VwGH 2005/21/0082

VwGH2005/21/008230.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Mag. Robert Bitsche und Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. März 2005, Zl. Fr 606/2004, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §15;
FrG 1997 §34 Abs1 Z1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §34;
FrG 1997 §8 Abs4;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §15;
FrG 1997 §34 Abs1 Z1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §34;
FrG 1997 §8 Abs4;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 und 2 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet aus.

Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen folgendermaßen:

Der Beschwerdeführer habe am 31. Dezember 2002 in Leoben mit einer österreichischen Staatsangehörigen eine Ehe geschlossen. Ihm sei zuletzt auf Grund seines Antrages vom 3. März 2003 eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreicher, § 49 Abs. 1 FrG", gültig bis 25. Juli 2004 erteilt worden. Seinem Verlängerungsantrag vom 25. Mai 2004 sei "nicht mehr stattgegeben" worden, nachdem die Behörde erster Instanz festgestellt habe, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau eine Familiengemeinschaft im Sinn des Art. 8 EMRK nicht mehr bestanden habe. Die Ehe sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes Leoben vom 2. Juni 2004 gemäß § 55a Ehegesetz im Einvernehmen geschieden worden. Somit könne sich der Beschwerdeführer nicht mehr auf die seinerzeit geschlossene Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin als Grundlage für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft Österreicher" berufen. Wie der Begründung des Scheidungsbeschlusses zu entnehmen sei, sei die eheliche Gemeinschaft nach glaubwürdigen und übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau seit mehr als sechs Monaten, somit zumindest seit Beginn des Jahres 2004 aufgehoben gewesen. Somit gelte die Ehe "von Beginn des Jahres 2004 an bis zum Scheidungsbeschluss ... infolge unheilbarer Zerrüttung und unwiederherstellbarer Lebensgemeinschaft als aufgehoben". Die dem Beschwerdeführer am 25. Juli 2003 erteilte Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Begünstigter Drittstaatsangehöriger" habe am 25. Juli 2004 geendet und es sei sein am 25. Mai 2004 bei der Bundespolizeidirektion Leoben eingebrachter Verlängerungsantrag von der Erstbehörde infolge des Fehlens der Rechtsgrundlage für die Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 Abs. 1 FrG abgewiesen worden.

Da die Lebensgemeinschaft zumindest von Beginn des Jahres 2004 an nachweislich zerrüttet und aufgehoben gewesen sei, sei "die Versagung des Verlängerungsantrages und die Erlassung einer Ausweisung gem. § 34 zu Recht erfolgt".

Zur Beurteilung nach § 37 FrG führte die belangte Behörde einleitend Folgendes aus:

"Auf Grund Ihres rechtmäßigen Voraufenthaltes im Bundesgebiet, so wurde Ihnen von der Magistratsabteilung 62 der Stadt Wien am 4.12.1998 auf Grund des Umstandes, dass Sie einen Beruf als Blumenverkäufer ausübten eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck erteilt, so wie auf Grund Ihres mehrjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, kommt es durch die gegen Sie erlassene Ausweisung zweifelsohne zu einem relevanten Eingriff in Ihr Privat- oder Familienleben im Bundesgebiet."

Der Beschwerdeführer arbeite bei einem näher genannten Arbeitgeber in Wien, sodass die Erlassung der Ausweisung einen relevanten Eingriff in sein Privatleben bedeute. Dies sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der EMRK genannten Ziele dringend geboten. Die Integration von etwas mehr als fünf Jahren könne nicht als so gewichtig angesehen werden, dass dieser Umstand der Erlassung einer Ausweisung entgegenstünde. Die mit der Ausweisung verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 34 Abs. 1 FrG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre, oder

2. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht oder

3. der Aufenthaltstitel einem Fremden erteilt wurde, weil er sich auf eine Ehe berufen hat, obwohl er ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat.

Vorerst ist festzuhalten, dass im Blick auf den Wegfall der Angehörigeneigenschaft die behördliche Rechtsansicht richtig ist, dass eine auf § 49 Abs. 1 FrG gestützte Verlängerung des Aufenthaltstitels nicht in Betracht kommt.

Die Ausweisung von Fremden, die sich während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels - gleichgültig ob rechtmäßig oder unrechtmäßig - im Bundesgebiet aufhalten, ist für den Fall des Vorliegens eines Versagungsgrundes abschließend in der spezielleren Norm des § 34 FrG geregelt und es ist die Ausweisung solcher Personen gemäß § 33 leg. cit. nicht zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zl. 2003/21/0183, mwN). Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (685 BlgNR 20. GP, 65f) dient das Zusammenspiel der §§ 15 und 34 FrG der Verfahrenskonzentration und verhindert einen "doppelten Instanzenzug" gegen einen abweislichen Bescheid der Aufenthaltsbehörde einerseits und gegen eine Ausweisung andererseits. Dem gemäß ist auch in den Verwaltungsakten ein Vermerk vom 21. Juni 2004 vorhanden, dem zufolge "auf Grund der Sachlage" ein Verfahren nach § 34 FrG eingeleitet wurde. Entgegen der Bescheidbegründung findet sich in den vorgelegten Akten kein den Verlängerungsantrag vom 25. Mai 2004 abweisender erstinstanzlicher Bescheid.

Die Beschwerde meint, dass die Ausweisung gemäß § 34 FrG nicht zu Recht erfolgt sei. Sie bestreitet das Vorliegen einer "Scheinehe", wendet sich aber nicht argumentativ gegen die behördliche Feststellung, dass die Familiengemeinschaft seit Anfang des Jahres 2004 aufgehoben gewesen sei. Dazu ist auszuführen, dass die belangte Behörde eine rechtsmissbräuchliche Eheschließung ohnedies nicht festgestellt hat. Indem sich der Beschwerdeführer bei Beantragung des weiteren Aufenthaltstitels trotz des diesbezüglichen ausdrücklich in § 8 Abs. 4 FrG verankerten Verbots auf die Ehe berufen hat, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt wurde, hat er eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn des Versagungsgrundes des § 10 Abs. 2 Z 3 FrG bewirkt, weshalb die belangte Behörde die Ausweisung auf § 34 Abs. 1 Z 2 FrG stützen durfte.

Der Beschwerdeführer wurde nicht dadurch in Rechten verletzt, dass die belangte Behörde rechtsirrig auch den Tatbestand des § 34 Abs. 1 Z 1 FrG als verwirklicht erachtet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 99/18/0100).

Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht der Wahrung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu, der die Ausweisung in solchen Täuschungsfällen über das Vorliegen eines Familienlebens dringend geboten macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2005, Zl. 2004/21/0135). Die Zulässigkeit der Ausweisung hängt aber auch davon ab, ob die Beurteilung nach § 37 Abs. 2 FrG zu Lasten des Fremden getroffen werden darf. Diesbezüglich verwies die belangte Behörde auf eine dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 1998 erteilte "Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck". Nähere Feststellungen über einen Aufenthalt des Beschwerdeführers in den Jahren 1998 bis 2002 in Österreich traf die belangte Behörde jedoch nicht. Aus diesem Grund kann eine allfällige Integration des Beschwerdeführers, die der Ausweisung entgegenstehen könnte, nicht beurteilt werden. Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob die Person, der nach dem Auszug aus der Fremdeninformation vom 7. Oktober 2004 ein Aufenthaltstitel im Jahr 1998 erteilt wurde, auch tatsächlich mit dem Beschwerdeführer identisch ist, wogegen wegen des völlig anders lautenden Namens Bedenken bestehen. Von einem durchgehenden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit 1998 ist im Übrigen auch in seiner Aussage vom 8. Juni 2004 vor der Bundespolizeidirektion Leoben keine Rede.

Somit fehlen relevante Feststellungen, die zur Beurteilung erforderlich wären, ob die Ausweisung des Beschwerdeführers mit § 37 FrG in Einklang steht. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. Jänner 2007

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