VwGH 2002/14/0013

VwGH2002/14/001322.2.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des W S in N, vertreten durch Dr. Hermann Holzmann, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 17/P, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 19. Juli 2001, Zl. RV 699/1-T7/01 , betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1995 und 1996, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §10 Abs8;
EStG 1988 §121 Abs2;
EURallg;
VwRallg;
EStG 1988 §10 Abs8;
EStG 1988 §121 Abs2;
EURallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich der Erlassung neuer Sachbescheide nach Durchführung einer Wiederaufnahme der Verfahren im Gefolge einer abgabenbehördlichen Prüfung versagte das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 einem geltend gemachten Investitionsfreibetrag im Ausmaß von S 156.222,-- die Anerkennung, weil vom Beschwerdeführer weder eine Sondereinkommensteuervorauszahlung geleistet, noch ein "Beharrungsanpassungsantrag" eingebracht worden sei.

In einer dagegen erhobenen Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die Untersagung der Bildung des Investitionsfreibetrages für 1995 mit der Begründung, die gesetzliche Bestimmung für die Absenkung des IFB-Satzes gelte erst für die nach dem 30. April 1995 angefallenen Anschaffungs- und Herstellungskosten. Da "sein Wirtschaftsjahr mit 30. April 1995" geendet habe, sei für das Jahr 1995 keine Sondervorauszahlung zu entrichten und der beantragte Investitionsfreibetrag in Höhe von S 156.222,-- als "IFB-Wartetastenverlust" in Ansatz zu bringen gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen des § 121 Abs. 2 Z. 1 bis 3 EStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995, führte die belangte Behörde beschwerdefallbezogen aus, dass das Wirtschaftsjahr des Beschwerdeführers den Zeitraum 1. Mai bis 30. April eines Jahres umfasse. Zum maßgeblichen Stichtag 30. September 1995 sei das (Wirtschafts-)Jahr 1993 das letztveranlagte Kalenderjahr (Bescheid vom 7. Oktober 1994) gewesen, in welchem - bei einem Verlust aus Gewerbebetrieb von insgesamt S 1,008.304,-- - ein Investitionsfreibetrag von S 424.243,-- geltend gemacht worden sei. Im Bescheid vom 7. Oktober 1994 sei der Investitionsfreibetrag als nicht ausgleichsfähiger "Wartetastenverlust" (§ 10 Abs. 8 EStG 1988) ausgewiesen gewesen. Die Einkommensteuervorauszahlungen für 1995 (und Folgejahre) seien gleichfalls mit Bescheid vom 7. Oktober 1994, basierend auf der Veranlagung 1993, mit 0 S festgesetzt worden. Unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer weder im Jahr 1995 eine Einkommensteuersondervorauszahlung gemäß § 121 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 entrichtet, noch eine sogenannte "Beharrungsanpassung" betreffend die Einkommensteuervorauszahlung 1995 beantragt habe. Da weder die Vorauszahlungen für das Jahr 1995 erstmalig oder auf der Grundlage der Einkommensteuerschuld 1995 festgesetzt, noch ein Anpassungs- bzw. Beharrungsantrag nach dem 1. Mai 1995 gestellt worden sei, sei damit im gegenständlichen Fall keiner der gesetzlichen Ausnahmetatbestände des § 121 Abs. 2 lit. a bis c vorgelegen.

Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26. November 2001, B 1254/01, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG hat die Beschwerde die bestimmte Bezeichnung des Rechtes zu enthalten, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte). Diese Bezeichnung des Beschwerdepunktes ist nach ständiger Rechtsprechung keineswegs Selbstzweck, sondern vielmehr unter dem Gesichtspunkt von Relevanz, dass es dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen obliegt, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 242 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer trägt in Ausführung des Beschwerdepunktes unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, in seinem Recht "auf Freiheit von nicht gesetzmäßiger Belastung, auch unter dem Aspekt des dem im Art. 5 EGV verankerten Rechtes, nämlich dem Grundsatz auf Gemeinschaftstreue, sowie dem Recht auf Freiheit von nicht gesetzeskonformer Ermittlung der Einkommensteuerbemessungsgrundlage infolge der nicht gesetzeskonformen Bewertung der Fremdwährungsverbindlichkeit und der nicht gesetzeskonformen Versagung des Investitionsfreibetrages" verletzt zu sein.

Nach dieser Formulierung verbleibt das als verletzt bestimmt bezeichnete Recht auf Anerkennung des Investitionsfreibetrages. Ein abstraktes Recht auf "Freiheit von nicht gesetzmäßiger Belastung" existiert ebenso wenig wie ein " Recht auf Freiheit von nicht gesetzeskonformer Ermittlung der Einkommensteuerbemessungsgrundlage", wobei hinzukommt, dass auch aus einer "nicht gesetzeskonformen Bewertung der Fremdwährungsverbindlichkeit" keine bestimmte Rechtsverletzung abzuleiten ist (vgl auch Steiner, Beschwerdepunkte und Beschwerdegründe in Holoubek/Lang, Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, 71 und die dort angeführte hg. Judikatur).

Hinsichtlich des tauglich als verletzt bezeichneten Rechts auf Anerkennung des Investitionsfreibetrages trägt der Beschwerdeführer vor, die Begründung, mit der die belangte Behörde die Gewährung des Investitionsfreibetrages 1995 verweigert habe, dass nämlich "nach dem 1. Mai 1995 kein Anpassungsantrag gestellt bzw. die Sondervorauszahlung nicht entrichtet" worden sei, stelle eine "denkunmögliche Gesetzesauslegung dar. Bei richtiger Interpretation der Bestimmung hätte die belangte Behörde im konkreten Fall erkennen müssen, dass ein allfälliger Antrag inhaltsleer bzw. sinnwidrig und somit auch die Sondervorauszahlung auf alle Fälle hinfällig gewesen wäre".

§ 121 Abs. 2 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"(2) Werden die Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 1995 und die folgenden Kalenderjahre nicht

  1. a) erstmals oder
  2. b) auf Grund einer nach dem 1. Mai 1995 erfolgten Anpassung oder
  3. c) auf der Grundlage der Einkommensteuerschuld für das veranlagte Kalenderjahr 1995 festgesetzt, so gilt folgendes:

    1. Ein Investitionsfreibetrag gemäß § 10 kann von Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Teilbeträgen), die in einem Betrieb in Wirtschaftsjahren im Sinne der Z. 2 anfallen, nur dann gewinnmindernd oder durch Verwendung einer Investitionsrücklage (eines steuerfreien Betrages) geltend gemacht werden, wenn neben den Vorauszahlungen gemäß § 45 bis zum 15. Oktober des betreffenden Kalenderjahres eine Sondervorauszahlung entrichtet wird. ...

    2. Wirtschaftsjahre gemäß Z 1 sind jene, die im Kalenderjahr, in dem die Sondervorauszahlung zu entrichten ist, sowie im folgenden Kalenderjahr enden.

    3. Die Sondervorauszahlung errechnet sich von jenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Teilbeträgen) im betreffenden Betrieb, für die bisher ein Investitionsfreibetrag geltend gemacht worden ist. Maßgeblich ist dabei die gewinnmindernd oder durch Verwendung einer Investitionsrücklage (eines steuerfreien Betrages) erfolgte Geltendmachung eines Investitionsfreibetrags für jene Wirtschaftsjahre, die im letztveranlagten Kalenderjahr, dessen Einkommensteuerschuld Grundlage für die Vorauszahlungen gemäß § 45 ist, enden. Es sind dabei die steuerlichen Beurteilungen zum 30. September des betreffenden Jahres zu berücksichtigen. ..."

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass im Beschwerdefall insbesondere für das Kalenderjahr 1995 keine nach dem 1. Mai 1995 erfolgte Anpassung der Vorauszahlungen erfolgt ist. Die Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 1995 wurden auch nicht erstmals oder auf der Grundlage der Einkommensteuerschuld für das veranlagte Kalenderjahr 1995 festgesetzt. Ein Investitionsfreibetrag hätte dementsprechend aber nur dann geltend gemacht werden können, wenn bis zum 15. Oktober des betreffenden Kalenderjahres eine Sondervorauszahlung entrichtet worden wäre. Auch das ist jedoch nicht geschehen.

Der Beschwerdeführer rügt nun zwar eine "unrichtige Interpretation der Bestimmung" durch die belangte Behörde, zeigt aber nicht konkret auf, in welcher anderen als durch das Gesetz vorgezeichneten Weise einer nach dem 1. Mai 1995 erfolgenden Anpassung der Vorauszahlungen eine Sondervorauszahlung tatsächlich hätte vermieden werden können (vgl. in diesem Zusammenhang die im angefochtenen Bescheid zitierte Literaturstelle, Reiner/Reiner, IFB-Sondervorauszahlungen bei Verlustbetrieben, RdW 1995, 197f. Die dem Beschwerdeführer vorschwebende Interpretation der anzuerkennenden Geltendmachung eines Investitionsfreibetrages unabhängig davon, ob die in § 121 Abs. 2 EStG 1988 normierten Voraussetzungen erfüllt sind, findet im Gesetz keine Deckung.

Im Übrigen teilt der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des § 10 Abs. 8 EStG 1988 die Ansicht der belangten Behörde, dass ein Investitionsfreibetrag auch dann gewinnmindernd geltend gemacht wird, wenn er infolge eines Verlustes auf "Wartetaste steht". § 10 Abs. 8 EStG 1988 spricht nämlich ausdrücklich von einem Verlust, der durch gewinnmindernd geltend gemachte Investitionsfreibeträge entsteht oder sich erhöht. Ein solcher Verlust ist insoweit weder ausgleichs- noch gemäß § 18 Abs. 6 und 7 vortragsfähig und mit späteren Gewinnen (Gewinnanteilen) aus diesem Betrieb frühestmöglich zu verrechnen.

Mit dem Vorbringen in Bezug auf Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zeigt die Beschwerde schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil diese Charta bisher nicht Bestandteil des (primären) Gemeinschaftsrechtes und daher nicht verbindlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 2004, Zl. 2002/18/0019).

Soweit der Beschwerdeführer auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorbringt, die belangte Behörde unterstelle "der Bestimmung" einen gleichheitswidrigen Inhalt, übersieht er, dass bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss vom 26. November 2001, B 1254/01, ausgeführt hat, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, wenn die Inanspruchnahme eines Investitionsfreibetrages - auch für bereits getätigte Investitionen - davon abhängig gemacht wird, dass ein Anpassungsantrag bezüglich der ESt-Vorauszahlungen gestellt wird.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Februar 2007

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