Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 2.724,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführenden Parteien, Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe in Tschetschenien, gelangten im September 2003 in das Bundesgebiet und beantragten (die zweit- und die drittbeschwerdeführende Partei vertreten durch ihre Mutter, die Erstbeschwerdeführerin) Asyl.
Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. Jänner 2004 gab die Erstbeschwerdeführerin an, ihr Ehemann habe im ersten Tschetschenienkrieg gekämpft, im zweiten nur mehr geholfen. Im August 2002 sei er getötet worden. Sie selbst sei danach vom russischen Militär gesucht worden. Im Falle ihrer Rückkehr fürchte sie getötet zu werden. In Tschetschenien würden "Schuldige und Unschuldige" getötet. Sie habe Brot für die tschetschenischen Freiheitskämpfer gebacken, wahrscheinlich sei das bekannt.
Das Bundesasylamt wies die Asylanträge mit Bescheid vom 19. Jänner 2004 gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien nach "Russland" aber gemäß § 8 AsylG für nicht zulässig und erteilte ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen. Es traf längere Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und zur Entwicklung in Tschetschenien (Seiten 8 bis 19 des erstinstanzlichen Bescheides), erachtete die Behauptungen der Erstbeschwerdeführerin über eine Suche des russischen Militärs nach ihr als unglaubwürdig und ging davon aus, dass sie und ihre Kinder Tschetschenien "wegen des Bürgerkrieges, bzw. wegen der mit diesem Bürgerkrieg im direkten Zusammenhang stehenden Folgen" verlassen hätten. Eine Bürgerkriegssituation "indiziere" nicht die Flüchtlingseigenschaft.
In ihrer gemeinsamen Berufung gegen die Abweisung der Asylanträge führten die beschwerdeführenden Parteien aus, sie seien aufgrund der "Tätigkeit" der Erstbeschwerdeführerin durch die russischen Sicherheitskräfte massiv gefährdet.
In der mündlichen Berufungsverhandlung am 1. August 2005 wurde die Erstbeschwerdeführerin ergänzend einvernommen. Sie gab an, ihr Ehemann sei vom russischen Militär festgenommen und einen Monat später, am 22. August 2002, tot aufgefunden worden. Sie selbst sei zusammen mit ihm schon im März oder April 2002 von russischen Militärkräften festgenommen und nach einigen Stunden wieder freigelassen worden. Bei diesem Vorfall habe das russische Militär in ihrer Gegenwart ein vermutlich mit Sprengstoff gefülltes Paket in ihrem Abstellraum abgelegt und gefilmt und die Erstbeschwerdeführerin dabei beschuldigt, sie hätte mit diesem Paket jemanden in die Luft sprengen wollen. Nach dem Tod ihres Mannes sei sie "von den Russen gesucht" worden. Außerhalb Tschetscheniens könne sie nicht Aufenthalt nehmen, weil die Tschetschenen "überall in Russland verfolgt" würden.
Mit den angefochtenen Bescheiden bestätigte die belangte Behörde die Abweisung der Asylanträge gemäß § 7 AsylG.
In der Begründung des die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Bescheides wurde dazu in sachverhaltsmäßiger Hinsicht - im Anschluss an Feststellungen zur Person sowie über die Ausreise aus Tschetschenien und die Einreise nach Österreich - ausgeführt:
"Hingegen kann nicht festgestellt werden, dass die Berufungswerberin zum einen aus den von ihr angegebenen Gründen ihre Heimat Tschetschenien verlassen hat und zum anderen aber - aufgrund der bekannten Verhältnisse in ihrer Heimatregion - derzeit bei einer allfälligen Rückkehr nicht in eine ausweglose Lage geraten würde (AS 115)."
Im Besonderen seien der behauptete Vorfall mit dem Sprengstoffpaket, der Ausreisezeitpunkt und der behauptete Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin Brot für tschetschenische Kämpfer gebacken habe und deshalb gefährdet sei, nicht feststellbar.
Über den Hinweis auf die "bekannten Verhältnisse" hinausgehende Feststellungen zur Lage in Tschetschenien traf die belangte Behörde nicht. Bei der zitierten Aktenseite handelte es sich um die rechtliche Begründung des Bundesasylamtes für die Gewährung des Refoulementschutzes (Seite 24 des erstinstanzlichen Bescheides).
In der anschließenden Beweiswürdigung legte die belangte Behörde dar, weshalb die individuellen Verfolgungsbehauptungen der Erstbeschwerdeführerin nicht glaubwürdig seien.
Die rechtliche Würdigung lautete - ungekürzt - wie folgt:
"3. Rechtlich folgt:
Da der gegenständliche Asylantrag vor dem 01.05.2004 gestellt wurde, wird das Berufungsverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 i.d.F. BGBl 126/2002 geführt (vgl. § 44 Abs. 1 AsylG, BGBl I Nr. 101/2003).
Es kann aufgrund obiger Feststellungen in Zusammenhalt mit der Beweiswürdigung nicht davon ausgegangen werden, der Berufungswerberin sei es gelungen, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gem. § 7 AsylG in Verbindung mit der Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen."
Die im Wesentlichen gleichlautenden Rechtsausführungen in den die Kinder betreffenden Bescheiden enthielten darüber hinaus noch jeweils eine Bezugnahme auf die "Gesamtbetrachtung der Vorbringen aller Familienangehörigen" und einen Hinweis auf die Gewährung von Refoulementschutz durch das Bundesasylamt.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die fast ausschließlich aus Textbausteinen bestehenden Beschwerden enthalten nichts, was geeignet wäre, die nach der Aktenlage schlüssige Beweiswürdigung der belangten Behörde in Bezug auf die individuellen Verfolgungsbehauptungen der Erstbeschwerdeführerin zu erschüttern.
Aus dem Umstand, dass schon das Bundesasylamt Refoulementschutz gewährt hatte, hat die belangte Behörde aber offenbar geschlossen, zur Entscheidung über die Berufung der beschwerdeführenden Parteien gegen die Abweisung der Asylanträge bedürfe es keiner Feststellungen über die Entwicklung in Tschetschenien und - sofern etwa mit dem Hinweis auf die erstinstanzlichen Rechtsausführungen zum Refoulementschutz auch eine Verweisung auf die vorangegangenen Feststellungen des Bundesasylamtes intendiert gewesen sein sollte - keiner rechtlichen Auseinandersetzung mit der Frage der Asylrelevanz der vom Bundesasylamt angenommenen, aber nicht als asylrelevant eingestuften Gefährdungen der beschwerdeführenden Parteien im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat.
Eine solche Beschränkung des Gegenstandes des Berufungsverfahrens ist daraus, dass die Berufung am individuellen Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin festhielt, aber nicht ableitbar. Die belangte Behörde hätte daher - ungeachtet des rechtskräftig gewährten Refoulementschutzes - umfassende und nicht bloß auf dieses individuelle Vorbringen beschränkte Feststellungen über die den beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat drohenden Gefahren treffen und deren Asylrelevanz überprüfen müssen. Ausführungen darüber, dass und weshalb die nach Meinung des Bundesasylamtes ausweglose Situation, in die die beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat geraten würden, nicht die Folge des von der Erstbeschwerdeführerin u.a. behaupteten Umstandes sei, dass "die Tschetschenen ... überall in Russland verfolgt" würden, enthält der angefochtene Bescheid jedoch nicht. Dazu, dass solche Ausführungen nicht entbehrlich waren, kann mit Rücksicht auf die sehr ähnlichen Feststellungen des Bundesasylamtes gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 30. November 2006, Zl. 2006/19/0301, verwiesen werden.
Da die belangte Behörde dies nicht erkannt und sich in der Auseinandersetzung mit der Berufung der beschwerdeführenden Parteien zu Unrecht auf das individuelle Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin beschränkt hat, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Ausmaß des Begehrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. September 2007
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