VwGH 2006/15/0018

VwGH2006/15/00182.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der J in K, vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Unterer Stadtplatz 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 24. Oktober 2002, GZ. RV 856/1-6/2000 und RV 1259/1-6/2001, betreffend Einkommensteuer 1999 und 2000, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG 1988 §2 Abs2;
EStG 1988 §2 Abs3;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs1;
LiebhabereiV 1993;
LiebhabereiV;
EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG 1988 §2 Abs2;
EStG 1988 §2 Abs3;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs1;
LiebhabereiV 1993;
LiebhabereiV;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist seit 1. September 1999 neben ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als Masseurin auch als Privatgeschäftsvermittlerin der A-GmbH (in der Folge: A-Vertreterin) tätig.

Für das erste Jahr ihrer Tätigkeit erklärte die Beschwerdeführerin einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 40.694 S sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit von 20.037 S. Für das Jahr 2000 erklärte sie einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 24.677 S und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 85.659 S. Um die Anerkennung der Verluste aus Gewerbebetrieb geht der vorliegende Streit vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Nach einem Vorhalteverfahren, das im Wesentlichen zum Gegenstand hatte, ob die Tätigkeit der Beschwerdeführerin jener Tätigkeit vergleichbar sei, die dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 2000, 96/14/0038, zu Grunde lag, gelangte die belangte Behörde zur Ansicht, dass eine Einkunftsquelle nicht vorliege.

Zur Begründung wird im angefochtenen Bescheid sachverhaltsbezogen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei nebenberuflich als Vertreterin der A-GmbH tätig, sie genieße keinen Gebietsschutz und sei Teil eines Systems, das darauf aufbaue, im Schneeballsystem Subvertreter zu werben. Die Beschwerdeführerin sei angehalten, regelmäßig Schulungen zu besuchen und allfälliges Vorführmaterial auf eigene Kosten zu erwerben. Auch die Reisekosten habe die Beschwerdeführerin selbst zu tragen. Der Beschwerdefall sei damit in tatsächlicher Hinsicht dem vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 96/14/0038, entschiedenen Fall vergleichbar.

Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Vorhaltsbeantwortung vom 19. September 2002 folgende "Ergebnisse" (Beträge in Schilling) bekannt gegeben:

Jahr

Einnahmen

Verlust/Gewinn

Vorführprodukte

Telefon

Km-Geld

Diäten

1999

31.847

-40.694

15.959

2.170

28.567

6.840

2000

283.393

-24.677

39.959

9.186

161.451

20.820

2001

307.018

-41.204

66.354

13.665

152.546

0

Nach der in der Berufung angestellten Prognose hätte bereits im Jahr 2001 ein Gewinn von 20.000 S erzielt werden sollen, tatsächlich habe der Verlust 41.204 S betragen. Dies zeige, dass die optimistische Prognose der Beschwerdeführerin offensichtlich nicht erreichbar sei. Erst für das erste Halbjahr 2002 werde in der vorläufigen Ertragsrechnung ein geringer Gewinn von 132,50 EUR ausgewiesen, wobei dabei allerdings noch keine Reisekosten, Diäten und Kilometergelder berücksichtigt worden seien. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung und den Erklärungen der Vorjahre sei jedoch anzunehmen, dass auch 2002 derartige Spesen angefallen seien. Die Erzielung eines Gesamtgewinnes aus der gegenständlichen Tätigkeit sei daher nicht abzusehen.

"Nach allgemeiner Lebenserfahrung, den Erfahrungen des Senats, anderen, gleichgelagerten Berufungsfällen und nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das oben zitierte Erkenntnis)" sei davon auszugehen, dass die Tätigkeit vor Erzielen eines Gesamtgewinnes beendet werde.

Vergleiche man die tatsächlich von der Beschwerdeführerin erzielten Ergebnisse mit den laut "Verkaufs- und Sponsorplan" (der A-GmbH) versprochenen Einkommen "(schon bei einem kleinen Einzelhandelsgeschäft wurden S 13.860,-- im Jahr in Aussicht gestellt, bei mittlerer Größe der Organisation S 19.425,-- jährlich)", sei festzustellen, dass diese optimistischen Ergebnisse nicht haben erzielt werden können. Auch der Beschwerdeführerin müsse in kurzer Zeit klar gewesen sein, dass sich aus dieser Tätigkeit "bei der gewählten Bewirtschaftungsweise (nebenberuflich neben ihrer Tätigkeit als Masseurin)" kein dauerhafter substanzieller Gewinn erreichen lasse. Es liege daher eine Liebhabereitätigkeit im steuerlichen Sinne vor. Beim vorliegenden Sachverhalt seien die Verluste der Jahre 1999 und 2000, obwohl sich die Beschwerdeführerin in diesen Jahren noch im Anlaufzeitraum im Sinne des § 2 Abs. 2 LVO 1993 befunden habe, in Anwendung des letzten Satzes dieser Bestimmung nicht anzuerkennen.

Gegen den von der belangten Behörde im Instanzenzug erlassenen Bescheid betreffend Einkommensteuer 1999 und 2000 wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Gegensatz zu der vor Inkrafttreten der Liebhabereiverordnungen 1990 bzw. 1993 geltenden Rechtslage, wonach zur Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft einer Tätigkeit in erster Linie objektive Kriterien (Gewinnerzielungsmöglichkeit) heranzuziehen waren, kommt es seit Geltung der Liebhabereiverordnungen in erster Linie auf die Absicht des Steuerpflichtigen an, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 12. August 1994, 94/14/0025).

Liegt - wie im vorliegenden Fall von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt - eine Tätigkeit im Sinn des § 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung 1993 (im Folgenden: LVO) vor, ist das Vorliegen von Einkünften zu vermuten. Die Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn die Absicht nicht an Hand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3 LVO) nachvollziehbar ist.

Nach § 2 Abs. 2 LVO liegen innerhalb der ersten drei Kalenderjahre ab Beginn einer Betätigung im Sinn des § 1 Abs. 1 leg.cit. jedenfalls Einkünfte vor (Anlaufzeitraum). Ein Anlaufzeitraum darf nicht angenommen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls damit zu rechnen ist, dass die Betätigung vor dem Erzielen eines Gesamtgewinnes (Gesamtüberschusses) beendet wird.

Stellt sich bei einer Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 LVO (mit Ausnahme der Vermietung) objektiv erst nach mehreren Jahren heraus, dass sie niemals erfolgbringend sein kann, kann sie dennoch bis zu diesem Zeitpunkt als Einkunftsquelle anzusehen sein. Erst wenn die Tätigkeit dann nicht eingestellt wird, ist sie für Zeiträume ab diesem Zeitpunkt als Liebhaberei zu qualifizieren (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, 99/15/0209).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem von der belangten Behörde für ihren Standpunkt herangezogenen Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 96/14/0038, unter Hinweis auf Vorjudikatur ausgeführt, dass der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden könne, wenn sie zu dem Schluss gelangt sei, die Tätigkeit eines A-Vertreters sei objektiv gesehen nicht geeignet, Gewinne zu erzielen. Dem hält die Beschwerde entgegen, es sei "auf Grund der Praxis unstrittig, dass A-Berater lukrative Gewinne erzielen können". Die A-GmbH bestehe bereits seit Jahrzehnten, was dafür spreche, dass ihre Vertriebsstruktur erfolgreich sei. Dass nicht jeder Privatgeschäftsvermittler Gewinne erziele, dürfe nicht dazu führen, die Tätigkeit der A-Vertreter pauschal dahingehend zu beurteilen, dass keine Gewinne erzielt werden könnten. Gerade durch die Vertriebsstruktur seien bei wirtschaftlichem Geschick zum Teil horrende Gewinne möglich. Bei Betrachtung des Geschäftsverlaufes der Beschwerdeführerin zeige sich, dass der Verlust von 1999 auf 2000 nahezu halbiert werden konnte und im gleichen Zeitraum die Provisionseinnahmen beträchtlich gestiegen seien. Schon daraus sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl danach getrachtet habe, Gewinne zu erzielen und ihr das auch in der praktischen Durchführung gelinge.

Dieses Vorbringen zeigt zutreffend auf, dass die Beschwerdeführerin in den (hier strittigen) ersten 16 Monaten ihrer Tätigkeit Betriebsergebnisse erzielt hat, die nicht ohne Weiteres den Schluss zuließen, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht nur objektiv nicht ertragbringend sei, sondern ihr von vornherein auch die Absicht gefehlt habe, Gewinne zu erzielen. In dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall 96/14/0038 waren Jahresumsätze von lediglich 502 S bis 19.328 S erzielt worden. Der in drei Jahren erwirtschaftete Gesamtverlust (170.972 S) überstieg die Gesamtumsätze dieser drei Jahre (32.696 S) um ein Vielfaches. Wenn bei einer derartigen Konstellation, die zudem dadurch gekennzeichnet war, dass die vom damaligen Beschwerdeführer getätigten Umsätze geringer waren als seine Reiseaufwendungen, eine Beweiswürdigung nicht zu beanstanden war, die zum Ergebnis gekommen war, dass die prognostizierten Gewinne jeglicher Grundlage entbehrten, kann dies auf den Beschwerdefall nicht unbesehen übertragen werden. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin laut Aktenlage in den Streitjahren lediglich "geringfügig" bzw. "20 Stunden wöchentlich" ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als Masseurin nachgegangen ist, sodass mit dem bloßen Hinweis der belangten Behörde auf die "Bewirtschaftungsweise (nebenberuflich neben ihrer Tätigkeit als Masseurin)" ein - auf fehlende Zeitkapazitäten zurückzuführendes - mangelndes Gewinnstreben der Beschwerdeführerin noch nicht dargelegt wird. Soweit die belangte Behörde zur Feststellung gelangte, dass es der Beschwerdeführerin "nach kurzer Zeit klar gewesen sein" musste, dass aus dieser Tätigkeit kein Gewinn erzielt werden könne, lässt sie dafür eine schlüssige Begründung vermissen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. März 2006

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