Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §33;
VerfGG 1953 §87 Abs3;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §33;
VerfGG 1953 §87 Abs3;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 VwGG nicht stattgegeben.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Oktober 2005 wurde über den Beschwerdeführer im Instanzenzug wegen Übertretung des § 25 Abs. 3 Z 2 des Tierschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 118/2004, iVm § 9 Z 10 der 2. Tierhalteverordnung, BGBl. Nr. 486/2004, eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 300,-- (drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 38 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes verhängt. Gemäß § 40 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes wurde der Verfall der Tiere (zweier Ozeloten) ausgesprochen.
Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Antragstellers am 19. Oktober 2005 zugestellt.
Mit einem am 19. Dezember 2005 zu Post gegebenen Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde, erhob unter einem Bescheidbeschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG und beantragte gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof für den Fall deren Abweisung oder Ablehnung. Im Rahmen seiner für den Fall der Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof bereits in diesem Schriftsatz vorgenommenen Ausführungen seiner Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verwies der Beschwerdeführer hinsichtlich der Rechtzeitigkeit auch dieser Beschwerde auf den Wiedereinsetzungsantrag und die dort angeführten Gründe.
Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 2006, B 3626/05-7, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Lehnt der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer
zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und tritt sie sodann
antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, dann
hat über einen beim Verfassungsgerichtshof gestellten und von
diesem nicht erledigten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand, sei es wegen Versäumung der Beschwerdefrist, sei es wegen
Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Abtretung
der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, ebenso der
Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden, wie es dann auch dem
Verwaltungsgerichtshof obliegt, die Rechtzeitigkeit der vom
Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof gesetzten
Prozesshandlungen zu beurteilen (vgl. den hg. Beschluss vom 22. März 2006, Zl. 2005/13/0177, mwN).
Der Rechtsvertreter des Antragstellers führte als Begründung für die begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist an, dass die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid von ihm am 30. November 2005 unterschrieben, von seiner Mitarbeiterin endausgefertigt und mit anderen kuvertierten Postausgangsstücken an ihn übergeben worden sei. Er habe nicht nur sämtliche Postausgangsstücke in seinen Aktenkoffer gegeben, sondern auch die für die Wahrnehmung von Auswärtsterminen am nächsten Tag und für einen Termin am übernächsten Tag notwendigen Unterlagen. Der Weg zur Post sei am 30. November 2005 vor allem deshalb von ihm persönlich vorgenommen worden, weil er ein an sein Privatanschriftspostamt hinterlegtes und persönlich abzuholendes Schriftstück habe abholen wollen. Obwohl die Poststücke in ein eigenes Fach gelegt worden seien, seien zwei der ca. 12 Kuverts, darunter auch das Kuvert mit der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde, in einen anderen Akt gerutscht. Beim Postamt habe der Vertreter des Antragstellers die Poststücke abgegeben und sei ihm das hinterlegte Schriftstück ausgefolgt worden. Dabei habe es sich um einen Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz gehandelt, mit welchem die Rückerfassung von Telefonaten des Vertreters des Antragstellers für einen bestimmten Zeitraum angeordnet worden sei. Er habe in diesem Rückerfassungszeitraum Anrufe erhalten, bei welchen ein anonymer Anrufer Morddrohungen geäußert habe. Offensichtlich durch diesen Beschluss und die damit verbundenen Umstände abgelenkt, sei es dem Vertreter des Antragstellers nicht aufgefallen, dass er die Postausgangsstücke nicht vollständig abgegeben habe und sich das an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Kuvert noch - in einem anderen Akt, welcher Termin am nächsten Tag abgesagt worden sei - im Koffer befunden habe. Hinzu sei gekommen, dass der Vertreter des Antragstellers erst am 5. Dezember 2005 wieder in die Kanzlei zurückgekehrt sei und erst an diesem Tag der im Koffer befindliche Akt mit dem abgesagten Termin von ihm bearbeitet worden sei und ihm dabei bei Öffnung dieses Aktes die beiden nicht abgegebenen Kuverts in die Hände gefallen seien. Für ihn sei es nicht nachvollziehbar, wie ihm dieses Missgeschick habe passieren können. Offensichtlich sei er durch die Angelegenheit der gegen ihn und seine Kinder gerichteten gefährlichen Drohung so abgelenkt worden, dass ihm das Verrutschen des Kuverts in einen Akt nicht aufgefallen sei. Es handle sich um ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, an welchen ihm kein Verschulden oder höchstens ein Versehen minderen Grades treffe. Bislang sei ein derartiger Fehler noch nicht vorgekommen, weshalb er die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde beantrage.
§ 46 VwGG lautet (auszugsweise):
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. unter vielen den hg. Beschluss vom 22. Jänner 2003, Zl. 2002/08/0259). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne der §§ 1324, 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Rechtsvertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, das heißt die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an Rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. unter vielen den hg. Beschluss vom 11. Juni 2003, Zl. 2003/10/0114).
Im vorliegenden Fall brachte der Vertreter des Antragstellers persönlich sämtliche Postausgangsstücke des 30. November 2005 zur Post, weil er ein dort für ihn hinterlegtes und persönlich abzuholendes Schriftstück abholen wollte. Es handelte sich dabei nach den Angaben des Vertreters der Beschwerdeführerin um "ca. 12 Kuverts", wobei nicht angegeben wurde, ob alle bzw. wie viele Poststücke "eingeschrieben" aufzugeben waren. Demnach war dem Vertreter des Antragstellers die genaue Anzahl der von ihm aufzugebenden Poststücke nicht bekannt.
Ausführungen dazu, welche Art von Kontrolle für den Fall, in dem Kanzleiangestellte die Poststücke zur Post bringen, eingerichtet ist, um Fehlleistungen wie die vorliegende zu vermeiden, finden sich im Antrag auf Wiedereinsetzung nicht. Eine Information vor dem Gang auf die Post zumindest hinsichtlich der Anzahl der fristgebundenen Eingaben wäre aber geboten, um eine Kontrolle der Vollständigkeit der Postaufgabe zu ermöglichen. Dies gilt umso mehr für den Fall, dass der Anwalt selbst die Poststücke aufgibt, zählt diese Aufgabe doch im Allgemeinen nicht zu den von ihm persönlich vorzunehmenden Tätigkeiten (vgl. den hg. Beschluss vom 15. September 2004, Zl. 2004/04/0126).
Jedenfalls das Kuvert mit dem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Schriftsatz, das am letzten Tag der zur Verfügung stehenden Beschwerdefrist zur Post gegeben wurde, beinhaltete eine solche fristgebundene Eingabe. In der Regel werden solche Poststücke - zur Absicherung bzw. zum Beweis der rechtzeitigen Postaufgabe - gegen einen Nachweis, dh. "eingeschrieben" aufgegeben. Die Aufgabe fristgebundener Schriftstücke bei der Post unterscheidet sich darin in der Regel von der Aufgabe sonstiger Postausgangsstücke.
Es wäre dem Vertreter des Antragstellers daher zuzumuten gewesen, sich vor dem Gang zur Post über die genaue Anzahl und den oder die jeweiligen Empfänger der aufzugebenden Poststücke, die fristgebundene Eingaben beinhalten, zu informieren und zumindest deren korrekte Aufgabe zu kontrollieren, gegebenenfalls gegen Nachweise ihrer rechtzeitigen Aufgabe. Dass der Vertreter des Antragstellers die genaue Anzahl dieser Poststücke kannte und diese nach der Aufgabe kontrolliert hätte, hat er aber nicht behauptet.
Daran ändert auch die persönliche Situation des Vertreters des Antragstellers nichts. Selbst eine verständliche Neugier oder Erwartungshaltung im Zusammenhang mit dem vom Vertreter erwarteten Schriftstück rechtfertigt einen Verstoß gegen den dargestellten Grad der Aufmerksamkeit nicht, erfordert diese Aufmerksamkeit doch lediglich eine Kontrolle der Anzahl und der Empfänger der aufzugebenden fristgebundenen Schriftstücke. Es ist nicht nachvollziehbar, dass diese Kontrolle trotz der persönlichen Situation des Vertreters des Antragstellers nicht möglich gewesen sein sollte.
Das Fehlen der Informationen über die genaue Anzahl der aufzugebenden fristgebundenen Poststücke zum einen und die mangelnde Kontrolle bei der Übergabe dieser Postausgangsstücke am Postamt zum anderen stellt einen Sorgfaltsverstoß dar, der nicht als bloß minderer Grad des Versehens im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG qualifiziert werden kann. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 31. Juli 2006
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