VwGH 2004/18/0423

VwGH2004/18/042324.4.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des PN in W, geboren 1967, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. November 2004, Zl. SD 1466/04, betreffend Versagung der Ausstellung eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Normen

11992E008A EGV Art8a Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer Art2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art2 Abs2;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
PaßG 1992 §2 Abs1;
11992E008A EGV Art8a Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer Art2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art2 Abs2;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
PaßG 1992 §2 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. November 2004 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 24. Mai 2004 auf Ausstellung eines Personalausweises gemäß § 19 Abs. 2 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 (PassG), abgewiesen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. Jänner 1988 sei der Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1, § 14 und § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz (SGG) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. Februar 1992 sei der Beschwerdeführer gemäß § 14a und § 16 Abs. 1 SGG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Er habe Ende 1991 eine große Menge Suchtgift besessen, weil er über den Schlüssel für ein Fahrzeug verfügt habe, in welchem ungefähr elf Kilogramm Haschisch versteckt gewesen seien, über die er (somit) Verfügungsgewalt gehabt habe. Weiters habe er ungefähr 250 Gramm Haschisch an Unbekannte verkauft und wiederholt Suchtgift erworben und besessen. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (vom 14. Mai 1998) sei der Beschwerdeführer (wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 Z. 2 und 3 Suchtmittelgesetz (SMG) und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 28 Abs. 4 SMG) zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Gleichzeitig sei die gewährte bedingte Strafnachsicht der Vorverurteilung (im Ausmaß von acht Monaten gemäß § 494a Abs. 1 Z. 4 StPO und § 53 Abs. 1 StGB) widerrufen worden. Dieses Urteil sei vom OGH bestätigt worden. Der Beschwerdeführer habe sich einer zumindest aus acht Personen bestehenden Großbande angeschlossen, die gewerbsmäßig darauf ausgelegt gewesen sei, Suchtgift in großer Menge aus den Niederlanden nach Österreich zu schmuggeln und hier in Verkehr zu setzen. Er sei (im Zeitraum von Jänner 1997 bis Juli 1997) an zumindest fünf Schmuggelfahrten beteiligt gewesen, wobei er teilweise selbst als unmittelbarer Schmuggler in Erscheinung getreten sei und teilweise Begleitfahrzeuge gelenkt habe. Er hätte den Import von etwa 50 bis 70 kg Haschisch und etwa 100 Gramm Kokain zu verantworten, wobei er einen Großteil der geschmuggelten Suchtgiftmengen auch in Wien in Verkehr gesetzt habe.

Auf Grund der besonders schwer wiegenden einschlägigen Straftaten des Beschwerdeführers sei die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG genannte Annahme gerechtfertigt, auch wenn die der letztgenannten Verurteilung zu Grunde liegende Straftat bereits mehrere Jahre zurückliege. Eine positive Verhaltensprognose bedürfe eines entsprechend langen Zeitraumes des Wohlverhaltens. In Haft verbrachte Zeiten hätten dabei außer Betracht zu bleiben. Der nunmehr dreieinhalbjährige (richtig: eineinhalbjährige) Zeitraum seit der Haftentlassung des Beschwerdeführers sei selbst bei völligem Wohlverhalten im Hinblick auf seine wiederholten und schwer wiegenden Straftaten keinesfalls geeignet, die von ihm ausgehende Gefahr im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG gering zu schätzen oder gar als weggefallen zu betrachten. Der Suchtgiftkriminalität komme nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr zu, was sich im Fall des Beschwerdeführers bestätigt habe.

Dass es ihm - wie in der Berufung vorgebracht - durch Versagung der Ausstellung eines Personalausweises unmöglich sein solle, eine eventuelle Beschäftigung in der EU aufzunehmen, sei nicht zu berücksichtigen. Die Versagung von Pass- bzw. Passersatzdokumenten diene der Verhinderung des Grenzübertrittes von Personen, bei denen die im § 14 PassG normierten Versagungsgründe verwirklicht seien. Auch die Beteuerungen des Beschwerdeführers, nunmehr "geläutert zu sein" und in Hinkunft keine strafbaren Handlungen mehr begehen zu wollen, seien angesichts der Vielzahl seiner Vorstrafen und der daraus ableitbaren offenbaren Geringschätzung von maßgeblichen österreichischen Rechtsvorschriften in keiner Weise geeignet, eine zu seinen Gunsten ausfallende Prognose im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG erstellen zu können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG ist u.a. die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen. Gemäß § 19 Abs. 2 PassG sind u.a. auf die Ausstellung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden.

2. In der Beschwerde werden die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend die vom Beschwerdeführer verübten Straftaten und seine Verurteilungen nicht bestritten. Der Beschwerdeführer wurde bereits dreimal rechtskräftig wegen zahlreicher Suchtgiftdelikte verurteilt. Zuletzt wurde über ihn eine unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verhängt, weil er als Mitglied einer Bande gewerbsmäßig Suchtgift in großer Menge aus den Niederlanden nach Österreich geschmuggelt und im Zeitraum von Jänner 1997 bis Juli 1997 in zumindest fünf Angriffen ungefähr 50 bis 70 kg Haschisch und 100 Gramm Kokain verkauft hat. Gleichzeitig wurde die davor gewährte bedingte Strafnachsicht einer achtmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen. In Anbetracht dieses schweren und langandauernden Gesamtfehlverhaltens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken, zumal sich der Beschwerdeführer auch durch vorangegangene Verurteilungen nicht davon abhalten ließ, neuerlich und in noch gravierenderer Weise straffällig zu werden. Unter Berücksichtigung der in Haft verbrachten Zeit, die bei der Beurteilung des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers außer Betracht zu bleiben hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2004/18/0216, mwN), lag das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides auch bei weitem noch nicht so lange zurück, dass ein Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr angenommen werden könnte. Auch eine vom Beschwerdeführer abgegebene Stellungnahme zu seinem Gesinnungswandel hätte an diesem Ergebnis nichts ändern können.

3. Mit der in der Beschwerde dargelegten Ansicht, dass der Beschwerdeführer im gesamten EU-Raum ohne Personalausweis reisen dürfe und der Handel mit Suchtmitteln innerhalb der Europäischen Union durch die Versagung eines Personalausweises daher nicht verhindert werden könne, übersieht der Beschwerdeführer einerseits, dass gemäß § 2 Abs. 1 PassG ein österreichischer Staatsbürger grundsätzlich auch im EU-Raum ein gültiges Reisedokument (Reisepass oder Passersatz) benötigt, und andererseits, dass die gegenständlichen Entziehungsbestimmungen des PassG darauf abzielen, die Benützung des Reisepasses bzw. Personalausweises (u.a.) zum Zweck der (unerlaubten) Einfuhr oder Ausfuhr von Suchtgift in einer großen Menge - und zwar nicht nur aus einem oder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union - zu verhindern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0307).

4. Schließlich kommt auch dem Vorbringen, die Versagung der Ausstellung eines Personalausweises greife in das Recht des Beschwerdeführers auf Freizügigkeit ein, keine Berechtigung zu. Die Entziehung eines für einen Inländer ausgestellten Reisepasses und die damit verbundene Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union sind jedenfalls dann zulässig, wenn es sich um eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit handelt, wobei bei Maßnahmen zur Wahrung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein darf (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. März 1998, Zl. 97/18/0424, vom 27. Februar 2003, 2003/18/0006, und vom 8. September 2005, Zl. 2004/18/0216). Gleiches hat bei der Ausstellung eines Personalausweises bzw. Reisepasses zu gelten. Der Beschwerdeführer hat durch seine gegen das SGG und das SMG gerichteten Straftaten das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Gesundheit gravierend verletzt. Da dieses Verhalten den Schluss rechtfertigt, er werde als Inhaber eines Personalausweises auch in Zukunft gegen dieses, einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse verstoßen, ist die Versagung der Ausstellung eines Personalausweises als Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Gesundheit auch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht unbedenklich.

5. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. April 2007

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