VwGH 2004/21/0038

VwGH2004/21/003830.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der D, vertreten durch Mag. Felix Wallner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser Franz-Ring 2/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 18. November 2003, Zl. Fr 3054/03, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1151 Abs1;
AuslBG §2 Abs2 litb;
AuslBG §2 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 idF 2002/I/069;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8 idF 2002/I/069;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
ABGB §1151 Abs1;
AuslBG §2 Abs2 litb;
AuslBG §2 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 idF 2002/I/069;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8 idF 2002/I/069;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegenüber der Beschwerdeführerin, einer slowakischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis 31. August 2008 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die im Akt befindliche Anzeige, der zufolge Organe des Zollamtes Wiener Neustadt die Beschwerdeführerin am 8. August 2003 in einem näher genannten Gastgewerbelokal beim Abräumen eines Tisches (Wegtragen einer leeren Bierflasche und Ausleeren von zwei Aschenbechern) betreten hätten. Die Beschwerdeführerin habe dazu niederschriftlich angegeben, sie sei mit dem Lokalbesitzer befreundet und habe daher lediglich freundschaftliche Hilfe und keine Arbeit geleistet. Sie habe den Lokalbesitzer drei Monate davor kennen gelernt und sei immer wieder, so auch am Vorabend des 8. August 2003, nach Österreich gekommen, um ihn zu besuchen. Ihre Tochter und ihr geschiedener Ehemann lebten in der Slowakei. Da ihr Freund verheiratet sei, wohne sie während ihrer Aufenthalte im Bundesgebiet bei einem Bekannten ihres Freundes. Von beiden werde sie mit den notwendigen Lebensmitteln versorgt. Zum Zeitpunkt der behördlichen Überprüfung habe sie aus dem Gastgarten des Lokals lediglich eine leere Bierflasche und zwei volle Aschenbecher in die Küche getragen. Sie habe im Lokal ihres Freundes nur ausgeholfen und bekomme dafür kein Geld. Als Arbeit sehe sie ihre Tätigkeit nicht an. Sie habe sich im Lokal aufgehalten, weil sie gewartet habe, bis ihr Freund seine Arbeit im Lokal beendet habe und bis sie die Freizeit gemeinsam mit ihm verbringen könne.

Anknüpfend an diese Angaben erachtete es die belangte Behörde als erwiesen, dass die Beschwerdeführerin am 8. August 2003 Arbeiten im gegenständlichen Lokal ohne die erforderliche arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verrichtet habe. Da Tätigkeiten dieser Arbeit üblicherweise von Kellnern verrichtet würden, sei gegenständlich, so die belangte Behörde weiter, eine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nötig. Der von der Beschwerdeführerin behauptete Gefälligkeitsdienst läge nur im Falle einer freiwilligen Arbeitsleistung vor. Im Beschwerdefall sei aber jedenfalls von einer Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Erbringung einer Arbeitsleistung auszugehen, weil diese "quasi einen anderen Beschäftigten im Lokal vertrete und daher angehalten ... (sei), anfallende Tätigkeiten auszuüben". Im Übrigen sei im Hinblick auf die kostenlose Verpflegung und die Bereitstellung einer kostenlosen Unterkunft auch von der Entgeltlichkeit der Tätigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen. Zusammenfassend liege daher eine illegale Beschäftigung der Beschwerdeführerin vor. Da an der Verhinderung von "Schwarzarbeit", die zu volkswirtschaftlichen Schäden und einer Wettbewerbsverzerrung führe, ein großes öffentliches Interesse bestehe, sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Gefährlichkeitsprognose gerechtfertigt. Das Aufenthaltsverbot sei auch im Grunde des § 37 FrG zulässig, weil die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet nicht integriert sei und hier lediglich Beziehungen zu ihrem besagten Freund habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes erwogen hat:

In der Beschwerde bestreitet die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer illegalen Beschäftigung unter Hinweis darauf, dass es sich beim einmaligen Abräumen des Tisches um einen bloßen Gefälligkeitsdienst im Rahmen ihrer freundschaftlichen Beziehung zum Inhaber des Lokales gehandelt habe. Ohne durch entsprechende Zeugenbefragungen zu klären, ob die Beschwerdeführerin solche Tätigkeiten regelmäßig ausübe, hätte die belangte Behörde den Tatbestand nicht als erfüllt ansehen dürfen.

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG in der hier maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 69/2002 gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder von einem Organ der Zollbehörde, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen.

Gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG gilt als Beschäftigung u.a. die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird (lit. b). Der Begriff des Arbeitsverhältnisses im Sinn dieser Bestimmung ist mit dem des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertragsrecht ident und erfordert die Verrichtung von Arbeitsleistungen gegen ein von der Arbeitszeit abhängiges Entgelt in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Beschäftigten von einem Arbeitgeber mittels Weisungsgebundenheit. Bei Gefälligkeitsdiensten ohne jede Rechtspflicht sind die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses und damit das Bewilligungserfordernis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht gegeben (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0197, mwN, sowie dem folgend das Erkenntnis vom 19. November 2002, Zl. 2000/21/0066).

Arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG ist eine Rechtsbeziehung, wenn der Erbringer der Arbeitsleistung persönlich nicht weisungsgebunden, wirtschaftlich aber abhängig ist. Dabei liegen zwar die dienstvertraglichen Tatbestandsmerkmale nach § 1151 Abs. 1 ABGB vor, es fehlt aber die persönliche Abhängigkeit. Für die wirtschaftliche Abhängigkeit ist entscheidend, dass der Betreffende Gegenleistungen aus dem Rechtsverhältnis mit dem Empfänger der Arbeitsleistung erhält. Bedeutend ist der "organisatorische" Aspekt, der darin besteht, dass der "Arbeitnehmer" wegen der Art und Weise der Tätigkeit trotz fehlender persönlicher Abhängigkeit nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitskraft anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen und daher unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie der persönlich abhängige Arbeitnehmer tätig wird (vgl. auch dazu die zitierten hg. Erkenntnisse, Zlen. 99/21/0197 und 2000/21/0066).

Die belangte Behörde hat das freundschaftliche Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Inhaber des in Rede stehenden Lokales nicht in Zweifel gezogen. Daher kann aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin bei ihren Aufenthalten in Österreich kostenlos von ihrem Freund verpflegt wurde und hier auch kostenlos übernachten durfte, noch nicht abgeleitet werden, die gegenständliche Tätigkeit des Tischabräumens sei entgeltlich im Rahmen einer Beschäftigung erfolgt.

Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die genannte Tätigkeit einen Gefälligkeitsdienst darstellte oder im Rahmen einer Beschäftigung erfolgte, ist im Hinblick auf die wiedergegebene Judikatur, ob die Beschwerdeführerin in wirtschaftlicher (allenfalls im Rahmen von Weisungen auch in persönlicher) Abhängigkeit vom Inhaber des Lokales gehandelt hat. Dies hat die belangte Behörde zwar erkannt, indem sie das Kriterium der Freiwilligkeit der Leistung ansprach. Nicht nachvollziehbar ist allerdings die Schlussfolgerung der belangten Behörde, das gegenständliche Abräumen des Tisches sei deshalb nicht als Gefälligkeitsdienst anzusehen, sondern auf Grund einer Verpflichtung gegenüber dem Inhaber des Lokales erfolgt, weil solche Tätigkeiten üblicherweise von Kellnern verrichtet würden.

Da es dem angefochtenen Bescheid somit an schlüssig begründeten Feststellungen fehlt, die die Ansicht der belangten Behörde tragen, die Beschwerdeführerin habe (zumindest) in wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Inhaber des in Rede stehenden Lokales und damit im Rahmen einer Beschäftigung gehandelt, leidet der angefochtene Bescheid unter einem wesentlichen Verfahrensmangel.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten ist.

Wien, am 30. Jänner 2007

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