VwGH 2006/18/0499

VwGH2006/18/049916.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des S H in W, geboren 1983, vertreten durch Dr. Rolf Schuhmeister und Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwälte in 2320 Schwechat, Bruck-Hainburger Straße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. November 2006, Zl. SD 455/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §65;
FrPolG 2005 §69;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §65;
FrPolG 2005 §69;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Die Bundespolizeidirektion Wien (Erstbehörde) erließ mit Bescheid vom 5. April 2006 gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. November 2006 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der gegen den vorgenannten Bescheid erhobenen Berufung keine Folge gegeben und dieser mit der Maßgabe bestätigt, dass das Aufenthaltsverbot gemäß § 63 FPG für die Dauer von zehn Jahren erlassen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer mit einem bis 20. Oktober 2001 gültigen Touristenvisum am 4. September 2001 in das Bundesgebiet eingereist und nach dessen Ablauf nahezu zwei Jahre unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben sei. Am 1. Juli 2003 habe er in Wien die österreichische Staatsbürgerin D. geehelicht. Seinem Antrag vom 16. Oktober 2003 auf Erteilung einer von seiner Ehegattin abgeleiteten Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" sei von der Erstbehörde stattgegeben worden, und ihm sei auf Grund eines Verlängerungsantrages zuletzt ein bis 28. Oktober 2005 gültiger Aufenthaltstitel für denselben Aufenthaltszweck erteilt worden. Erst auf Grund eines weiteren Verlängerungsantrages seien Verdachtsmomente hinsichtlich einer Scheinehe aufgetaucht.

Die Ehe des Beschwerdeführers sei mit (seit 30. September 2005 rechtskräftigem) Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 26. August 2005 für nichtig erklärt worden. Den Urteilsfeststellungen sei u.a. zu entnehmen, dass die Ehegatten nie die Absicht gehabt hätten, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, und die Ehe von D. aus finanziellen Motiven sowie vom Beschwerdeführer zu dem Zweck geschlossen worden sei, um durch die Eheschließung die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit bzw. den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen.

Für die belangte Behörde habe kein Anlass bestanden, an der Richtigkeit der Zeugenaussagen der österreichischen (Ex-)Gattin des Beschwerdeführers und deren damaligen Lebensgefährten zu zweifeln, und es stehe fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt.

Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle, was der Gesetzgeber auch durch die Normierung des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG deutlich zum Ausdruck gebracht habe, eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 60 Abs. 1 leg. cit. rechtfertige.

Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet offenbar familiäre Bindungen zu Verwandten und mit diesen auch zu verschiedenen Zeitpunkten im gemeinsamen Haushalt gewohnt. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privat- und Familienleben sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, rechtsmissbräuchlich insofern vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Vor dem Hintergrund seines über zweijährigen illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer nur auf Grund seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin seinen unrechtmäßigen Aufenthalt vom Inland aus legalisieren und zu der bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gelangen können.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - angesichts des vorliegenden Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Der Gesetzgeber habe im Hinblick auf die erforderliche Bekämpfung der im stetigen Ansteigen begriffenen Aufenthaltsehen (bzw. Scheinehen) wegen des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der Verhinderung des Eingehens von Aufenthaltsehen (bzw. Scheinehen) Anpassungen im FPG vorgenommen. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne - selbst unter Bedachtnahme auf dessen familiäre und berufliche Situation - ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des nunmehr festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bekämpft nicht die Beurteilung der belangten Behörde im Grund des § 60 Abs. 2 Z. 9 und des § 66 Abs. 1 und 2 FPG. Diese Beurteilung begegnet aus den insoweit zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bringt indes vor, dass die belangte Behörde das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers hätte üben müssen. Um ein Aufenthaltsverbot gemäß § 60 FPG erlassen zu können, müssten "bestimmte zusätzliche Voraussetzungen, die kumulativ zu einer Scheinehe vorliegen müssen", erfüllt sein und "eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung" vorliegen. Beides sei jedoch von der belangten Behörde in keiner Weise konkretisiert worden. Zum einen stelle das Fehlen der Feststellungen über die zusätzlichen negativen Voraussetzungen eine unrichtige Ermessensentscheidung und zum anderen "die Behauptung, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dadurch gewährleistet sei, eine unrichtige Prognoseentscheidung dar".

2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0253, mwN) ausgeführt hat, kommt der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu, und es besteht ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung des Rechtsmissbrauches durch Eingehen einer Scheinehe. Im Hinblick darauf erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, als unbedenklich.

Diese Bestimmung gibt der Behörde die Möglichkeit, in Ausübung des ihr damit eingeräumten Ermessens von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen. Nach den Materialien zum FPG (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 99: "Zu § 60") sind die Determinanten für eine solche Ermessensübung insbesondere § 60 Abs. 2, den §§ 65 und 69 FPG und damit im Zusammenhang Art. 8 EMRK zu entnehmen.

Die Beschwerde zeigt mit ihrem Vorbringen keine besonderen Umstände auf, und es ergeben sich auch aus dem angefochtenen Bescheid keine solchen Umstände, die es geboten hätten, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu Gunsten des Beschwerdeführers Abstand zu nehmen.

3. Aber auch die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte, von der Beschwerde bekämpfte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes begegnet keinen Bedenken.

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 leg. cit. unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach der hg. Judikatur ist ein Aufenthaltsverbot, das nicht unbefristet erlassen werden kann, für jenen Zeitpunkt zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0231, mwN).

Dem Beschwerdeführer ist nicht nur vorzuwerfen, durch das Eingehen einer Scheinehe rechtsmissbräuchlich Niederlassungsbewilligungen und den Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt zu haben, sondern auch - was die Beschwerde nicht in Abrede stellt -, sich nach der im Jahr 2001 mittels eines Touristenvisums erfolgten Einreise nahezu zwei Jahre in Österreich unrechtmäßig aufgehalten zu haben. In Anbetracht dieses Gesamtfehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 16. Jänner 2007

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