, ua). Der dem Vertreter des Beschwerdeführers unterlaufene Fehler stellt ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden an der Fristversäumung dar.
2. Dem - erstmaligen - Vorbringen in der Beschwerde, die Fristversäumnis sei darauf zurückzuführen, dass der Rechtsvertreter unter manischer Depression gelitten, die mit dem Selbstmord am 1. Februar 2005 geendet hätte und im gegenständlichen Fall auf Grund des fortgeschrittenen Stadiums der Krankheit kein System der Kontrolle eine Fristversäumnis verhindern hätte können, steht das Neuerungsverbot entgegen.
3. Mit der Beschwerde wurde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.
4. Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. September 2008
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