VwGH 2006/16/0125

VwGH2006/16/012528.2.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der B GmbH & Co KG in L, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 3 (K), vom 23. Juni 2006, Zlen. ZRV/246-Z3K/04 und ZRV/247-Z3K/04, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Normen

31992R2913 ZK 1992 Art161 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art182 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art203;
31992R2913 ZK 1992 Art212a;
31992R2913 ZK 1992 Art213;
31992R2913 ZK 1992 Art215 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art221;
31993R2454 ZKDV 1993 Art865;
B-VG Art130 Abs2;
31992R2913 ZK 1992 Art161 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art182 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art203;
31992R2913 ZK 1992 Art212a;
31992R2913 ZK 1992 Art213;
31992R2913 ZK 1992 Art215 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art221;
31993R2454 ZKDV 1993 Art865;
B-VG Art130 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 433,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Mit drei Bescheiden vom 16. Dezember 2003 teilte das Hauptzollamt Salzburg der beschwerdeführenden Partei die gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG entstandene Eingangsabgabenschuld mit und schrieb die Abgabenerhöhung vor, weil in diesen drei Fällen die Pflichten, bestimmte Waren im vereinfachten Versandverfahren an den festgelegten zugelassenen Ort zu befördern und nach den zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen zu übernehmen, nicht erfüllt worden seien.

Die beschwerdeführende Partei erhob dagegen Berufung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 11. Oktober 2004 wies das Zollamt Salzburg die Berufung als unbegründet ab.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Beschwerde an den unabhängigen Finanzsenat.

II. Nach durchgeführter Betriebsprüfung durch das Zollamt Salzburg teilte dieses mit Bescheid vom 6. Mai 2004 der beschwerdeführenden Partei für weitere 93 Fälle die gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG entstandene Eingangsabgabenschuld mit und schrieb die Abgabenerhöhung vor, weil Pflichten im vereinfachten Versandverfahren zur Sammelanmeldung nicht erfüllt worden seien.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 12. August 2004 wies das Zollamt Salzburg die Berufung als unbegründet ab.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Beschwerde an den unabhängigen Finanzsenat.

III. Mit den angefochtenen Bescheiden änderte die belangte Behörde den Spruch der bekämpften Berufungsvorentscheidungen dahingehend ab, dass die eingangsabgabepflichtigen Waren dadurch, dass das Begleitpapier jeweils von den Waren entfernt, die Waren zur Ausfuhr gestellt und abgefertigt worden seien, der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien. Für die Beschwerdeführerin sei dadurch gemäß Art. 203 Abs. 1 und Abs. 3 vierter Gedankenstrich ZK iVm Art. 213 ZK und § 2 Abs. 1 ZollR-DG die Eingangsabgabenschuld entstanden; im Übrigen würden die Berufungen als unbegründet abgewiesen werden.

Im Übrigen wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung der angefochtenen Bescheide heißt es im Wesentlichen gleich lautend, mit Bescheid des Hauptzollamtes Salzburg vom 30. April 2002 seien die an die beschwerdeführende Partei ergangenen Bewilligungen neu gefasst worden. Die erteilten Bewilligungen beträfen die Gestellungsbefreiung und die Anmeldung der Waren im Anschreibeverfahren gemäß Art. 76 Abs. 1 Buchstabe c ZK mittels Sammelanmeldung für Einfuhren in den zollrechtlich freien Verkehr sowie Vereinfachungen und Begünstigungen beim Verbringen der Waren, wie ein vereinfachtes Versandverfahren von einer österreichischen Zollstelle an die im Bescheid genannten Orte sowie die Befreiung von der Gestellungspflicht als zugelassener Empfänger im Versandverfahren nach Art. 76 Abs. 1 Buchstabe c ZK. Laut Punkt 4.2 des Bewilligungsbescheides seien die Waren nach der Einfuhr zur beschwerdeführenden Partei oder zur Speditionsfirma in Hallein zu befördern. Im Rahmen dieser Bewilligung genüge nach § 62 Abs. 3 Z 1 ZollR-DG für das Versandverfahren von einer österreichischen Zollstelle an die genannten Orte die Abgabe eines Begleitpapiers im Zuge des Grenzübertrittes unter Hinweis auf das vereinfachte Verfahren. Der Inhaber der Bewilligung des vereinfachten Verfahrens gelte als Hauptverpflichteter. Die Übernahme der Sendung und die Feststellung der Übereinstimmung der Sendung mit der Versandanmeldung sowie die Überprüfung und Abnahme allfälliger Zollverschlüsse habe ausschließlich durch die im Bewilligungsbescheid genannten Personen zu erfolgen.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Salzburg vom 14. Juni 2002 sei überdies die Bewilligung zur Sammelanmeldung nach § 59 Abs. 1 ZollR-DG in der Ausfuhr erteilt worden.

Vom Zollamt Berg sei am 25. September 2003 die Meldung ergangen, dass im Rahmen von im vereinfachten Verfahren mit Sammelanmeldung durchgeführten "Zug um Zug" Abfertigungen Pflichtverletzungen vermutet würden. Diese seien so erfolgt, dass die Waren von der Tochterfirma der Beschwerdeführerin aus der Slowakei kommend beim Zollamt Berg unter Vorlage von Rechnungen gestellt und unter Anführung der Sammelanmeldungskennnummer in das vereinfachte Versandverfahren überführt worden seien. Diese Waren seien unmittelbar danach unter Vorlage von Ausgangsrechnungen sowie Anführung der Sammelanmeldungskennnummer zur Ausfuhr gestellt und abgefertigt worden, ohne dass die mit dem vereinfachten Versandschein angewiesenen Waren jemals an einen zugelassenen Warenübernahmeort befördert und entsprechend den Anordnungen im Bewilligungsbescheid übernommen worden seien.

Anlässlich einer bei der beschwerdeführenden Partei durchgeführten Betriebsprüfung des Zollamtes Salzburg seien im Zeitraum 1. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2003 weitere 93 Fälle festgestellt worden, bei denen die vom Zollamt Salzburg erteilten Bescheidauflagen nicht erfüllt worden seien.

Über Ansuchen der beschwerdeführenden Partei sei mit Bescheid des Hauptzollamtes Salzburg vom 23. Dezember 2003 die erteilte Bewilligung vom 30. April 2002 dahingehend abgeändert worden, dass nach der Einfuhr die Beförderung der Waren nicht nur an die erwähnte Adresse der beschwerdeführenden Partei bzw. der Speditionsfirma in Hallein, sondern auch zu anderen Speditionsfirmen in Dürnkrut und Wolfsthal zulässig sei.

Die belangte Behörde komme entgegen der Beurteilung des Zollamtes Salzburg in den bekämpften Bescheiden und der Rechtsmeinung der beschwerdeführenden Partei zur Überzeugung, dass die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien. Zum einen seien die Fracht- und Lieferpapiere (Begleitpapier im Sinne des § 62 Abs. 3 Z 1 ZollR-DG) bei den betroffenen Grenzspeditionen abgegeben und an die Speditionsfirma in Hallein gesandt worden. Die zeitweilige Entfernung des Versandscheines (im vereinfachten Versandverfahren das Begleitpapier) von der Ware, auf die er sich beziehe, verhindere es, dass er auf Verlangen der Zollstellen vorgelegt werden könne und stelle damit eine Entziehung dieser Ware aus der zollamtlichen Überwachung dar, auch wenn die Zollverwaltung zu keinem Zeitpunkt die Vorlage des Versandscheins verlangt oder festgestellt habe, dass er ihr nicht ohne nennenswerte Verzögerung hätte vorgelegt werden können (vgl. das Urteil des EuGH vom 29. April 2004, Rs. C-222/01 ). Zum anderen seien die Waren in der Folge unter Vorlage von Ausgangsrechnungen sowie Anführung der Sammelanmeldungskennnummer zur Ausfuhr gestellt und abgefertigt worden, wodurch der Ware fälschlicherweise der zollrechtliche Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt worden sei. Dies habe zur Folge gehabt, dass die konkrete zollamtliche Überwachungstätigkeit eingestellt worden sei, weshalb die Zollschuld auch in diesem Fall nach Art. 203 ZK zu erheben sei (Artikel 865 ZK-DVO).

Unmittelbar nachdem die Waren in das vereinfachte Versandverfahren übergeführt worden seien, seien diese unter Vorlage von Ausgangsrechnungen sowie Anführung der Sammelanmeldungskennnummer zur Ausfuhr gestellt und abgefertigt worden, ohne dass die mit dem vereinfachten Versandschein angewiesenen Waren jemals an einen zugelassenen Warenübernahmeort befördert und entsprechend den Anordnungen im Bewilligungsbescheid übernommen worden seien. Die Einfuhrzollschuldentstehung auf Grund dieses Sachverhaltes sei bereits Gegenstand der bekämpften Bescheide gewesen. Eine rechtlich andere Beurteilung der Sache durch die belangte Behörde sei bei Identität der Sache nicht nur zulässig, sondern gemäß § 289 BAO geboten.

Zollschuldner nach Art. 203 Abs. 3 erster Gedankenstrich ZK sei die Person, die die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen habe, im Beschwerdefall der jeweilige Kraftfahrer, und nach Art. 203 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich ZK seien Zollschuldner die Personen, die an der Entziehung beteiligt gewesen seien, obwohl sie gewusst hätten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen haben. Demnach komme das Speditionsunternehmen als Zollschuldnerin in Betracht, wenn sie durch grob fahrlässiges Handeln an der Entziehung beteiligt gewesen sei.

Schließlich könne auf eine weitere Person, den Pflichteninhaber nach Art. 203 Abs. 3 vierter Gedankenstrich ZK zurückgegriffen werden. Für diese Zollschuldnerschaft komme es weder auf ein Verschulden des Pflichteninhabers noch auf das Wissen oder Wissenmüssen um das Entziehen an. Pflichteninhaberin sei die beschwerdeführende Partei durch die erteilte Bewilligung des Zollamtes vom 30. April 2002 für das vereinfachte Versandverfahren, weshalb sie gemäß § 62 Abs. 3 Z 1 ZollR-DG als Hauptverpflichtete gelte.

Gäbe es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so seien diese gemäß Art. 213 ZK gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet. Bei der Entscheidung einen der Zollschuldner in Anspruch zu nehmen, müssten die Zollbehörden nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände entscheiden. Eine Abgabenvorschreibung an die jeweiligen Kraftfahrer, die an der Zollschuldentstehung mangels Kenntnis der Bewilligungsbescheide des Hauptzollamtes Salzburg kein Verschulden treffe, wäre nicht nur unbillig, sondern auch völlig unzweckmäßig, weil diese namentlich nicht bekannt und für slowakische Frachtführer tätig gewesen seien. Als mögliche Zollschuldner verblieben somit die beschwerdeführende Partei gemäß Art. 203 Abs. 3 vierter Gedankenstrich ZK und bei Vorliegen von zumindest grober Fahrlässigkeit das Speditionsunternehmen gemäß Art. 203 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich ZK. Wenn auch Billigkeitserwägungen für eine Zollschuldvorschreibung an das Speditionsunternehmen sprechen könnten, weil die beschwerdeführende Partei jedenfalls an den Entziehungshandlungen kein Verschulden treffe, sprächen gewichtigere Gründe der Zweckmäßigkeit ausschließlich für eine Abgabenvorschreibung an die beschwerdeführende Partei. Die beschwerdeführende Partei habe im Versandverfahren als Hauptverpflichtete eine besondere Stellung (Garantenstellung), die erst mit dem Eintreffen der Waren in den in der Bewilligung genannten Betrieben und der Anschreibung der Waren ende. Zudem wäre bei einer Stattgabe der vorliegenden Beschwerden an den unabhängigen Finanzsenat und der erstmaligen Abgabenvorschreibung an das Speditionsunternehmen gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK eine solche Mitteilung an den neuen Zollschuldner nicht mehr zulässig. Weiters seien die Abgaben von der beschwerdeführenden Partei bereits entrichtet worden, weshalb die Zollschuld gemäß Art. 233 Buchstabe a ZK erloschen sei. Völlig unzweckmäßig wäre daher die Rückzahlung dieser Abgaben und Neuvorschreibung an eine andere Person, bei der nicht sichergestellt sei, ob sie wegen des Erfordernisses eines subjektiven Tatbestandsmerkmals überhaupt als Zollschuldner herangezogen werden könne. Die Klärung des Ausmaßes eines Verschuldens des Speditionsunternehmens bzw. dessen Angestellten sollte daher dem von der beschwerdeführenden Partei bereits beantragten Erstattungsverfahren nach Art. 239 ZK vorbehalten bleiben. Die beschwerdeführende Partei sei daher aus diesen Gründen gemäß Art. 203 Abs. 3 vierter Gedankenstrich ZK als Zollschuldnerin heranzuziehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag die Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich insbesondere in seinem Recht darauf verletzt, dass keine Zollschuld nach Art. 203 Abs. 3 ZK entstanden ist.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach den Feststellungen der angefochtenen Bescheide wurden die aus einem Drittland kommenden Waren bei der Eingangszollstelle des Zollgebiets der Gemeinschaft zunächst unter Anführung der Sammelanmeldungskennnummer in das vereinfachte Versandverfahren übergeführt. Unmittelbar danach wurden die Waren zur Ausfuhr gestellt, abgefertigt und danach ausgeführt.

Der beschwerdeführenden Partei wird vorgeworfen, die aus der Inanspruchnahme des vereinfachten Versandverfahrens übernommenen Pflichten, nämlich die Gestellung der Waren am festgelegten und bewilligten Übernahmeort nicht erfüllt zu haben.

Gemäß Art. 91 Abs. 1 ZK können im externen Versandverfahren folgende Waren zwischen zwei innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft gelegenen Orten befördert werden:

a) Nichtgemeinschaftswaren, ohne dass diese Waren Einfuhrabgaben, anderen Abgaben oder handelspolitischen Maßnahmen unterliegen;

b) Gemeinschaftswaren, wobei die Fälle und Voraussetzungen im Ausschussverfahren festzulegen sind, damit die Erzeugnisse, die im Zusammenhang mit der Ausfuhr Maßnahmen unterliegen oder in den Genuss von Maßnahmen kommen, diesen Maßnahmen nicht entzogen werden können oder nicht ungerechtfertigt in deren Genuss kommen können.

Gemäß Art. 92 Abs. 1 ZK endet das externe Versandverfahren und die Verpflichtungen des Inhabers sind erfüllt, wenn die in dem Verfahren befindlichen Waren und die erforderlichen Dokumente entsprechend den Bestimmungen des betreffenden Verfahrens am Bestimmungsort der dortigen Zollstelle gestellt werden.

Gemäß Art. 97 Abs. 2 Buchstabe b ZK hat unter dem Vorbehalt, dass die Anwendung der gemeinschaftlichen Maßnahmen, denen die Waren unterliegen, gewährleistet ist, jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit, vereinfachte Verfahren vorzusehen, die unter bestimmten Umständen für Waren gelten, die nicht für den Verkehr im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats bestimmt sind.

Nach § 62 Abs. 3 Z 1 ZollR-DG genügt im Sinn des Artikels 97 Abs. 2 Buchstabe b ZK für das Versandverfahren von einer österreichischen Zollstelle in den inländischen Betrieb einer Person, die befugt ist, Waren durch Anschreibung in ein Zollverfahren zu überführen, die Abgabe einer Ausfertigung eines Begleitpapiers, in dem die Menge und Art der Waren angeführt und auf das vereinfachte Verfahren hingewiesen ist; der Inhaber der Bewilligung des vereinfachten Verfahrens gilt als Hauptverpflichteter.

Sofern nichts Gegenteiliges bestimmt ist, können Waren gemäß Art. 58 Abs. 1 ZK ungeachtet ihrer Beschaffenheit, ihrer Menge, ihres Ursprungs, ihrer Herkunft oder ihres Bestimmungsorts jederzeit unter den festgelegten Voraussetzungen eine beliebige zollrechtliche Bestimmung erhalten.

Alle Waren, die in ein Zollverfahren übergeführt werden sollen, sind gemäß Art. 59 Abs. 1 ZK zu dem betreffenden Verfahren anzumelden.

Unbestritten ist, dass die Waren bei der Eingangszollstelle auf Grund der vorliegenden Bewilligungen unter Inanspruchnahme eines vereinfachten Verfahrens eine zollrechtliche Bestimmung erhielten; die Waren wurden zunächst in das vereinfachte Versandverfahren übergeführt.

Unmittelbar nach dieser Überführung in das Versandverfahren wurden dieselben Waren bei der Eingangszollstelle gestellt; es wurde die Ausfuhr beantragt und die Waren wurden zur Ausfuhr abgefertigt. Somit haben die Waren noch bevor eine Beförderung an einen Ort innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft im zunächst beantragten Versandverfahren begonnen hat, bei derselben Eingangszollstelle unter Mitwirkung des Zollamtes ("abgefertigt") eine andere zollrechtliche Bestimmung erhalten.

Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob ein solches Ausfuhrverfahren überhaupt zulässig gewesen ist, durch die zollrechtliche Bestimmung "Ausfuhrverfahren" wurde die unmittelbar zuvor noch bestandene zollrechtliche Bestimmung des vereinfachten Versandverfahrens überholt. Die Waren wurden im Versandverfahren weder befördert noch wurde das begonnene Versandverfahren durch Gestellung oder Übergabe an den zugelassenen Empfänger beendet. Bevor in diesem Versandverfahren überhaupt etwas unternommen werden konnte, haben die Waren, die die Eingangszollstelle nicht verlassen haben, eine andere zollrechtliche Bestimmung erhalten. Im Übrigen können zwei so unterschiedliche Zollverfahren auch nicht gleichzeitig durchgeführt werden. In dem später beantragten und von der Eingangszollstelle angenommenen Zollverfahren, in dem die Waren zur Ausfuhr abgefertigt wurden, wurden die Waren dann tatsächlich ausgeführt, ohne dass diese in den freien Verkehr und in den Wirtschaftskreislauf ins Zollgebiet gelangten.

Somit entstand auch keine Zollschuld nach Art. 201 Abs.1 ZK, weil danach eine Einfuhrzollschuld nur entsteht, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird, oder wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben übergeführt wird. Die Zollschuld entsteht nach Art. 201 Abs. 3 ZK in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird. Eine solche Zollanmeldung anlässlich der Überführung in den freien Verkehr wurde bei der Eingangszollstelle nicht abgegeben. Die Voraussetzungen für eine Zollschuldentstehung nach Art. 201 ZK waren vor der Annahme der Anmeldung in der Ausfuhr daher nicht gegeben.

Durch die unmittelbare Überholung des nur formal bestandenen, aber nicht durchgeführten Versandverfahrens durch das nachfolgende Ausfuhrverfahren war mit dem Beginn des nachfolgenden Verfahrens das Versandverfahren nicht mehr weiter durchführbar. Die Pflichten, die sich aus dem Versandverfahren ergaben, bestanden nicht mehr und waren durch die Pflichten des Ausfuhrverfahrens ersetzt worden. Daher bestand ab dem Zeitpunkt der Überführung der Waren in das Ausfuhrverfahren keine Verpflichtung aus dem Versandverfahren, die eine Gestellung der Waren beim Übernahmeort vorsah, weil sich die Waren bereits im Ausfuhrverfahren befanden.

Wenn auch die Waren von der Eingangszollstelle im Ausfuhrverfahren aus dem Zollgebiet ausgeführt wurden, ohne dass sie vorher von der Eingangszollstelle aus in das Zollgebiet gelangt waren, ist zu prüfen, ob dennoch die Zollschuld nach den Bestimmungen des Zollkodex entstanden war.

Die belangte Behörde stützt die Mitteilung der entstandenen Zollschuld auf Art. 203 ZK.

Gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.

Gemäß Art. 203 Abs. 2 ZK entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.

Die belangte Behörde vertrat unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 29. April 2004, Rs C-222/01 , die Ansicht, eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung liege vor, wenn der Versandschein auch nur zeitweilig von der Ware entfernt werde.

Im Beschwerdefall wurden die Waren unmittelbar nach der Überführung in das Versandverfahren in das Ausfuhrverfahren übergeführt, wobei die Waren bei der Eingangszollstelle verblieben.

Die Entfernung des Versandscheins (Begleitpapier) von der Ware zu einem Zeitpunkt, als die Waren sich bereits im Ausfuhrverfahren befunden haben, stellt keine Entziehung von der zollamtlichen Überwachung im Versandverfahren dar, weil die Bestimmungen über das Ausfuhrverfahren und nicht mehr die des Versandverfahrens anzuwenden gewesen sind.

Die Nichtbeförderung zum zugelassenen Warenübernahmeort ist im Beschwerdefall ebenfalls keine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung, weil die Überführung in das Ausfuhrverfahren unmittelbar nach der Überführung in das Versandverfahren noch beim Eintrittszollamt erfolgte und damit das Versandverfahren und die damit verbundenen Pflichten überholt waren.

Die belangte Behörde vertrat auch die Ansicht, die Waren seien unter Vorlage von Ausgangsrechnungen sowie Anführung der Sammelanmeldungskennnummer zur Ausfuhr gestellt und abgefertigt worden, wodurch den Waren fälschlicherweise der zollamtliche Status von Gemeinschaftswaren zuerkannt worden seien. Deshalb sei die Zollschuld nach Art. 203 ZK entstanden.

Gemäß Art. 865 ZK-DVO stellen die Zollanmeldung einer Ware oder jede andere Handlung mit den gleichen Rechtswirkungen sowie die Vorlage eines Dokuments zur Bescheinigung durch die zuständigen Behörden ein Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne des Artikels 203 Absatz 1 des Zollkodex dar, wenn dieses Vorgehen zur Folge hat, dass der Ware fälschlicherweise der zollrechtliche Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt wird.

Nach Art. 4 Z 7 ZK sind Gemeinschaftswaren

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