Normen
BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §224 Abs3;
BAO §248;
BAO §4;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG §78 Abs3;
VwRallg;
BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §224 Abs3;
BAO §248;
BAO §4;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG §78 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Soweit der Beschwerdeführer zur Haftung für Umsatzsteuer herangezogen wurde, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen; im Übrigen wird - im Rahmen der Anfechtung - der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 i.V.m. § 80 BAO zur Haftung für rückständige Abgaben einer näher umschriebenen GmbH im Gesamtbetrag von EUR 39.927,04 in Anspruch genommen. Die belangte Behörde führte in der Begründung aus, der Beschwerdeführer sei im maßgeblichen Zeitraum Geschäftsführer der GmbH gewesen. Er sei an der GmbH auch als Gesellschafter mit 50 % beteiligt gewesen (weitere Gesellschafter seien seine Ehefrau und seine Tochter zu je 25 % gewesen).
Über das Vermögen der GmbH sei am 7. Jänner 1999 das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 11. Juni 2001 wiederum aufgehoben worden. Bei der GmbH seien für den Zeitraum 1997 und 1998 Abgaben (Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, Körperschaftsteuer, Kammerumlage, Säumniszuschläge sowie Stundungszinsen) in einer Gesamthöhe von EUR 51.822,54 uneinbringlich gewesen. Das Finanzamt habe daher den Beschwerdeführer gemäß § 9 i.V.m. § 80 BAO als Haftungspflichtigen in Anspruch genommen. In seiner gegen den Haftungsbescheid erhobenen Berufung habe er eingewendet, eine schuldhafte Verletzung der ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten liege nicht vor. Die Staatsanwaltschaft habe Vorerhebungen wegen des Verdachtes der fahrlässigen Krida gegen ihn eingeleitet. Das Verfahren sei allerdings mit Beschluss vom 20. April 1999 eingestellt worden. Ebenso habe die Gebietskrankenkasse ein Verfahren betreffend Geschäftsführerhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG eingestellt. Um die GmbH in die Lage zu versetzen, Verbindlichkeit zu befriedigen, habe er im Jahr 1997 einen Gesellschafterzuschuss in Höhe von S 1,592.000,-- geleistet. Er habe auch durch Nichtbehebung von Gehältern bzw. anderer Forderungen der GmbH Beträge zur Verfügung gestellt und zwar zum 31. Dezember 1996 S 397.980,84, zum 31. Dezember 1997 S 445.714,84 und zum 31. Dezember 1998 S 560.749,64. Außerdem habe er seine private Liegenschaft zur Besicherung der Verbindlichkeiten der GmbH verpfändet.
Der GmbH seien keine liquiden Mittel zur Entrichtung der Abgaben zur Verfügung gestanden.
Aus dem Titel der Umsatzsteuer sei ein Betrag in Höhe von S 158.333,33 auszuscheiden, weil dieser aus einer uneinbringlichen Forderung stamme.
Das Finanzamt habe mit Berufungsvorentscheidung den Haftungsbetrag um die nach Konkurseröffnung fällig gewordenen Abgaben eingeschränkt.
Der Beschwerdeführer habe einen Vorlageantrag gestellt.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, es sei unbestritten, dass die Abgaben bei der GmbH im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden uneinbringlich gewesen seien. Zur betragsmäßigen Aufgliederung der Abgaben werde auf die dem Haftungsbescheid bzw. der Berufungsvorentscheidung angeschlossenen Mitteilung verwiesen.
Für die Haftung nach § 9 BAO sei es nicht wesentlich, ob den Geschäftsführer an der Zahlungsunfähigkeit der GmbH ein Verschulden treffe. Die Einwendungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Einstellung des Strafverfahrens und des Verfahrens bei der Gebietskrankenkasse gingen daher an der Sache vorbei. Dies gelte auch für den Hinweis auf einen im Jahr 1997 getätigten Gesellschafterzuschuss sowie die nicht behobenen Gehälter und die Verpfändung einer Liegenschaft.
Der Beschwerdeführer habe behauptet, die GmbH habe über keine liquiden Mittel verfügt. Dem sei aber entgegenzusetzen, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1997 einen Gesellschafterzuschuss in der Höhe von S 1,592.000,-- geleistet habe, sowie der Umstand, dass die GmbH bis September 1998 Löhne zur Auszahlung gebracht habe. Auch habe die GmbH noch 1998 Umsätze erzielt. Daraus ergebe sich, dass die GmbH zumindest bis einschließlich Oktober 1998 liquide Mittel zur Verfügung gehabt habe. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer entgegen seiner Verpflichtung keine Gründe genannt bzw. keine Nachweise erbracht, aus welchen hervorginge, dass ihm die Entrichtung der strittigen Abgaben nicht möglich gewesen wäre. Dabei sei auch zu beachten, dass bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschuld nicht schlechter behandelt werden dürfe, als die übrigen Schulden.
Für Abfuhrabgaben wie z.B. Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag - laut Beilage zur BVE im Ausmaß von EUR 20.959,99 - gelte dieser Gleichbehandlungsgrundsatz zudem nicht. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 habe der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichten, die Lohnsteuer von den tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Insoweit sei aber von keinem pflichtgemäßen, sondern von einem schuldhaften Handeln auszugehen. Der Beschwerdeführer hafte somit für sämtliche Vorschreibungen betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag laut der der Berufungsvorentscheidung beiliegenden Aufgliederung.
Der Beschwerdeführer habe auch eine Ausscheidung eines Betrages aus dem Titel der Umsatzsteuer beantragt. Die belangte Behörde teile die Auffassung des Finanzamtes, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen nicht ausreichten, die angesprochene Forderung als uneinbringlich zu beurteilen. Unklar sei auch verblieben, wann die behauptete Uneinbringlichkeit der strittigen Forderung eingetreten seien solle. Dass für das Kalenderjahr 1998 in Folge der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH keine Umsatzsteuererklärung eingebracht worden und deshalb eine Berichtigung des Entgeltes unterblieben sei, könne nicht der Abgabenbehörde angelastet werden. Das Finanzamt habe im April 2002 wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt.
Der Berufung sei lediglich teilweise dahingehend stattzugeben gewesen, als die nach Oktober 1998 fällig gewordenen Abgaben nicht in die Bemessungsgrundlage des Haftungsbescheides einzubeziehen gewesen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere für die Entrichtung der Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, Sorge zu tragen.
Im Beschwerdefall ist die Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der GmbH und Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der GmbH unbestritten. Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, dass "für die Haftungsinanspruchnahme nicht die vorliegenden unrichtigen, wohl aber rechtskräftigen Bescheide, sondern die tatsächlichen Verhältnisse heranzuziehen" seien. Seinen Ausführungen nach sei der Haftungsbetrag hinsichtlich Umsatzsteuer um EUR 7.533,78 und hinsichtlich der Lohnabgaben um EUR 10.041,57 einzuschränken.
Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer zur Haftung für Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Körperschaftsteuer, Kammerumlage, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie für Stundungszinsen und Säumniszuschlag1 herangezogen. Die Haftung für Körperschaftsteuer und Kammerumlage wird mit der Beschwerde nicht angefochten; insoweit ist der Bescheid in Rechtskraft erwachsen.
Nach Ausweis der - unvollständig vorgelegten - Verwaltungsakten wurde die Umsatzsteuer 1997 mit Bescheid vom 14. Mai 1998 und die Umsatzsteuer 1998 mit Bescheid vom 13. Juli 1999 festgesetzt. Hinsichtlich der Lohnabgaben, nämlich Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag liegen keine der GmbH gegenüber ergangenen Bescheide vor. Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt zwar das Bestehen einer Abgabenschuld voraus, nicht jedoch, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber geltend gemacht wurde; abgabenrechtliche Haftungen haben keinen bescheidakzessorischen Charakter. Dies folgt u.a. aus § 224 Abs. 1 BAO, der die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides bis zur Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe zulässt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2004, 99/14/0242, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den Haftungsbescheid Einwendungen gegen den Abgabenanspruch - Umsatzsteuer - erhoben. In einem solchen Fall obliegt es der Behörde, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Haftungsinanspruchnahme ein Abgabenbescheid vorausgegangen ist oder nicht. Ist nämlich dem Haftungsbescheid ein an den Abgabepflichtigen ergangener Abgabenbescheid vorangegangen, ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, 94/14/0148).
Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen. Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch beruft, hat die Berufungsbehörde nach Lehre und ständiger Rechtsprechung zunächst nur über die Berufung gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, da sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Berufung gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2004, 2003/14/0095). Die belangte Behörde hatte daher über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, ohne abzuwarten, ob der Beschwerdeführer Berufung gegen den entsprechenden Umsatzsteuerbescheid erheben werde bzw. ob die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung gegen den Haftungsbescheid auch als Berufung gegen den Abgabenbescheid behandeln wird. Ausführungen zum Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Umsatzsteuer und den entsprechenden Ausführungen in der Bescheidbegründung erübrigen sich daher. Insoweit erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher abzuweisen.
Hinsichtlich der Lohnabgaben hat sich die belangte Behörde darauf berufen, dass nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gelte. Die belangte Behörde hat diese Vorschrift auch auf den Dienstgeberbeitrag sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag angewendet. Für diese Abgaben besteht jedoch die Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2000, 96/14/0080). Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt. Da hinsichtlich Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag keine Bescheide gegenüber der GmbH ergangen sind, hätte die belangte Behörde Feststellungen (tatsächliche Auszahlungen) treffen müssen, woraus diese Abgaben abzuleiten wären. Ihre Auffassung, der Einwand des Beschwerdeführers, es seien in den Streitjahren Gehälter nicht behoben worden, gehe an der Sache vorbei, ist unzutreffend. Damit hat sie insoweit den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher im Rahmen der Anfechtung hinsichtlich der Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie den Nebenansprüchen (Stundungszinsen und Säumniszuschlag1) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben; hinsichtlich der Haftung für Umsatzsteuer war die Beschwerde hingegen als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. April 2007
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