VwGH 2006/02/0040

VwGH2006/02/004031.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des MF in F, vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Dr. Alexander Schuberth und Mag. Rene Fischer, Rechtsanwälte in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 9. Dezember 2005, Zl. UVS- 3/15.615/4-2005, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs2 litf;
StVO 1960 §18 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs2 litf;
StVO 1960 §18 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Dezember 2005 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 18. Dezember 2003 um 9.25 Uhr in G, A 10 - Tauernautobahn, Str.Km 5,500, Fahrtrichtung V, ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und keinen solchen Abstand vom nächsten vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre. Der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug habe bei einer Geschwindigkeit von 110 km/h (lt. geeichtem Multinova AG/MU VR 6 F Gerät) weniger als eine Fahrzeuglänge betragen. Er habe dadurch unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern, insbesondere gegenüber dem vorderen Kraftfahrzeug, "gegen die erlassenen Verordnungen verstoßen".

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 2 lit. c StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 360,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die belangte Behörde sei seinem Antrag auf Einholung "eines Kfz-technischen Sachverständigengutachtens, dies zum Beweis dafür, dass die vom Meldungsleger RI R geschilderte Überholung und nachfolgende Anhaltung des Fahrzeuges" des Beschwerdeführers "schwer nachvollziehbar und auch so nicht denkbar sei", begründungslos nicht gefolgt.

Diesem Beweisantrag zu folgen war die belangte Behörde aber schon deshalb nicht verpflichtet, weil der Schluss des Beschwerdeführers, aus der "Form der Anhaltung" könnte entnommen werden, dass gar kein "drittes Fahrzeug", sondern nur das Fahrzeug der eingeschrittenen Gendarmeriebeamten involviert gewesen sei, eine nicht nachvollziehbare Hypothese darstellt.

Sodann rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde sei zu Unrecht von besonders gefährlichen Verhältnissen bzw. besonderer Rücksichtslosigkeit ausgegangen.

Sowohl die Begehung einer Übertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen als auch eine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern sind strafsatzändernde Umstände des § 99 Abs. 2 lit. c. Beide genannten Umstände können bei Begehung einer Übertretung auch kumulativ vorliegen. Die Behörde hat die Sachverhaltsumstände, aus denen sich sowohl "besonders gefährliche Verhältnisse" als auch eine "besondere Rücksichtslosigkeit" ergeben (wie in der Folge ausgeführt wird), im gegenständlichen Fall entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers in ausreichender Weise in den Spruch aufgenommen und daher dem Bestimmtheitserfordernis des § 44a Z. 1 VStG entsprochen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist davon auszugehen, dass als Mindestabstand im Sinne des § 18 Abs. 1 StVO jedenfalls ein Abstand einzuhalten ist, der etwa der Länge des Reaktions(Sekunden)weges entspricht, das sind in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 96/11/0035). Im gegenständlichen Fall wären dies auf Grund der Fahrgeschwindigkeit von 110 km/h etwa 33 m gewesen.

Nach weiterer ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine bei einem Verstoß gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften unterlaufene Fahrlässigkeit "unter besonders gefährlichen Verhältnissen" dann anzunehmen, wenn sie entweder unter Umständen erfolgt, unter denen nach allgemeiner Erfahrung der Eintritt eines besonders umfangreichen und schweren und zunächst gar nicht überblickbaren Schadens zu erwarten ist, oder wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein umfangreicher und schwerer und zunächst gar nicht überblickbarer Schaden eintreten werde, wegen der vorliegenden Umstände besonders groß ist, und der Lenker, obwohl ihm die eine solche Verschärfung der Verkehrssituation bedingenden Umstände bewusst oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar waren, sich auf diese vom Vorstellungselement der Fahrlässigkeit umfassten höheren Gefahrenmomente dennoch eingelassen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juli 2002, Zl. 99/11/0242).

Wie allgemein bekannt ist, können insbesondere bei Unfällen mit einer Geschwindigkeit von 110 km/h schwerste Personen- und Sachschäden entstehen. Erfolgt eine deutliche Unterschreitung des notwendigen Mindestabstandes bei einer derartigen Geschwindigkeit, so liegen besonders gefährliche Verhältnisse vor (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. März 1979, Zl. 2060/78).

Die besondere Rücksichtslosigkeit ist im Verhalten des Täters gegenüber den anderen Straßenbenützern begründet und liegt dann vor, wenn zu einem Tatbestand der Straßenverkehrsordnung, der eine mangelnde Rücksichtnahme gegenüber anderen Straßenbenützern beinhaltet, ein besonderes Übermaß mangelnder Rücksichtnahme hinzutritt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1986, Zl. 86/02/0058).

Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass die gegenständlich derart eklatante Unterschreitung des notwendigen Mindestabstandes von etwa 33 m (hier: Einhaltung von bloß "einer Fahrzeuglänge", was ca. 5 m entspricht) eine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber dem voranfahrenden Verkehrsteilnehmer darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1986, Zl. 86/02/0058, betreffend das Auffahren auf ein voranfahrendes Fahrzeug auf 3 m bei einer Geschwindigkeit von 85 km/h). Soweit der Beschwerdeführer unter Zitierung dieses Erkenntnisses anscheinend vermeint, dass dort auch die Einhaltung eines Seitenabstandes von "höchstens 20 cm" eine Rolle gespielt habe, so verkennt er, dass in diesem Erkenntnis zu prüfen war, ob zwei unterschiedliche Übertretungen "jeweils" unter besonderer Rücksichtslosigkeit begangen wurden und der geringe Seitenabstand auf die Wertung der Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 StVO keinen Einfluss hatte.

Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang noch vor, die belangte Behörde habe unberücksichtigt gelassen, dass das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug von der Bauart höher sei als das voranfahrende Fahrzeug, weshalb er das Verkehrsgeschehen "weiter vorn" beobachten habe können.

Gründe für eine plötzliche Verminderung der Fahrgeschwindigkeit liegen nicht ausschließlich - wie der Beschwerdeführer mit seinem Argument offenbar anzudeuten versucht -

in Umständen, die sich vor dem voranfahrenden Fahrzeug ereignen, sondern können sich auch - etwa im Falle einer Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit des voranfahrenden Fahrzeuges -

ergeben, ohne dass Anzeichen dazu aus der Verkehrssituation vor diesem Fahrzeug zu erkennen wären. Es ist daher völlig unerheblich, ob das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug - wie behauptet - höher als das voranfahrende Fahrzeug war.

Der Beschwerdeführer rügt, dass er nach dem Spruch unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gehandelt, die belangte Behörde aber nur die besondere Rücksichtslosigkeit begründet habe. Im Hinblick auf die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde stellt sich dieser Begründungsmangel aber nur als unwesentlicher Verfahrensmangel dar.

Abschließend rügt der Beschwerdeführer die Wortfolge im Spruch des angefochtenen Bescheides "gegen die erlassenen Verordnungen verstoßen" als rechtswidrig. Es ist im Hinblick auf die daran anschließend - richtig - zitierten Normen der StVO, die der Beschwerdeführer übertreten hat, klar erkennbar, dass es sich bei der genannten Wortfolge um eine überschießende und sinnlose Beifügung handelt, die den Beschwerdeführer aber nicht in seinen Rechten zu verletzen vermag.

Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am 31. März 2006

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