VwGH 2002/14/0155

VwGH2002/14/015517.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der T GmbH in I, vertreten durch Dkfm. Dr. Helmut Marsoner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 43, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 13. Dezember 2002, Zl. RV 865/1-T7/07 , betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 1995 und Körperschaftsteuer 1995, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §303 Abs4;
BAO §303 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In ihrer Körperschaftsteuererklärung für 1995 wies die Beschwerdeführerin einen Gewinn laut beiliegender Bilanz zum 31. Dezember 1995 in Höhe von S 13,685.089,-- aus.

Die entsprechende Bilanz hatte die Beschwerdeführerin der Körperschaftsteuererklärung ebenso angeschlossen wie einen Anhang mit Erläuterungen zur Bilanz sowie zur Gewinn- und Verlustrechnung. In diesen Erläuterungen war unter Punkt "Bilanz

(1) Anlagevermögen" u.a. angeführt worden, dass in der Hauptversammlung vom 21. November 1995 der ABB AG - an welcher die Beschwerdeführerin beteiligt war - eine effektive Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft im Verhältnis 7:1 erfolgt sei. "Daraus ergibt" sich für die Beschwerdeführerin nachfolgende Entwicklung der Beteiligung an der ABB AG:

Nominale Anschaffungskosten

Nominale nach Verschmelzung 16.181.600,00

53.784.740,00

Zukauf

59.100,00 266.349,00

16.240.700,00

54.051.089,00

Kapitalherabsetzung

13.920.600,00 46.315.219,00

Beteiligung nach Kapitalherabsetzung 2.320.100,00

7.735.870,00

Unter Punkt "Gewinn- und Verlustrechnung (8) Aufwendungen aus

Beteiligungen" findet sich folgende Darstellung:

ATS

Verminderung Anschaffungskosten

46.315.219,00

abzüglich Verminderung Nominale

-13.920.600,00

Verlust aus Kapitalherabsetzung

32.394.619,00

Nach erklärungsgemäßer Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Körperschaftsteuer 1995 im August 1996 wurde anlässlich einer im November 2000 abgeschlossenen abgabenbehördlichen Prüfung im darüber ergangenen Prüfungsbericht hinsichtlich der Aufwendungen aus Beteiligungen festgehalten, dass sich dieser Aufwand "- wie aus den Erläuterungen zur Bilanz hervorgeht -" daraus ergebe, dass bei der ABB AG im November 1995 eine effektive Kapitalherabsetzung im Ausmaß von 7:1 vorgenommen worden sei. "Unter Berufung auf zwei Einzelerledigungen des BMF vom 14. Jänner 1993 (veröffentlicht in ecolex 1993, 293)" sei der Vorgang als Teilliquidation gewertet und der Buchwert der Beteiligung in dem Verhältnis, in dem das Nennkapital der Gesellschaft herabgesetzt worden sei, vermindert worden. Nach Ansicht der Prüferin stelle die Kapitalherabsetzung einer im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung einen steuerneutralen Vorgang dar und führe in Höhe der Kapitalherabsetzung (S 13,920.600,--) zu einer Verminderung der Anschaffungskosten der Beteiligung (sogenannter Aktivtausch). Eine darüber hinausgehende Verminderung der Anschaffungskosten der Beteiligung stelle allenfalls eine Teilwertabschreibung dar, die jedoch wirtschaftlich begründet sein müsse. Eine Einsichtnahme in die Bilanzen der ABB AG habe ergeben, dass diese Gesellschaft im betreffenden Zeitraum eine hohe Eigenkapitalquote aufgewiesen und auch entsprechende Gewinne erzielt habe. Eine Teilwertabschreibung der Anteile an dieser Gesellschaft erscheine daher wirtschaftlich nicht gerechtfertigt.

Das Finanzamt folgte der Ansicht der Prüferin und erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 1995 einen neuen Sachbescheid, in welchem diesbezüglich die geltend gemachten "Aufwendungen aus Beteiligung" in Höhe von S 32,394.619,-

- nicht anerkannt wurden.

In einer dagegen erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin insbesondere, dass der Sachverhalt hinsichtlich der Kapitalherabsetzung und deren gewinnmindernde Auswirkung anlässlich der Einreichung der Körperschaftsteuererklärung vollständig offengelegt worden sei. Die Vorgangsweise habe sich auf die im Prüfungsbericht erwähnte Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen gestützt, eine Teilabschreibung sei weder vorgenommen noch erklärt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Der Beschwerdeführerin sei zwar darin beizupflichten, dass sie den Sachverhalt insoweit offengelegt habe, als sie in Punkt (1) der Bilanzbeilage den Wert der Beteiligung vor und nach der Kapitalherabsetzung sowie die Verminderung der Anschaffungskosten infolge der Kapitalherabsetzung einschließlich der rechnerischen Ermittlung dieses Vorganges dargestellt habe. Weiters sei in Punkt (8) der Beilagen der Verlust aus Kapitalherabsetzung (Verminderung Anschaffungskosten abzüglich Verminderung Nominale) berechnet und dargestellt worden. In den erwähnten Bilanzbeilagen sei jedoch nicht vermerkt gewesen, dass sich die Bewertung der Beteiligung allein auf die Rechtsauffassung des BMF vom 14. Janner 1993, ecolex 1993, 273, gestützt habe, wonach eine effektive Kapitalherabsetzung auf Gesellschafterebene als Teilliquidation des die Kapitalherabsetzung beschließenden Unternehmens gesehen werden könne. Selbst wenn die Art der Berechnung des Beteiligungsansatzes ein Verfolgen der vorhin zitierten Rechtsansicht nahe lege, so sei doch nicht mit vollständiger Sicherheit auszuschließen gewesen, dass eine Wertminderung der Beteiligung im dargestellten Ausmaß dennoch eingetreten sei. Auch aus der Bezeichnung "Verlust aus Kapitalherabsetzung" ergebe sich nicht zwingend, dass eine über den Betrag der Rückzahlung hinausgehende Wertminderung der Beteiligung nicht stattgefunden habe, zumal - wie bereits festgehalten - eine Kapitalherabsetzung in Verbindung mit anderen Umständen durchaus zu einem Wertverlust im angeführten Ausmaß hätte führen können. Dass der Wert der Beteiligung an der ABB AG durch deren Kapitalherabsetzung über die Höhe des entsprechenden Rückzahlungsbetrages hinaus tatsächlich nicht gemindert worden sei, sei erstmals im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung durch Einsichtnahme in die Bilanzen der ABB AG festgestellt worden. Aus der Sicht des abgeschlossenen Körperschaftsteuerverfahrens 1995 sei daher eine für die Entscheidung maßgebliche Tatsache neu hervorgekommen, die zur Wiederaufnahme dieses Verfahrens berechtigt habe. Dass die Abgabenbehörde an der Nichtfeststellung dieser Tatsache durch das Unterlassen entsprechender Ermittlungen allenfalls ein Verschulden treffe, schließe die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO nicht aus.

Betreffend Körperschaftsteuer 1995 verwies die belangte Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 2001, 98/14/0073, VwSlgNr 7603/F, wonach die Rückzahlung von Nominalkapital auf Grund einer ordentlichen Kapitalherabsetzung allein bei den die Anteile im Betriebsvermögen haltenden Gesellschaftern eine über diese Rückzahlung hinausgehende Verminderung des Buchwertes der Beteiligung nicht rechtfertigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 lit. a und lit. c BAO und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2006, 2003/15/0016).

Die belangte Behörde meint im angefochtenen Bescheid, dass der Sachverhalt deswegen nicht in dieser Weise vollständig offengelegt gewesen sei, weil die Beschwerdeführerin nicht offengelegt habe, dass die Bewertung der Beteiligung allein auf der in ecolex 1993 273 dargestellten Rechtsansicht des Bundesministers für Finanzen beruht habe. Selbst wenn die Art der Berechnung des Beteiligungsansatzes ein Verfolgen der entsprechenden Rechtsansicht nahegelegt hätte, so wäre nicht mit vollständiger Sicherheit auszuschließen gewesen, dass eine entsprechende Wertminderung der Beteiligung aus anderen Gründen eingetreten wäre. Erst anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung wäre neu hervorgekommen, dass solche anderen Gründe nicht vorlagen.

Mit dieser Argumentation hat die belangte Behörde die Rechtslage insbesondere deshalb verkannt, weil eine Wiederaufnahme unter anderem dann ausgeschlossen ist, wenn der Sachverhalt so vollständig bekannt ist, dass bei richtiger rechtlicher Subsumtion schon im abgeschlossenen Verfahren eine Beurteilung möglich war, wie sie im wiederaufgenommenen Verfahren erfolgt ist. Welche erst später neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel aber im abgeschlossenen Verfahren zur Beurteilung fehlten, dass eine ordentliche Kapitalherabsetzung allein bei den die Anteile im Betriebsvermögen haltenden Gesellschaftern eine über die Rückzahlung hinausgehende Verminderung des Buchwertes der Beteiligung nicht rechtfertigt, ist im vorliegenden Beschwerdefall (anders als in dem zur hg. Zl. 98/14/0073 entschiedenen Beschwerdefall) nicht zu erkennen.

Zutreffend wird in der Beschwerde zum Ausdruck gebracht, dass die Feststellung, "nichts Neues gefunden zu haben", keine die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigende neu hervorgekommene Tatsache darstellt.

Es trifft aber - wie die Beschwerdeführerin schon in ihrer Berufung dargetan hat - auch zu, dass von ihr eine Teilwertabschreibung nicht geltend gemacht worden ist. In der Darstellung der Bilanzerläuterungen wurde - wie auch von der Prüferin anlässlich der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung in ihrem darüber verfassten Bericht festgehalten worden war - deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich der entsprechende Beteiligungsansatz (nach Ansicht der Beschwerdeführerin) aus der effektiven Herabsetzung des Grundkapitals der ABB AG "ergibt". Die Gründe für diese jedenfalls zum Ausdruck gebrachte Ansicht sind für die Beurteilung der Frage nach einem tauglichen Wiederaufnahmegrund nicht relevant.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens 1995 und - weil es dem erlassenen neuen Sachbescheid somit an einer Rechtsgrundlage mangelt - auch hinsichtlich Körperschaftsteuer 1995 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer schon enthalten ist.

Wien, am 17. Jänner 2007

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