Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Armenien, gelangte am 14. Dezember 2000 gemeinsam mit ihren Kindern S und A nach Österreich, von wo sie in die Bundesrepublik Deutschland weiterreiste. Am 21. Dezember 2000 wurde die Beschwerdeführerin in Anwendung des Dubliner Übereinkommens zusammen mit ihren Kindern von Österreich rückübernommen und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
Bei ihrer Befragung vor dem Bundesasylamt am 17. Jänner 2001 gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr aus Aserbaidschan gebürtiger Ehemann im Zuge des armenisch-aserbaidschanischen Krieges Personen aus Armenien geholfen habe, nach Aserbaidschan zu gelangen. Im Jahre 1994 habe er deswegen eine Ladung von der Miliz erhalten. Nach dieser Ladung durch die Miliz sei die Familie der Beschwerdeführerin Schikanen durch ihre Nachbarn ausgesetzt gewesen. Die Kinder hätten Probleme in der Schule bekommen. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei 1996 an einem Herzinfarkt verstorben. Auf Grund der Gefahren, die ihren Kindern in Armenien gedroht hätten, und in Ermangelung einer gesicherten Zukunft für ihre Kinder sei die Beschwerdeführerin zusammen mit diesen im Jahre 2000 aus Armenien ausgereist.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Armenien fest.
Dem Bundesasylamt erschien es aus näher dargestellten Gründen nachvollziehbar, dass man in der Nachbarschaft gelegentlich über die Beschwerdeführerin abfällig gesprochen habe, nachdem bekannt geworden wäre, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin Aserbaidschanern während des armenisch-aserbaidschanischen Krieges zum illegalen Grenzübertritt verholfen habe. Auch sei glaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin deswegen einzelnen Schikanen der Nachbarschaft ausgesetzt gewesen wäre. Nicht glaubwürdig erschienen dem Bundesasylamt jedoch die Behauptungen der Beschwerdeführerin, wonach sie auf Grund der Hilfeleistungen ihres Ehemannes an aserbaidschanische Staatsangehörige derartigen Anfeindungen und Verfolgungen durch Privatpersonen ausgesetzt gewesen wäre, dass ihr ein weiterer Verbleib in Armenien nicht mehr zumutbar gewesen sei. Die Beschwerdeführerin hätte nämlich keine konkreten Handlungen angeben können, sondern lediglich behauptet, man hätte in der Nachbarschaft schlecht über sie gesprochen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung trat die Beschwerdeführerin der beweiswürdigenden Argumentation im erstinstanzlichen Bescheid und den dort getroffenen Feststellungen entgegen.
In der am 24. September 2002 durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung gab die Beschwerdeführerin als einen unmittelbaren Anlass für ihre Ausreise aus Armenien an, dass sie in Armenien Drohungen ausgesetzt gewesen sei, wonach man ihre Kinder entführen und umbringen würde. Diese Bedrohungen hätten nach dem Tod ihres Ehemannes ihren Anfang genommen. Die Bezirkspolizei, an die sich die Beschwerdeführerin wegen dieser Bedrohungen gewandt hätte, habe sie lediglich beruhigt und gemeint, dass so etwas nicht vorkommen werde. Ansonsten hätte die Bezirkspolizei nichts unternommen.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2003 gewährte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zu einem Gutachten einer länderkundlichen Sachverständigen vom 7. Mai 2003 samt den dazugehörigen Quellen Parteiengehör.
In Beantwortung einer Anfrage der belangten Behörde vom 13. Oktober 2003 hielt es diese länderkundliche Sachverständige unter Berufung auf zwei Menschenrechtsexperten in Armenien in einem Schreiben vom 29. Dezember 2003 für ausgeschlossen, dass Personen, die ethnischen Aseris 1989 (oder zu einem anderen Datum) zur Flucht aus Armenien nach Aserbaidschan verholfen hätten, deswegen heute in Armenien durch Privatpersonen aktuell gefährdet seien. Im Fall von Übergriffen könnten solche Personen selbstverständlich mit staatlichem Schutz rechnen. Überdies würde der Umstand, dass ein Armenier um das Jahr 1989 Aseris zur Flucht aus Armenien verholfen habe, "heute nicht mehr die Gemüter" erregen.
Dazu nahm die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 27. Jänner 2004 Stellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß §§ 7, 8 AsylG ab.
In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde unter anderem fest, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin - ein aus Aserbaidschan stammender Armenier - im Zuge des armenisch-aserbaidschanischen Konfliktes im Jahre 1989 ethnischen Aseris aus Armenien geholfen hätte, nach Aserbaidschan zu gelangen. Nachdem er diese Vorfälle einige Zeit geheim halten hätte können, sei er nach Bekanntwerden dieser Fluchthilfe von der Polizei zusammengeschlagen, bedroht und in der Folge mehrmals festgenommen worden. 1996 sei der Ehemann der Beschwerdeführerin an einem Herzinfarkt verstorben. Die Beschwerdeführerin und ihre Kinder seien daraufhin Anfeindungen der "einfachen Bevölkerung aus Armenien" ausgesetzt gewesen. Unter anderem habe man die Beschwerdeführerin mit der Entführung und Tötung ihrer Kinder bedroht. Die Polizei, an die sich die Beschwerdeführerin wandte, habe versucht sie zu beruhigen.
Unter Verweis auf die Anfragebeantwortung der länderkundlichen Sachverständigen vom 29. Dezember 2003 führte die belangte Behörde in der Begründung ihres angefochtenen Bescheides schließlich aus, dass es der von der Beschwerdeführerin behaupteten Verfolgungsgefahr an der erforderlichen Aktualität mangle.
Die Ablehnung von Refoulement-Schutz begründete die belangte Behörde im Wesentlichen mit dem Fehlen von Anhaltspunkten dafür, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr nach Armenien in eine derartige Notlage geraten würde, die einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK gleichkommen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde am 24. September 2002 als unmittelbaren Anlass ihrer Ausreise aus Armenien die Bedrohungen von Privatpersonen, wonach man ihre Kinder entführen und umbringen würde, genannt. Die Bezirkspolizei habe die Beschwerdeführerin zwar beruhigt und gemeint, dass dies nicht vorkommen werde, jedoch nichts weiter unternommen.
Die belangte Behörde ist diesen Angaben der Beschwerdeführerin in ihrer Beweiswürdigung gefolgt und hat diese Fluchtgründe ihren Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde gelegt. Die Beschwerdeführerin wurde somit nach Ansicht der belangten Behörde ihren geglaubten Angaben zufolge im Jahre 2000 ungeachtet des Umstandes bedroht, dass sich zum Verhalten ihres verstorbenen Ehemannes im Jahre 1989, das Ursache für die Drohungen gegenüber ihren Kindern gewesen ist, ein großer Zeitabstand ergibt.
Dieses von der belangten Behörde als wahr unterstellte Vorbringen lässt sich jedoch mit den Ausführungen der länderkundlichen Sachverständigen, wonach eine aktuelle Gefährdung von Personen, die 1989 ethnischen Aseris zur Flucht aus Armenien nach Aserbaidschan verholfen haben, auf Grund des Zeitabstandes seit dem Ende der Kämpfe um Berg-Karabach (Mai 1994) und seit der Massenflucht von Aseris aus Armenien (1989) nicht mehr gegeben sei, nicht kombinieren.
Es ist nämlich nicht ohne Weiteres erkennbar, dass es einen Unterschied macht, ob zwischen den Ereignissen aus 1989 und der Anfragebeantwortung der länderkundlichen Sachverständigen vom 29. Dezember 2003 vierzehn Jahre, nach dem als wahr unterstellten Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Verfolgungshandlungen im Jahr 2000 jedoch lediglich elf Jahre verstrichen sind. Die auf die gutachterlichen Ausführungen gestützte Begründung der belangten Behörde, wonach es den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin an der erforderlichen Aktualität zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mangle, erweist sich angesichts des als wahr unterstellten Vorbringens der Beschwerdeführerin daher als unschlüssig.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. Mai 2007
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