VwGH 2005/12/0163

VwGH2005/12/016312.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie Vizepräsident Dr. Thienel und Hofrat Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K D in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 9. Juni 2005, Zl. BMF-111301/0149-II/5/2005, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
PG 1965 §4 Abs3;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1998/I/035;
AVG §52;
PG 1965 §4 Abs3;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1998/I/035;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2004, Zl. 2003/12/0027, hingewiesen.

Mit dem genannten Erkenntnis wurde der im Instanzenzug ergangene Bescheid der belangten Behörde betreffend die Ruhegenussbemessung des Beschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Der Sache nach ging es in diesem Verfahren darum, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung erwerbsunfähig gewesen ist und deshalb die Kürzung seiner Ruhegenussbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 3 Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340 (PG 1965) gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 iVm § 4 Abs. 7 PG 1965 (idF BGBl. I Nr. 138/1997 und BGBl. I Nr. 35/1998 (DFB)) zu unterbleiben hat; strittig war dabei die Frage, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung erwerbsunfähig gewesen ist. Die Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides, in dem die Erwerbsunfähigkeit verneint wurde, erfolgte deshalb, weil dieser Bescheid in seiner Begründung zwar in zeitlicher Reihenfolge dargestellt die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und eine Beurteilung der Rechtsfrage enthalten hat (es wurden umfänglich die erstatteten Gutachten und Stellungnahmen des Beschwerdeführers referiert), jedoch keine eigene Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes und keine nachvollziehbare Darlegung der Beweiswürdigung. Das Fehlen einer eigenständigen Beweiswürdigung seitens der belangten Behörde erhalte angesichts des Vorliegens einander widersprechender Gutachten besonderes Gewicht. Bemängelt wurde dabei insbesondere, dass sich die belangte Behörde mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten gutachtlichen Äußerungen von Dr. E, in denen dieser dem Beschwerdeführer Erwerbsunfähigkeit attestiert hat, nicht auseinandergesetzt hat. Dass der von der belangten Behörde befasste leitende Arzt des Bundespensionsamtes auf die vorgelegten Gutachten von Dr. E eingegangen sei, vermöge eine eigene Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu ersetzen.

Mit dem im fortgesetzten Verfahren erlassenen und nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den ursprünglichen Bescheid des Bundespensionsamtes über die Ruhegenussbemessung ohne Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens neuerlich abgewiesen. Die Begründung dieses Bescheides stimmt mit jener des im ersten Rechtsgang aufgehobenen Bescheides weitestgehend wörtlich überein; sie unterscheidet sich von diesem nur durch einen Hinweis auf das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, ergänzende Zitierung von Rechtsvorschriften sowie einen am Ende des Bescheides aufgenommenen Absatz zur Beweiswürdigung. In diesem neu eingefügten Absatz wird - auf das Wesentliche zusammengefasst - ausgeführt: Bei der Beurteilung, ob dauernde Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung vorgelegen sei, seien "selbstverständlich in erster Linie die dem genannten Zeitpunkt zunächst liegenden Gutachten heranzuziehen". Dem Gutachten der leitenden Ärztin des Bundespensionsamtes sei zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer die zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung ausgeübte Tätigkeit eines Gendarmerielehrers durchaus zumutbar gewesen sei; warum das Bundesministerium für Inneres zu dem Schluss gekommen sei, dass der Beschwerdeführer dauernd dienstunfähig war, müsse mangels Begründung offen bleiben. Dem Vorwurf, dass die leitende Amtsärztin - weil sie nicht Fachärztin für Orthopädie sei - das entsprechende Fachgutachten nicht richtig interpretiert habe, müsse entgegengehalten werden, dass sie schon lange Zeit einschlägig als ärztliche Begutachterin tätig ist und ihr daher durchaus die fachliche Kompetenz zugestanden werden müsse, ein orthopädisches Gutachten richtig zu lesen, daraus Schlüsse zu ziehen und etwaige Unschlüssigkeiten zu erkennen. Darüber hinaus sei auch ein weiterer leitender Arzt des Bundespensionsamtes zu weitgehend gleichen Ergebnissen gelangt. Im Weiteren gibt die belangte Behörde einzelne Passagen aus verschiedenen der von ihr eingeholten Gutachten wieder; daran schließt sich die Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung nicht erwerbsunfähig gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit seines Inhaltes wie auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerde bringt auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass auch der nunmehr angefochtene Bescheid an denselben Begründungsmängeln wie der im ersten Verfahrensgang erlassene und vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobene Bescheid leide. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht:

Vorab ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit Ablauf des 31. August 2000 in den Ruhestand versetzt wurde. Nach § 62j Abs. 2 erster Satz PG 1965 (idF des Pensionsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 86; jetzt § 96 PG 1965 nach Art. 4 Z. 14 des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119) war daher weiterhin die Bestimmung des § 4 PG 1965 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung anzuwenden. Die anzuwendende Rechtslage hat sich daher gegenüber jener, die bei Erlassung des im ersten Rechtsgang aufgehobenen Bescheides maßgeblich war, nicht geändert.

Nach § 63 Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10, idF BGBl. Nr. 470/1995 (VwGG) sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Die belangte Behörde war daher nach Ergehen des eingangs zitierten Erkenntnisses vom 25. Februar 2004, Zl. 2003/12/0027, auf Grund der vom Verwaltungsgerichtshof für die Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides angegebenen Begründung verpflichtet, ihren im fortgesetzten Verfahren zu erlassenden Bescheid mit einer ausreichenden Begründung zu versehen, in der insbesondere die von der belangten Behörde auf Grund ihres Ermittlungsverfahrens getroffenen Feststellungen zusammenzufassen und eine eigenständige Beweiswürdigung vorzunehmen waren. Insbesondere hätte sich die belangte Behörde - wie sich aus der Begründung des aufhebenden Erkenntnisses ergibt -

mit dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten von Herrn Dr. E auseinandersetzen müssen.

Diesen für sie bindenden Vorgaben ist die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nicht nachgekommen: Auch die nunmehr vorgenommene Ergänzung der Begründung enthält keine eigenständige und kohärente Feststellung des von der Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhaltes; ihre Ausführungen beschränken sich auf die Wiedergabe bzw. Referierung von Passagen aus verschiedenen Gutachten, die durch einzelne verbindende Sätze aneinandergereiht werden. Dabei ist nicht erkennbar, inwieweit die Behörde damit eigene Feststellungen treffen oder die Ausführungen der referierten Gutachten bloß wiedergeben will. Den Erfordernissen einer nachvollziehbaren Darstellung des ermittelnden Sachverhaltes wird damit wiederum nicht Rechnung getragen.

Ebenso wenig hat die belangte Behörde der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Vornahme einer Beweiswürdigung Rechnung getragen; es fehlt wiederum jegliche eigenständige Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten des Herrn Dr. E, obwohl dieser im Gegensatz zu anderen eingeholten Gutachten ausdrücklich zum Ergebnis gelangt ist, dass der Beschwerdeführer erwerbsunfähig gewesen sei. Wenn die belangte Behörde in ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift versucht, nunmehr eine derartige Auseinandersetzung mit den betreffenden Gutachten nachzureichen, ist sie darauf hinzuweisen, dass eine solche Gegenschrift nicht geeignet ist, dem Bescheid anhaftende Begründungsmängel zu beheben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2008, Zl. 2005/12/0221, mwN).

Beizufügen ist, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung auch in anderen Punkten nicht schlüssig erscheint: Zwar trifft es zu, dass die für den Entfall der Kürzungsbestimmungen maßgebliche Frage der Erwerbsunfähigkeit des betreffenden Beamten an Hand der Sachlage im Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung zu beurteilen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2005, Zl. 2002/12/0250); es ist aber nicht nachvollziehbar, warum für diese Beurteilung "selbstverständlich in erster Linie die dem genannten Zeitpunkt zunächst liegenden Gutachten heranzuziehen" seien. Die Beweiskraft eines Gutachtens bestimmt sich nämlich nach seinem inneren Wahrheitsgehalt, nicht nach dem Zeitpunkt seiner Erstattung.

Da die belangte Behörde somit ihrer Verpflichtung nach § 63 Abs. 1 VwGG zur Herstellung eines der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 25. Februar 2004, Zl. 2003/12/0027, entsprechenden Rechtszustandes nicht nachgekommen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 12. November 2008

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