Normen
ABGB §861;
AVG §38;
BUAG §5 litc;
EFZG §5;
MSchG 1979 §10 Abs7;
ABGB §861;
AVG §38;
BUAG §5 litc;
EFZG §5;
MSchG 1979 §10 Abs7;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Ein als "Einvernehmliche Auflösung" überschriebener, handschriftlich verfasster Text, der von einem Vertreter der mitbeteiligten Partei als Dienstgeberin und vom Dienstnehmer P. unterzeichnet wurde, lautet: "Dienstverhältnis zw. (mitbeteiligter Partei) und (Dienstnehmer P.) per 4.11.2005."
Mit Berichtigungsanzeige vom 29. Dezember 2005 schrieb die beschwerdeführende Kasse der mitbeteiligten Partei nachverrechnete Zuschläge für den Monat Dezember 2005 in der Höhe von EUR 349,30 vor.
Mit Schreiben vom 10. Jänner 2006 beantragte die mitbeteiligte Partei, die Berichtigungsanzeige zu "stornieren", weil die Beendigung des Dienstverhältnisses zu P. durch einvernehmliche Lösung zustande gekommen sei.
In einem Schreiben vom 2. Februar 2006 teilte die beschwerdeführende Kasse der mitbeteiligten Partei mit, dass sie das Schreiben vom 10. Jänner 2006 als Berichtigungsantrag werte, dessen Erledigung binnen 14 Tagen bei der Bezirksverwaltungsbehörde beantragt werden könne. Die Berichtigungsanzeige werde aufrechterhalten; dem Antrag der mitbeteiligten Partei komme keine Berechtigung zu.
Mit einen an die BH Judenburg gerichteten Schreiben vom 13. Februar 2006 beantragte die mitbeteiligte Partei die Entscheidung über den Berichtigungsantrag vom 10. Jänner 2006. Sie brachte vor, das Dienstverhältnis mit P. sei mit Wirksamkeit zum 4. November 2005 wegen der schlechten Auftragslage während der Wintermonate einvernehmlich aufgelöst worden. Es seien auch andere Dienstverhältnisse einvernehmlich beendet worden. Im Beendigungszeitpunkt sei P. im Krankenstand gewesen und die nach dem 4. November 2005 liegenden Krankenstandstage seien keine Beschäftigungszeiten.
In einer Stellungnahme vom 16. März 2006 brachte die beschwerdeführende Kasse vor, "aufgrund des äußeren Anscheins (sei) die Meldung einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsvertrages in Zweifel zu ziehen, sondern (es sei) eher davon auszugehen ..., dass das Dienstverhältnis auf alleiniges Betreiben der Arbeitgeberin beendet wurde und dem AN P. nach Ausspruch der Beendigungserklärung die Unterfertigung der als 'Einvernehmliche Auflösung' bezeichnete Urkunde nahe gelegt wurde." Es werde die Einvernahme des Arbeitnehmers P. beantragt. Sollte die Beendigung des Arbeitsvertrages als Kündigung zu werten sein, komme dem Antrag der mitbeteiligten Partei keine Berechtigung zu.
Die Bezirkshauptmannschaft Judenburg gab mit Bescheid vom 27. März 2006 dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Stornierung der Berichtigungsanzeige vom 29. Dezember 2005 Folge und forderte die beschwerdeführende Kasse auf, die den Arbeitnehmer P. betreffenden Beiträge rückzuüberweisen. Begründend wurde ausgeführt, der Arbeitnehmer P. habe ab 6. November 2005 Krankengeld bezogen. Der Bezug von Krankengeld stelle eine Transferleistung der Krankenkasse dar und sei nicht als gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Entgeltanspruch anzusehen, weshalb auch keine Beschäftigungszeiten vorlägen. Es sei nicht bekannt, dass der Arbeitnehmer P. wegen der Lösung seines Arbeitsverhältnisses Schritte in arbeitsrechtlicher Hinsicht unternommen habe.
In der Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 27. März 2006 brachte die beschwerdeführende Kasse vor, es werde bestritten, dass das Arbeitsverhältnis zwischen P. und der mitbeteiligten Partei im Einvernehmen beendet worden sei. Gehe die Absicht zur Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auf ein Betreiben des Arbeitgebers zurück, liege bestenfalls eine vom Arbeitnehmer unwidersprochen gebliebene Kündigung vor. Die beschwerdeführende Kasse sei nicht an die Meldungen des Arbeitgebers gebunden, sondern könne eigenständig die Austrittsgründe beurteilen. Die Behörde habe daher die Beendigungsart des Arbeitsverhältnisses als Vorfrage zu klären. Auch könne die beschwerdeführende Kasse nicht zur Rücküberweisung eines Zuschlages verpflichtet werden; ein Differenzbetrag sei zu verrechnen. Die näheren Umstände der Auflösung des Arbeitsverhältnisses seien nicht geprüft worden, die beantragte Einvernahme des betroffenen Arbeitnehmers sei unterblieben. Schon deshalb sei der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft aufzuheben gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und festgestellt, "dass gemäß § 27 Abs. 2 BUAG der Differenzbetrag auf die Zuschlagsvorschreibung anzurechnen ist."
In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen wieder und stellte die Rechtslage dar. Ausgehend von einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zwischen P. und der mitbeteiligten Partei am 4. November 2006 und einem Bezug von Krankengeld durch P. ab dem 6. November 2005 führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, dass bei einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nicht bestehe. Das Schriftstück über die "Einvernehmliche Auflösung" sei als beweiskräftiges Dokument anzusehen, weshalb eine Einvernahme von P. entbehrlich gewesen sei. Es sei im Baugewerbe üblich, in kalten und damit auftragsschwachen Zeiten Mitarbeiter im Einvernehmen freizustellen und sie im Frühjahr wieder einzustellen. Es falle in den Zuständigkeitsbereich der Arbeits- und Sozialgerichte zu beurteilen, ob eine einvernehmliche Auflösung oder eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vorliege. Sehe sich ein Dienstnehmer in seinen Rechten verletzt, könne er Klage einbringen. Im vorliegenden Fall werde festgestellt, dass die mitbeteiligte Partei und der Dienstnehmer P. per 4. November 2005 das Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst hätten, weshalb die Vorschreibung der beschwerdeführenden Kasse zu Unrecht erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen. Die belangte Behörde hat zudem die Verwaltungsakten vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der beschwerdeführenden Kasse ist zuzustimmen, wenn sie - wie schon in der Berufung - in der Beschwerde die Ansicht vertritt, die belangte Behörde hätte die Art der Auflösung des in Rede stehenden Dienstverhältnisses selbständig zu beurteilen gehabt. Nur wenn ein Gericht diese Frage als Hauptfrage rechtskräftig beantwortet hat, besteht eine Bindung der Verwaltungsbehörde, andernfalls ist die Verwaltungsbehörde gemäß § 38 AVG berechtigt und in Ermangelung eines anhängigen Verfahrens über diese Vorfrage auch verpflichtet, diese privatrechtliche Vorfrage nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Slg. Nr. 13.723/A).
Zutreffend ist die von den Parteien des Verwaltungsverfahrens übereinstimmend vertretene Meinung, im Falle einer einvernehmlichen Auflösung eines Dienstverhältnisses lägen im Falle eines weiterhin andauernden Krankenstandes keine Beschäftigungszeiten vor, während bei einer Dienstgeberkündigung ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts besteht und damit Beschäftigungszeiten vorliegen (vgl. § 5 lit. c BUAG und § 5 EFZG).
Entscheidend ist im vorliegenden Fall demnach, ob die belangte Behörde von einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses ausgehen durfte; in diesem Fall träfe die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, es könnten keine Zuschläge vorgeschrieben werden, zu.
Wie schon im Verwaltungsverfahren vermag die beschwerdeführende Kasse auch in der Beschwerde keine sachverhaltsbezogenen Behauptungen aufzustellen, wonach die schriftlich als "Einvernehmliche Auflösung" festgehaltene Beendigung des in Rede stehenden Dienstverhältnisses als Dienstgeberkündigung zu werten wäre. Neben allgemeinen rechtlichen Überlegungen zur Überprüfungspflicht von Dienstgebermeldungen führt die beschwerdeführende Kasse aus, sie habe die im vorliegenden Fall gemeldete Beendigung des Dienstverhältnisses "rechtlich als Dienstgeberkündigung qualifiziert". Das habe zur Folge gehabt, dass die Zeit bis zur Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruches als Beitragszeit zu qualifizieren sei.
Wie die beschwerdeführende Kasse richtig ausführt, handelt es sich bei der Beurteilung der Art der Beendigung eines Dienstverhältnisses um die Beantwortung einer Rechtsfrage. Allein den Umstand, dass eine einvernehmliche Auflösung eines Dienstverhältnisses mit Nachteilen für den Dienstnehmer verbunden wäre und die nach Meinung der beschwerdeführenden Kasse "hinlänglich bekannte Praxis in der Bauwirtschaft, Dienstnehmer am Ende der Saison zu kündigen", musste die belangte Behörde nicht zum Anlass nehmen, den Dienstnehmer P. über die Umstände der Auflösung des Dienstverhältnisses zu befragen. Bei einer einverständlichen Lösung des Dienstverhältnisses handelt es sich um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Dieses besteht darin, dass Dienstgeber und Dienstnehmer Willenseinigung darüber erzielen, das Dienstverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen aufzulösen. Der auf eine solche Rechtsgestaltung gerichtete Wille beider Parteien muss sich auf die Auflösung des Dienstverhältnisses erstrecken, wobei dieser gemeinsame Wille auch den Zeitpunkt, zu dem das Dienstverhältnis enden soll, umfassen muss (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10, 565ff; OGH 5. September 2001, 9 ObA 32/01y mwN).
Abgesehen von einigen besonders geschützten Gruppen von Dienstnehmern (vgl. z.B. § 10 Abs. 7 MSchG) ist eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses an keine besonderen Bedingungen gebunden; insbesondere kommt es zur Beurteilung der vertraglichen Einigung als einvernehmliche Auflösung auf die Frage nicht an, auf wessen Initiative (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) das Einvernehmen zustande gekommen ist (vgl. erneut die zum VBG ergangene Entscheidung des OGH vom 5. September 2001, 9 ObA 32/01y mwN). Insoweit beruhte der Beweisantrag der beschwerdeführenden Partei auf der rechtsirrigen Auffassung, eine auf Initiative des Arbeitgebers vereinbarte einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrages sei einer Kündigung gleichzuhalten. Die belangte Behörde durfte daher angesichts dessen von der Durchführung der Einvernahme des Arbeitnehmers wegen rechtlicher Unerheblichkeit Abstand nehmen.
Für einen allfälligen Willensmangel des Dienstnehmers (den die beschwerdeführende Partei gar nicht behauptet) gibt es hier angesichts der Eindeutigkeit und der Kürze somit auch der leichten Verständlichkeit des schriftlichen Textes keinen Anhaltspunkt.
Das Verfahren der belangten Behörde erweist sich demnach als mängelfrei, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 21. November 2007
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