VwGH 2005/06/0277

VwGH2005/06/027721.2.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde

1. des NK und 2. der MK, beide in St. M, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. August 2005, GZ. FA13B-12.10 L 202 - 05/45, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z3;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z5;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §25 Abs1 idF 1995/001;
ROG Stmk 1974 §25 Abs2 idF 1995/001;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §52;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z3;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z5;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §25 Abs1 idF 1995/001;
ROG Stmk 1974 §25 Abs2 idF 1995/001;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern je zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 2. September 2004 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde als Privatrechtsträger die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung von 12 Abstellflächen für Kraftfahrzeuge nahe dem auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück Nr. X, KG U., errichteten Aussichtsturm der mitbeteiligten Gemeinde.

Die Beschwerdeführer hatten ein den Aussichtsturm betreffendes Beseitigungsverfahren eingeleitet. Aus dem diesbezüglichen hg. Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0077, ergibt sich, dass der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Errichtung eines Aussichtsturmes entsprechend den Einreichunterlagen mit Bescheid vom 9. August 2001 unter Auflagen bewilligt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat im angeführten Erkenntnis vom 19. September 2006 festgestellt, dass der tatsächlich errichtete Aussichtsturm im Vergleich zu dem bewilligten Projekt um 90 Grad in seiner Lage gedreht, das ursprünglich bewilligte Bauvorhaben somit in seinem Wesen verändert worden sei und daher keine bloß geringfügige Abweichung vom bewilligten Bauvorhaben vorliege. Weiters könne aus der mittlerweile erteilten Benützungsbewilligung (Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juni 2002) keine Baubewilligung für die geänderte Ausführung des Aussichtsturmes abgeleitet werden. Es könne zwar sein, dass die Gemeindebehörde anlässlich der Erteilung der Benützungsbewilligung auch eine Baubewilligung für die geänderte bauliche Ausführung erteilen wollte, das sei aber im Bescheid nicht ausreichend normativ zum Ausdruck gekommen.

Die verfahrensgegenständlichen, schon errichteten zwölf Abstellplätze und die dazugehörige Zufahrtsstraße befinden sich im nordwestlichen Bereich des Baugrundstückes auf der dem Grundstück der Beschwerdeführer aus der Sicht des errichteten Aussichtsturmes abgewandten Seite. Das Grundstück der Beschwerdeführer ist südöstlich des Baugrundstückes gelegen. Die beiden Grundstücke haben keine gemeinsame Grundgrenze, sie stoßen lediglich in einem Eckpunkt (dem südöstlichen Eckpunkt des Baugrundstückes) zusammen. Die verfahrensgegenständlichen Parkplätze liegen, was dem zu Grunde liegenden Einreichplan entnommen werden kann, von diesem Eckpunkt in einer Entfernung von ca. 31 m bis 35 m. Dazwischen liegt nahe der Zufahrtsstraße zu den Abstellflächen der Aussichtsturm.

In der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2004 wies der bautechnische Sachverständige in seinem Befund auf die folgenden, dem Ansuchen angeschlossenen Nachweise hin:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 1 Stmk. Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127, in der Fassung LGBl. Nr. 1/1995, gehören alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen festgelegten Grundflächen zum Freiland.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung können im Freiland Flächen als Sondernutzung festgelegt werden, soweit nicht eine Ersichtlichmachung auf Grund der überörtlichen Raumordnung (§ 6) zu erfolgen hat (u.a. Flächen für Erholungszwecke).

Weiters ist im vorliegenden Fall das Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 78/2003 (Stmk. BauG), anzuwenden.

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, ..., soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. 2. die Abstände (§ 13);
  2. 3. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);

    ... ."

    Gemäß § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG muss das Bauwerk derart geplant und ausgeführt sein, dass der von den Benützern oder vom Nachbarn wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufrieden stellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt sind.

    Die Beschwerdeführer machen geltend, dass sich die Behörden mit ihren "begründeten Einwendungen" nicht auseinander gesetzt hätten.

    Auch wenn die Beschwerdeführer dieses Vorbringen nicht weiter begründet haben, kommt dem insoweit Berechtigung zu, als die Baubehörden die behaupteten Lärmimmissionen nicht im Hinblick auf die Bestimmung des § 43 Abs. 2 Z. 5 i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG geprüft haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG für den Fall, dass es für die dabei heranzuziehende Widmung des Baugrundstückes (wie etwa auch bei der Widmung als Freiland) kein Widmungsmaß gibt, mittlerweile ausgesprochen, dass über das Kriterium zufrieden stellender Arbeits- und Wohnbedingungen für die Benützer und die Nachbarn gemäß dieser Bestimmung - wie auch die weitere Voraussetzung der nicht gesundheitsgefährdenden Schallimmissionen - auf der Grundlage eines entsprechenden medizinischen Gutachtens, dem ein lärmtechnisches Gutachten zu Grunde liegt, zu entscheiden ist (vgl. das Erkenntnis vom 28. Februar 2006, Zl. 2004/06/0166). Es trifft somit die Ansicht der belangten Behörde nicht zu, dass, da es für das Baugrundstück auf Grund der vorgesehenen Widmung Freiland kein Widmungsmaß gibt, § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG nicht zur Anwendung komme. Die Beschwerdeführer haben damit zulässige Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG geltend gemacht und die belangte Behörde ist daher auch zu Unrecht vom Verlust der Parteistellung der Beschwerdeführer ausgegangen.

    Nach Meinung der Beschwerdeführer hätten die 12 Abstellplätze nicht isoliert, sondern gemeinsam mit dem Aussichtsturm beurteilt werden müssen. Das Gesamtprojekt wäre - insbesondere in lärmmässiger Hinsicht - zu prüfen gewesen.

    Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gegenstand eines Baubewilligungsverfahrens - worauf die belangte Behörde zutreffend verwiesen hat - durch das Bauansuchen bestimmt wird. Die verfahrensgegenständlichen Abstellplätze stehen darüber hinaus zwar in einem Zusammenhang mit dem geplanten Aussichtsturm, es kann aber keine Rede davon sein, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen diesen beiden Bauvorhaben besteht. Die belangte Behörde weist zutreffend darauf hin, dass es in der Hand des Projektwerbers gelegen ist, ob er einen Aussichtsturm mit oder ohne Parkplätze errichtet, weil ein Aussichtsturm auch so vorgesehen werden kann, dass er nur zu Fuß erreichbar ist.

    Insoweit die Beschwerdeführer eine Verletzung im Recht auf Akteneinsicht geltend machen, weil sie nicht in den Baubewilligungsakt betreffend den Aussichtsturm hätten Einsicht nehmen dürfen, um das Ausmaß der Abweichungen zu ermitteln, stellt dies jedenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil es im vorliegenden Bauverfahren allein um die verfahrensgegenständlichen 12 Abstellflächen gegangen ist und nicht um den Aussichtsturm und dies auch - wie dargelegt - zulässig war. Es war daher auch auf sämtliche Ausführungen in der Beschwerde zum Aussichtsturm nicht einzugehen.

    Indem die belangte Behörde im vorliegenden Bauverfahren zu Unrecht § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG für nicht anwendbar hielt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 21. Februar 2007

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