VwGH 2006/04/0228

VwGH2006/04/022828.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde des Dr. SM in R, vertreten durch Denk & Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Teinfaltstraße 4/8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 5. Oktober 2006, Zl. BMWA-311.746/0001-I/9/2006, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Mag. CT in R) zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf die beiden hg. Erkenntnisse vom 17. April 1998, Zl. 97/04/0217, und vom 6. April 2005, Zl. 2000/04/0067, verwiesen.

Mit dem angefochtenen Ersatzbescheid genehmigte die belangte Behörde die Änderung der Betriebsanlage (LKW-Abstellplatz samt Garage) des Mitbeteiligten nach Maßgabe näher genannter, einen Bescheidbestandteil bildenden und als solcher gekennzeichneter Pläne und wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers erneut ab.

In der Begründung führte sie nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und des Gutachtens eines gewerbetechnischen Amtssachverständigen betreffend die am 7. und 8. Mai 1996 im Rahmen einer Augenscheinsverhandlung durchgeführten Schallpegelmessungen aus, dass die gegenständliche Erweiterung der Betriebsanlage durch einen Zubau (Garage) für zwei Lkw-Stellplätze und eine anschließende betonierte Abstellfläche für weitere Fahrzeuge (insgesamt würden höchstens drei Lkw mit Anhänger und Zusatzgeräten abgestellt werden) der Genehmigungspflicht nach der GewO 1994 unterliege. Schon nach der Lebenserfahrung sei nämlich davon auszugehen, dass mit der gegenständlichen Änderung der Betriebsanlage eine Anhebung des Geräuschpegels "(beim Starten, Bremsen, Türenschlagen, usw.)" einhergehe.

Hinsichtlich der Schallpegelmessungen sei festzuhalten, dass sich die Messergebnisse der Vorinstanzen durch die Lärmmessungen im Rahmen der erwähnten Augenscheinsverhandlung bestätigt hätten. Aus diesem Grund habe auf die ausführlichen medizinischen Gutachten der Vorinstanzen zurückgegriffen und von der Einholung eines neuen ärztlichen Gutachtens abgesehen werden können. Auf die Einwendungen des Beschwerdeführers zu den Messergebnissen müsse nicht näher eingegangen werden, weil diese "großteils aktenwidrig" und jedenfalls bloße Behauptungen darstellten, durch die die technischen Gutachten nicht in Zweifel gezogen werden könnten. Unter Berücksichtigung der (schon mit dem unterinstanzlichen Bescheid) vorgeschriebenen Betriebszeit sei daher keine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn zu erwarten.

Zur Frage unzumutbarer Belästigungen führte die belangte Behörde wie folgt aus:

"Zur Frage, ob durch den Betrieb des LKW-Abstellplatzes bzw. der LKW-Garage der Nachbar unzumutbar belästigt wird, wird seitens des Bundesministeriums festgestellt, dass diese Beurteilung, wie im angefochtenen Bescheid richtig ausgeführt, eine Rechtsfrage darstellt und dabei die Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse maßgeblich sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bereits im Jahr 1947 die Errichtung einer LKW-Garage bzw. eines LKW-Abstellplatzes genehmigt wurde, welche auch in Betrieb ging. Das heißt, dass der Berufungswerber - was von ihm auch in keinem Fall bestritten wurde - sich im Wissen um eine derartige Betriebsanlage in seiner unmittelbaren Nachbarschaft an seiner nunmehrigen Adresse ansiedelte."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer . Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Im zitierten Vorerkenntnis, Zl. 2000/04/0067, hat der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides der belangten Behörde wie folgt begründet:

"... Der Beschwerdeführer ist aber damit im Recht, wenn er sich gegen den Prüfungsmaßstab der belangten Behörde wendet.

In der Beschwerde wird diesbezüglich vorgebracht, die einzige rechtliche Beurteilung der belangten Behörde liege in der völlig verfehlten Feststellung, dass für den Beschwerdeführer der Maßstab der Zumutbarkeit höher als im Fall einer neu zu errichtenden Betriebsanlage anzusehen sei, weil sich dieser im Wissen um die bereits bestehende und im Jahr 1947 bewilligte Betriebsanlage in der unmittelbaren Nachbarschaft angesiedelt habe.

Dafür, dass der Maßstab der Zumutbarkeit, wie die belangte Behörde meint, "höher als im Fall einer neu zu errichtenden Betriebsanlage anzusehen ist", wenn sich ein Nachbar "im Wissen um eine derartige Betriebsanlage in seiner unmittelbaren Nachbarschaft" ansiedelt, bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1979, Slg. N.F. Nr. 9.837/A), sind die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 81 keine anderen als jene, an die das Gesetz im § 77 die Errichtung einer Anlage knüpft (wobei allerdings eine durch die Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63/1997, - und zwar im Hinblick auf die Z. 9 des § 81 Abs. 2 GewO 1994 - bedingte Differenzierung zu beachten ist - siehe unten). Eine dem § 79 Abs. 2 GewO 1994 vergleichbare Sonderregelung für neu hinzukommende Nachbarn hinsichtlich der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 81 leg. cit., wie dies die belangte Behörde offenbar meint, ist dem Gesetz fremd.

Daran, dass der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt wurde, vermag auch nichts zu ändern, dass durch die Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63/1997, dem § 81 Abs. 2 GewO 1994 die Z. 9 angefügt wurde. ..."

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG war die belangte Behörde bei der Erlassung des nunmehr angefochtenen Ersatzbescheides an die vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden (vgl. die bei Mayer, B-VG3 (2002) Anm. II. zu § 63 VwGG wiedergegebene hg. Judikatur).

Da die belangte Behörde, wie die wörtliche Wiedergabe der Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, neuerlich die Auffassung vertreten hat, es sei bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer im Wissen um den Bestand der Betriebsanlage an seiner nunmehrigen Adressen angesiedelt habe, hat sie gegen § 63 VwGG verstoßen. Schon deshalb war der angefochtene Bescheid aufzuheben.

In diesem Zusammenhang ist aber auch darauf hinzuweisen, dass, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, die im unterinstanzlichen Verfahren erstatteten medizinischen Gutachten vom 5. April 1994 und vom 26. Mai 1994, auf die die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zurückgreift, mit näherer Begründung zum Ergebnis gelangten, es komme durch die Änderung der Betriebsanlage zu unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn. Schon im Hinblick darauf durfte die belangte Behörde die gegenständliche Anlagenänderung nicht ohne Einholung eines neuen medizinischen Gutachtens bewilligen.

Bei der Beauftragung des ärztlichen Sachverständigen im fortgesetzten Verfahren wird außerdem zu beachten sein, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auswirkungen der zu genehmigenden Betriebsanlage bzw. der zu genehmigenden Änderung einer genehmigten Betriebsanlage unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen sind, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, d.h. am belastendsten sind (vgl. aus vielen das Erkenntnis vom 24. Mai 2006, Zl. 2004/04/0072, mwN). Dazu führt der Beschwerdeführer aus, er habe schon in der Stellungnahme vom 20. Mai 1996 dargestellt, dass sich die Lärmmesswerte im gewerbetechnischen Gutachten vom 7./8. Mai 1996 deutlich, und zwar zu seinen Ungunsten, von den gemessenen Werten der Vorinstanzen unterscheiden. Wie eingangs dargestellt hat die belangte Behörde zwar festgestellt, dass sich die Messergebnisse der Vorinstanzen durch die Lärmmessungen im Rahmen der erwähnten Augenscheinsverhandlung bestätigt hätten. Aus dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen gewerbetechnischen Gutachten (das den Akten nicht angeschlossen ist) lässt sich dies jedoch nicht ableiten. Die belangte Behörde hat somit schlüssige (erforderlichenfalls auf einer technischen Stellungnahme zu den Behauptungen des Beschwerdeführers beruhende) Feststellungen zur tatsächlichen Lärmsituation unterlassen.

Was schließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, die im Spruch des angefochtenen Bescheides bezeichneten Pläne seien im Widerspruch zu den eingangs zitierten Vorerkenntnissen weiterhin nicht datumsmäßig präzisiert, so lässt sich dieser Einwand vom Verwaltungsgerichtshof deshalb nicht überprüfen, weil die belangte Behörde (entgegen ihren Behauptungen in der Gegenschrift) mit den Verwaltungsakten - die im Übrigen das ministerielle Verfahren nicht umfassen - die Pläne nicht vorgelegt hat.

Der angefochtene Bescheid, der sich somit unter mehreren Gesichtspunkten als rechtswidrig erweist, war nach dem Gesagten wegen vorrangig wahrzunehmender Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. März 2007

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