VwGH 2004/13/0172

VwGH2004/13/017219.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der A GmbH in W, vertreten durch die Burghofer & Pacher Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 9. November 2004, Zl. RV/3483- W/02, miterledigt RV/3484-W/02, betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 1995 bis 1999 sowie Umsatzsteuer für das Jahr 2000 und Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 bis 2000, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs2;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
UStG 1994 §21 Abs3;
UStG 1994 §21 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs2;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
UStG 1994 §21 Abs3;
UStG 1994 §21 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 1995 bis 1999 sowie Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 bis 2000 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, im Übrigen, somit betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2000, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Unternehmen der beschwerdeführenden GmbH, die einen Espressobetrieb führte, fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt. Unter Tz. 14a des Berichtes der Betriebsprüferin vom 14. Mai 2001 ("Mängel der Buchhaltung") wird unter "1) nicht gedeckte Lebenshaltungskosten" ausgeführt, der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin und dessen Ehefrau seien an der beschwerdeführenden GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. In den Jahren 1995 bis 1999 hätten die Lebenshaltungskosten des Geschäftsführers und seiner Ehefrau nicht geklärt werden können. Diese seien daher pauschal mit monatlich 20.000 S (die Ehefrau beziehe kein Einkommen) geschätzt worden. Unter Berücksichtigung sämtlicher der Betriebsprüferin bekannten Geldzu- und abflüsse seien nicht gedeckte Lebenshaltungskosten von 156.000 S für das Jahr 1995, 148.000 S für das Jahr 1996, 143.000 S für das Jahr 1997, 260.000 S für das Jahr 1998 und 160.000 S für das Jahr 1999 verblieben.

Unter "2) nicht geklärte Einlagen" wird im Betriebsprüfungsbericht festgehalten, dass über das "Verrechnungskonto Gesellschafter" Einlagen in die beschwerdeführende GmbH in beträchtlicher Höhe getätigt worden seien. Teilweise seien diese durch Abhebungen von einem anonymen Sparbuch des Geschäftsführers glaubhaft gemacht worden, das auch vorgelegt worden sei. Die restlichen Beträge von 250.000 S (1995), 200.000 S (1996), 200.000 S (1997), 500.000 S (1998) und 320.000 S (1999) seien lt. Geschäftsführer von seinem in Polen lebenden Bruder finanziert worden, der dort seit 1992 gemeinsam mit seiner Schwester selbständig tätig sei. Zur Glaubhaftmachung dieser Aussage habe es keinerlei Bankbestätigungen über Ein- bzw. Auszahlungen gegeben. Die Beträge seien jeweils zu Jahresbeginn bar von Polen nach Österreich gebracht und laufend "in die Firma eingelegt" worden. Als Beweis für diesen Sachverhalt sei "ein Blatt Papier (+ beglaubigte Übersetzung vom 13.10.2000)" vorgelegt worden, auf dem in polnischer Sprache stehe, dass es sich bei den angeführten Beträgen um die Rückzahlung eines Darlehens handle. Zu den Beträgen von 320.000 S für das Jahr 1999 und zu einem Teilbetrag von 50.000 S für das Jahr 1995 gebe es keinerlei Schriftstücke.

Zu einem "Lottogewinn" wird im Betriebsprüfungsbericht ausgeführt, lt. schriftlicher Stellungnahme des Geschäftsführers habe dieser im Jahr 1995 einen Lottogewinn in Höhe von 2,968.136 S vereinnahmt. Die Überweisung des Gewinnes sei seitens der Lottogesellschaft auf zwei anonym geführte Überbringersparbücher erfolgt, welche aber weggeworfen worden seien. Durch die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens hätten die Kontoabschriften zu den Privatsparbüchern eingeholt werden können. Der "Gesamtgewinn" aus beiden Sparbüchern habe demnach 3,336.024 S betragen. Dieser sei jeweils zur Hälfte auf die beiden Sparbücher überwiesen worden. Wiederum jeweils genau die Hälfte sei von beiden Sparbüchern an verschiedenen Tagen abgehoben worden. Ungefähr einen Monat nach Eröffnung der Sparbücher seien diese nach Auszahlung der zweiten Hälfte des Gewinnes (an verschiedenen Tagen) wieder geschlossen worden. Die Eröffnung der Sparbücher sei daher nur zum Zwecke der Gewinnüberweisung erfolgt. Nach den Angaben des Geschäftsführers seien von diesem Gewinn 2,1 Mio. S bar nach Polen gebracht worden, um ein Darlehen von 1 Mio S zurückzuzahlen und ein Darlehen von 1,1 Mio. S zu gewähren. Ein Betrag von 834.056 S sei auf ein anonymes Sparbuch einbezahlt und ein Auszug der Betriebsprüferin vorgelegt worden. Der restliche Betrag sei auf ein anonym geführtes Überbringersparbuch einbezahlt worden, welches aber weggeworfen worden sei. Nach Ansicht der Betriebsprüferin habe es sich auf Grund dieser Sachverhaltsdarstellung um eine Spielergemeinschaft gehandelt, die aus vier Personen bestanden habe. Auch dass nur ein Viertel des Geldflusses durch Vorlage des Sparbuches habe belegt werden können, verstärke diese Ansicht. Es sei daher nur ein Viertel des Gewinnes (somit 834.056 S) als Zufluss von der Lottogesellschaft anzuerkennen und mit den nicht geklärten Einlagen gegenzuverrechnen.

Unter Tz. 16a ("Umsatzsteuervoranmeldungen 1.1.2000 - 31.8.2000") führt die Prüferin aus, dass im Umsatzsteuersonderprüfungszeitraum 1. Jänner 2000 bis 31. August 2000 nicht geklärte Einlagen in Höhe von 270.000 S festgestellt worden seien, die den bisher erklärten Entgelten zuzurechnen gewesen seien.

In Tz. 17 des Betriebsprüfungsberichtes ist die Ermittlung der Entgelte für die Jahre 1995 bis 1999 auf Grund der in Tz. 14a getroffenen Feststellungen (einerseits Verrechnung der getätigten Einlagen mit dem - anerkannten - Lottogewinn von 834.056 S in den Jahren 1995 bis 1999 und andererseits die davon gesonderte Zurechnung wegen der nicht gedeckten Lebenshaltungskosten mit den - vollen - unter Tz 14a angeführten Beträgen) dargestellt. Im Einzelnen ergaben sich dadurch Zurechnungen im Gesamtbetrag von 156.000 S (1995), 148.000 S (1996), 143.000 S (1997),

575.944 S (1998) und 480.000 S (1999). Unter Tz. 29 des Prüfungsberichtes werden die unter Tz. 17 angeführten Zurechnungen als verdeckte Ausschüttungen den erklärten Betriebsergebnissen für die Ermittlung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlagen der Jahre 1995 bis 1999 hinzugerechnet. In Tz. 42 ff sind die Auswirkungen der angenommenen verdeckten Ausschüttungen in Bezug auf die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 bis 2000 dargestellt.

Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2001 erhob die Beschwerdeführerin "Berufung gegen Umsatzsteuer - Körperschaftsteuer 1995/1996/1997/1998/1999 Kapitalertragsteuer 1995-2000 und Umsatzsteuer 1-8/2000". Lt. den Angaben in der Berufungsschrift richtete sich die Berufung gegen die nach der abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen - in den vorgelegten Verwaltungsakten jedoch nicht enthaltenen - Abgabenbescheide vom 6. Juli 2001. Im Wesentlichen sei bei der abgabenbehördlichen Revision - so die Ausführungen in der Berufung - davon ausgegangen worden, dass die Lebenshaltungskosten und die Einlagen des Gesellschafters in die beschwerdeführende GmbH nicht ausreichend gedeckt gewesen seien. Allerdings sei im Zuge des Prüfungsverfahrens bekundet worden, dass der Geschäftsführer einen Lottogewinn in Höhe von rd. 3,3 Mio. S lukriert habe, welcher in der Folge eine völlig ausreichende Deckung der Einlagen und der (außerdem viel zu hoch gegriffenen) Lebenshaltungskosten ermöglicht habe. Im Betriebsprüfungsbericht sei davon ausgegangen worden, dass es sich um eine Spielergemeinschaft gehandelt haben müsse, weil vier gleich hohe Abhebungen von den Sparbüchern erfolgt seien ("es wurden von der PSK. Sparbücher angefordert, nach Einleitung eines von uns beantragten Finanzstrafverfahren, welche nicht weggeworfen wurden, wie von der BP. behauptet, sondern von der PSK. eingezogen wurden!"). Für diese Vermutung gebe es keinen rechtlichen Hintergrund. Im Zuge der Revision habe durch "intensive Darstellung und Gespräche" die Deckung sämtlicher Lebenshaltungskosten und Einlagen erläutert werden können. Nur wegen der nicht erfolgten Anerkennung des Lottogewinnes in der gesamten Höhe von 3,3 Mio S sei eine Schätzung durchgeführt worden. Weiters sei die Aufstellung unter Tz. 17 des Betriebsprüfungsberichtes unverständlich, weil diese (ohne Berücksichtigung des gesamten Lottogewinnes) eine Deckung der Lebenshaltungskosten für die Jahre 1995 bis 1997 zur Gänze und für 1998 in einem Teilbetrag nicht berücksichtigt habe. Es seien somit die angenommenen Lebenshaltungskosten als Hinzuschätzung gerechnet worden, obwohl nach dieser Aufstellung eindeutig eine Deckung sämtlicher Einlagen und Lebenshaltungskosten gegeben gewesen wäre (diese Deckung wäre "natürlich umso mehr gewährleistet, als das der gesamte Lottogewinn in Höhe von öS 3,3 Mio. gegenüberzustellen ist"). Auch zur Einlage des Jahres 2000 in Höhe von 270.000 S sei nicht darauf eingegangen worden, dass eine Bestätigung beigebracht worden sei, dass diese Einlage von dritter Seite zur Verfügung gestellt worden sei. Es werde daher "Aufhebung des Revisionsergebnisses und Wiedereinstellung in den erklärungsmäßigen Stand" beantragt.

Die Betriebsprüferin nahm zur Berufung Stellung, woraufhin die Beschwerdeführerin replizierte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei "betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 1995 bis 1999 sowie Umsatzsteuer für das Jahr 2000 und Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 bis 2000" als unbegründet ab.

Im Rahmen der Darstellung der Entscheidungsgründe im angefochtenen Bescheid wird nach einer Wiedergabe der Feststellungen des Betriebsprüfungsberichtes ausgeführt, gegen die "in der Folge im gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide betreffend 1995 bis 1999, den Haftungs- und Abgabenbescheid über den Prüfungszeitraum 1995 bis 2000 und den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2000 wurde mit Schriftsatz vom 19.7.2001 fristgerecht berufen und die erklärungsgemäße Veranlagung beantragt" (in der Folge wird der Inhalt dieser Berufung referiert).

Ein in einem mängelfreien Verfahren festgestellter unaufgeklärter Vermögenszuwachs rechtfertige die Annahme - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides -, dass die Vermehrung des Vermögens aus nicht einbekannten Einkünften stamme. Dies gelte auch, wenn der Abgabepflichtige nicht aufklären könne, aus welchen Quellen er seinen laufenden Lebensunterhalt bestreite.

Es sei unstrittig, dass der Geschäftsführer im Jahr 1995 einen Lottogewinn in Höhe von 3,336.024 S lukriert habe. Als Nachweis habe die Beschwerdeführerin jedoch zunächst einen Gewinnanforderungsschein vorgelegt, der sich auf einen anderen Gewinn bezogen habe und zudem viel später, nämlich erst im Oktober 1995, ausgefüllt worden sei. Der hier interessierende Gewinn sei jedoch bereits im Juni 1995 erzielt worden. Die Sparbücher seien auch zu diesem Zeitpunkt eröffnet und das Geld überwiesen worden. Auch solle der Darlehensvertrag mit dem Bruder des Geschäftsführers, dessen behauptete Rückzahlung zu den strittigen Einlagen in das Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin geführt habe, bereits am 1. August 1995 abgeschlossen worden sein. Es sei zwar der Lottogewinn an sich auf Grund der Überweisung des Gewinnes auf die im Sachverhalt angeführten PSK-Sparbücher nicht strittig, an den Geschäftsführer habe jedoch nur ein Zufluss von 834.056 S mittels des vorgelegten Sparbuches nachgewiesen werden können. Von diesem Sparbuch seien zwar immer wieder Abhebungen getätigt worden, dies aber im Übrigen teilweise Wochen bzw. Monate vor der Eintragung ins Kassabuch. Auch seien die eingetragenen und abgehobenen Beträge ziffernmäßig nicht zuordenbar. Das zweite Sparbuch, auf das lt. der eingeholten Kontoabschriften 868.112 S überwiesen worden seien, habe trotz mehrfacher Urgenz nicht vorgelegt werden können. Nachdem zunächst noch mitgeteilt worden sei, das Sparbuch sei nicht auffindbar, sei der Betriebsprüfung schließlich mitgeteilt worden, das Sparbuch sei im Zuge von Übersiedlungen verloren gegangen. Da somit die Beschwerdeführerin ihrer "Beweisvorsorgepflicht" nicht nachgekommen sei, sei im Zuge der freien Beweiswürdigung davon auszugehen, dass der genannte Betrag "der Bw." nicht zugeflossen sei. Weiters habe der Verbleib der Auszahlungsbeträge "bzw. von S 1,633.856,-- resultierend aus dem Gesamtlottogewinn in Höhe von S 3,336.024,-- abzüglich S 834.056,-- auf dem vorgelegten Sparbuch und S 868.112,-- auf dem nicht vorgelegten Sparbuch, nicht aufgeklärt werden" können. Die Beschwerdeführerin bringe vor, ihr Geschäftsführer habe 2,1 Mio. S bar nach Polen gebracht, um einerseits das ihm von seinem Bruder in den Jahren 1993 und 1994 in Höhe von 1 Mio. S gewährte Darlehen zurückzuzahlen und andererseits ein Darlehen in Höhe von 1,1 Mio. S zu gewähren. Aus diesen Rückzahlungen resultierten die Einlagen der Jahre 1995 bis 1999. Dieser Argumentation habe sich die belangte Behörde nicht anschließen können. Folge man dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach dem Geschäftsführer der gesamte Lottogewinn in Höhe von 3,336.024 S zugeflossen sei, verbleibe nach Abzug der auf die Sparbücher überwiesenen Beträge von 834.056 S und 868.112 S ein Betrag von 1,633.856 S. Hinsichtlich des davon in Höhe von 2,1 Mio. S angeblich nach Polen verbrachten Betrages habe zunächst ein Darlehensvertrag nicht vorgelegt werden können. Nach mehreren Urgenzen sei schließlich eine mit 2. Februar 2001 datierte beglaubigte Übersetzung eines Darlehensvertrages zwischen dem Geschäftsführer als Darlehensgeber und seinem Bruder sowie seiner Schwester als Darlehensnehmer vorgelegt worden. Dieser Darlehensvertrag entspreche aber nur teilweise den nach der Judikatur zu fordernden Kriterien für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen. Nicht fremdüblich sei vor allem, dass zwar Zinsen vereinbart, aber nicht bezahlt worden seien. Dass der Bruder in Polen lebe und arbeite, die Höhe des Darlehens und die Rückzahlungen jedoch in österreichischen Schillingen vereinbart worden seien, sei ebenfalls nicht fremdüblich. Sollten die in das Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin eingelegten Beträge den Rückzahlungsraten entsprechen, dann wäre die Rückzahlung in österreichischen Schillingen erfolgt. Weiters hätten sich Widersprüche in der Argumentation der Beschwerdeführerin ergeben, auf welche Weise die Rückzahlung des Darlehens erfolgt sein solle. Während der Geschäftsführer zunächst noch vorgebracht habe, er habe das Geld in Polen geholt, sei in einer Besprechung vom 13. März 2001 davon die Rede gewesen, das Geld sei teilweise auch vom Bruder nach Österreich gebracht worden. Die Herkunft der Mittel für einen Teilbetrag der Einlagen des Jahres 1995 in Höhe von 50.000 S sowie für eine Einlage in Höhe von 320.000 S im Jahr 1999 habe nicht nachgewiesen werden können. Zwar solle es sich auch bei diesen Beträgen um Darlehen des Bruders des Geschäftsführers handeln, doch seien für diese keine schriftlichen, den Formerfordernissen für Verträge zwischen nahen Angehörigen entsprechende Vereinbarungen vorgelegt und auch keine Zahlungsflüsse nachgewiesen worden.

Zu den lt. Betriebsprüfung festgestellten nicht gedeckten Lebenshaltungskosten habe der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens eine Aufstellung über deren Höhe vorgelegt. Die darin ermittelten Aufwendungen für den Geschäftsführer in Höhe 13.000 S hätten allerdings nicht berücksichtigt, dass der Geschäftsführer im gemeinsamen Haushalt mit seiner nicht erwerbstätigen Ehefrau gelebt habe. Da es erfahrungsgemäß nicht mehr möglich sei, den tatsächlich getätigten Aufwand für Kleidung, Ernährung usw. festzustellen, seien von der belangten Behörde die von der "Statistik Austria" auf Grund der Konsumerhebung der Jahre 1993 und 1994 ermittelten durchschnittlichen Verbrauchsausgaben eines Haushaltes als Vergleichswert herangezogen worden. Bei zwei (erwerbstätigen) Erwachsenen ohne Kinder sei demnach ein Wert von 29.800 S anzusetzen. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Ehefrau des Geschäftsführers nicht erwerbstätig gewesen sei und sich die Lebenshaltungskosten daher etwa "im Mittel" befänden (24.100 S), könne keine Rede davon sein, dass die seitens der Betriebsprüferin angenommenen Lebenshaltungskosten von 20.000 S zu hoch gegriffen wären. Dies auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, wonach der Geschäftsführer "Spieler" gewesen sei. Da ein über Jahre andauerndes Spielglück unglaubwürdig sei, sei davon auszugehen, dass in den Lebenshaltungskosten auch Aufwendungen für das Glücksspiel enthalten seien. Unter diesem Gesichtspunkt ändere auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Wohnungskosten (5.600 S) seien von der Mutter ihres Geschäftsführers getragen worden (es verblieben somit Lebenshaltungskosten von 18.500 S), nichts an der rechtmäßigen Schätzung der Lebenshaltungskosten in Höhe von 20.000 S.

Zur "Umsatzsteuer 2000" wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, im Umsatzsteuersonderprüfungszeitraum 1. Jänner 2000 bis 31. August 2000 seien nicht geklärte Einlagen in Höhe von insgesamt 270.000 S (in zwei Beträgen von 140.000 S und 130.000 S) festgestellt worden. Für die Einlage von 140.000 S sei in der Buchhaltung der Beschwerdeführerin eine Bestätigung der Mutter des Geschäftsführers vorgefunden worden, wonach diese der Beschwerdeführerin einen Betrag von 70.000 S aus eigenen Mitteln zur Verfügung gestellt habe. Der Geschäftsführer wiederum habe angegeben, dass ein Bekannter das Geld zur Verfügung gestellt habe. Bei der Besprechung am 13. März 2001 sei schließlich vorgebracht worden, dass der Bekannte das Geld der Mutter zur Verfügung gestellt und diese es in das Unternehmen eingelegt habe. Wegen dieser widersprüchlichen Angaben sei davon auszugehen, dass es sich bei der Bestätigung der Mutter um eine Gefälligkeitsbestätigung handle. Betreffend die Einlage von 130.000 S sei eine Bestätigung der Mutter des Geschäftsführers vorgelegt worden, wonach diese ihrem Sohn 150.000 S geborgt haben solle. Dieses handschriftliche, ohne Datum versehene und nicht den fremdüblichen Kriterien eines Darlehensvertrages entsprechende Schriftstück sei jedoch ebenfalls als Gefälligkeitsbestätigung zu werten gewesen.

Betreffend "Kapitalertragsteuer 1995 bis 2000" wird im angefochtenen Bescheid festgehalten, dass ein in einem mängelfreien Verfahren festgestellter unaufgeklärter Vermögenszuwachs die Annahme rechtfertigte, dass die Vermehrung des Vermögens aus nicht einbekannten Einkünften stamme. Mit der Frage, ob ein solcher unaufgeklärter Vermögenszuwachs vorliege, habe sich die belangte Behörde in der rechtlichen Würdigung der Berufung gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1999 und gegen den Umsatzsteuerbescheid 2000 auseinander gesetzt. Die Zurechnungen seien daher zu Recht erfolgt. Mehrgewinne, die im Betriebsvermögen der Gesellschaft keinen Niederschlag gefunden hätten, seien als den Gesellschaftern zugeflossen zu werten.

In den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten liegt ein Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 29. April 2002 ein, mit dem die Umsatzsteuer für das Jahr 2000 festgesetzt wurde (in der Begründung dieses Bescheides wurde darauf hingewiesen, dass die zusätzlichen Umsätze Jänner bis August 2000 lt. "BP-Bericht vom 14.5.2001" den erklärten Entgelten hinzugerechnet worden seien). Gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 29. April 2002 wurde eine - ebenfalls in den Verwaltungsakten einliegende - Berufung vom 13. Mai 2002 eingebracht, in der zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen im Berufungsverfahren gegen die nach der abgabenbehördlichen "Revision" ergangenen Bescheide verwiesen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist gemäß § 184 Abs. 2 BAO insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskünfte über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtet. Die Begründung eines Bescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. für viele z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).

Dem angefochtenen Bescheid fehlt es schon hinsichtlich des Lottogewinnes, mit dem lt. dem Vorbringen in der Berufung sowohl die Einlagen als auch die Deckung der Lebenshaltungskosten hätten erklärt werden können, an einer hinreichend nachvollziehbaren Begründung. Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass es unstrittig sei, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin im Jahr 1995 einen Lottogewinn in Höhe von 3,336.024 S lukriert habe. Damit folgte die belangte Behörde offenkundig - ohne dies allerdings offen zu legen - nicht mehr der Beurteilung der Betriebsprüferin, die noch von einer Spielergemeinschaft ausgegangen war, wobei dem Geschäftsführer lediglich ein Viertel des Gesamtgewinnes zugekommen sei. In der Gegenschrift verweist die Behörde insofern auch klarstellend in Beantwortung des Beschwerdevorbringens, in dem die Annahme einer "Spielgemeinschaft von insgesamt vier Spielern" bekämpft wird, darauf, dass im angefochtenen Bescheid "nie von einer Spielgemeinschaft die Rede ist und das Vorliegen einer solchen lediglich von der Betriebsprüfung behauptet wurde".

Der angefochtene Bescheid beschäftigt sich im Wesentlichen damit, es als nicht glaubwürdig hinzustellen, dass mit den über einen anerkannten Betrag von 834.056 S hinausgehenden Geldern aus dem Lottogewinn die Einlagen auf das Verrechnungskonto der Beschwerdeführerin zu erklären seien, wobei die belangte Behörde u. a. in freier Beweiswürdigung davon ausging, dass ein auf ein zweites Sparbuch überwiesener Betrag von 868.112 S der "Bw."

(somit der Beschwerdeführerin) nicht zugekommen sei und auch Erklärungsversuche über Darlehensgewährungen nach Polen zum Scheitern verurteilt seien. Damit wird aber noch nicht einsichtig gemacht, weshalb mit dem nunmehr von der belangten Behörde - anders als noch seitens der Betriebsprüfung - "unstreitig" vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zur Gänze lukrierten Lottogewinn von insgesamt über 3 Mio. S nicht die - im angefochtenen Bescheid nur der Höhe nach behandelten - Lebenshaltungskosten der Jahre 1995 bis 1999 (zumindest zum Teil) hätten finanziert werden können. In diesem Zusammenhang erscheint auch das Vorbringen in der Berufung nicht unberechtigt, in dem es als nicht nachvollziehbar bezeichnet wurde, dass bereits im Betriebsprüfungsbericht eine Gegenrechnung des (seitens der Prüferin anerkannten) Lottogewinns nur mit den Einlagen und nicht mit den Lebenshaltungskosten stattgefunden habe.

Der angefochtene Bescheid erweist sich damit bereits insoweit mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er über Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 1995 bis 1999 sowie über den Haftungs- und Abgabenbescheid über den (gesamten) Prüfungszeitraum 1995 bis 2000 betreffend Kapitalertragsteuer abspricht, schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Zum Abspruch im angefochtenen Bescheid betreffend "Umsatzsteuer für das Jahr 2000" ist Folgendes zu sagen:

Aus dem oben dargestellten Inhalt der Verwaltungsakten ergibt sich, dass nach Ergehen des Bescheides über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für den Zeitraum 1. Jänner 2000 bis 31. August 2000 (vgl. auch Tz. 23 des Betriebsprüfungsberichtes), gegen den sich die Berufung vom 19. Juli 2001 richtete, ein Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 29. April 2002 erging, der mit Berufung vom 13. Mai 2002 bekämpft wurde.

Im angefochtenen Bescheid werden weder der Umsatzsteuerbescheid vom 29. April 2002 noch die Berufung vom 13. Mai 2002 erwähnt. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, in der nur die Berufung vom 19. Juli 2001 wiedergegeben wird, ist vielmehr zu entnehmen, dass es sich bei der "Berufung", über die der angefochtene Bescheid abspricht, auch betreffend Umsatzsteuer 2000 lediglich um die Berufung vom 19. Juli 2001 handelte. Da aber mit dem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 29. April 2002 der bisher im Gefolge der abgabenbehördlichen Prüfung ergangene Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. August 2000 außer Kraft trat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2003, 2001/13/0302 bis 0316, sowie den hg. Beschluss vom 29. Oktober 2003, 2001/13/0007), hätte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid über die Berufung vom 19. Juli 2001 hinsichtlich der Umsatzsteuer nicht meritorisch entscheiden dürfen. Sie hat daher den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet. Der angefochtene Bescheid war somit in seinem Abspruch betreffend "Umsatzsteuer für das Jahr 2000" nach § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Dezember 2007

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