VwGH 2005/21/0257

VwGH2005/21/025718.5.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des G, vertreten durch Mag. Wolfgang Paar, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 9. Juni 2005, Zl. FR 773/2004, betreffend die Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
StGB §81 Abs1 Z1;
StGB §81 Abs1 Z2;
StVO 1960 §5 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
StGB §81 Abs1 Z1;
StGB §81 Abs1 Z2;
StVO 1960 §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 2005 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Ukraine, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. Dezember 2003, im Strafausspruch abgeändert durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 16. März 2004, wegen Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gemäß § 81 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe am 26. September 2003 als Lenker eines Pkw "Chrysler Status" durch Außerachtlassen der beim Lenken eines Kraftfahrzeuges auf öffentlichen Verkehrsflächen gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt unter besonders gefährlichen Verhältnissen (Übermüdung des Lenkers und Einhaltung einer weit überhöhten Fahrgeschwindigkeit von mindestens 120 km/h in einem unübersichtlichen Kurvenbereich bei Dunkelheit und eingeschaltetem Abblendlicht), wodurch er mit seinem Pkw auf die durch eine doppelte Sperrlinie abgegrenzte Gegenfahrbahn geraten und dort gegen einen ordnungsgemäß gelenkten Pkw geprallt sei, fahrlässig den Tod dessen Lenkers und seiner zwei Beifahrer herbeigeführt, nachdem er sich vor der Tat zumindest fahrlässig durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt habe (mindestens 1,3 Promille Blutalkoholgehalt), obwohl er vorhergesehen habe oder hätte vorhersehen können, dass ihm mit der Lenkung eines Kraftfahrzeuges eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit anderer herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei.

Der Beschwerdeführer halte sich seit Oktober 1997 im österreichischen Bundesgebiet auf. Davor habe er in der Ukraine das Studium der Geschichte, Anglistik und Amerikanistik mit dem Magisterium abgeschlossen. An der Karl-Franzens-Universität Graz habe er zwischen 1997 und 2005 Prüfungen zur Nostrifizierung dieses Studiums zum Teil abgelegt. Daneben habe er ab 2001 als Tankwart gearbeitet.

Vom 6. April 1998 bis zum 5. April 2002 seien ihm "jeweils befristet entsprechende Aufenthaltserlaubnisse nach dem Fremdengesetz für den Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet erteilt" worden. Im Zeitraum vom 23. April 2002 bis zum 22. April 2004 sei ihm "jeweils eine befristete Niederlassungsbewilligung zum Zweck 'Familiengemeinschaft mit Österreicher' erteilt" worden. Er sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen, die Ehe sei jedoch mit Wirksamkeit vom 15. Juli 2003 rechtskräftig geschieden worden. Bis zu seiner Inhaftierung (am 16. Oktober 2003) habe er mit einer anderen österreichischen Staatsbürgerin in Lebensgemeinschaft zusammengelebt.

Der Beschwerdeführer stelle eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie für die körperliche Unversehrtheit und das Vermögen anderer Personen dar. Auf Grund des dargestellten Gesamtverhaltens sei ihm eine "negative Zukunftsprognose" zu erstellen. Wenn der Beschwerdeführer auch (nach Verbüßung von zwei Dritteln der über ihn verhängten Freiheitsstrafe) aus der Strafhaft entlassen worden sei, so hätten die Fremdenpolizeibehörden ihre Entscheidung frei von jeder Bindung an die Erwägungen des Strafgerichtes zu treffen. Auf Grund seines Vorlebens (die belangte Behörde ging von mehreren einschlägigen Verwaltungsübertretungen aus) und der Schwere des Deliktes sei Wiederholungsgefahr anzunehmen, sodass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Gefährdung der öffentlichen Interessen nicht vor Ablauf der festgesetzten Aufenthaltsverbotsfrist angenommen werden könne.

Bei der Interessenabwägung nach § 37 FrG ging die belangte Behörde davon aus, dass das Aufenthaltsverbot im Hinblick auf seine aktuelle Lebensgemeinschaft zweifellos in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreife. Jedoch würden Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin hiedurch lediglich erschwert. Besuche im Ausland wären zumindest in einem eingeschränkten Umfang möglich. Ebenso bestünde für die Lebensgefährtin die Möglichkeit, den Beschwerdeführer in sein Heimatland, die Republik Ukraine, zu begleiten. Diese Erschwerung der bisherigen Kontakte stelle die unvermeidliche Konsequenz des Aufenthaltsverbotes dar. Schwierigkeiten bei Kreditrückzahlungen oder der Schadenswiedergutmachung stellten dagegen keine erhebliche Beeinträchtigung der Lebenssituation dar. Auf Grund der Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Rechtsverletzung (Schuld am Tod von drei Personen) träten seine persönlichen und familiären Interessen hinter die öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer Gefährdungen und strafbarer Handlungen zurück, sodass sich die Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes als notwendig erweise.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z. 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Auf Grund der unstrittigen strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ist der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Soweit die Beschwerde hiebei - ohne mehrere einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Übertretungen in Zweifel zu ziehen - von einem unauffälligen Lebenswandel oder einem bloß "einmaligen Fehlverhalten" des Beschwerdeführers ausgeht, kann dies der Verwaltungsgerichtshof nicht teilen. Insbesondere aus dem Fahrlässigkeitsdelikt, auf das sich die belangte Behörde gestützt hat, folgt im Hinblick auf die großen Gefahren, die von alkoholisierten (und - im vorliegenden Fall - trotz ihrer Alkoholisierung darüber hinaus noch in gesetzwidriger Weise riskant fahrenden) Kraftfahrzeuglenkern ausgehen, eine derartig schwer wiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit, dass die von ihr getroffene Gefährdungsannahme berechtigt ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0282).

Soweit der Beschwerdeführer mit dem hg. Erkenntnis vom 7. August 2001, Zl. 99/18/0383, argumentiert, geht dies schon deshalb ins Leere, weil mit der dort gegenständlichen strafgerichtlichen Verurteilung - wegen anderer Delikte - lediglich eine bedingte nachgesehene Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden war.

Auch die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Freiheitsstrafe (zudem erst nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe gemäß § 46 Abs. 2 StGB) ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung. Die belangte Behörde war nämlich bei ihrer Entscheidung nicht an die Erwägungen des Gerichtes bei dieser Entscheidung gebunden, sondern hatte vielmehr - wie von ihr richtig dargelegt - die Voraussetzungen des § 36 FrG selbständig zu prüfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. März 2005, Zl. 2005/18/0050, mwN).

Weiters wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommenen Beurteilung und verweist auf seine Lebensgefährtin sowie auf seinen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich. Insgesamt würden durch das Aufenthaltsverbot diese Bindungen abgeschnitten, sodass es einen besonders schweren Einschnitt in sein Privat- und Familienleben darstelle.

Auf diese Umstände hat jedoch die belangte Behörde im Wesentlichen Bedacht genommen und ist, insbesondere im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer im Jahr 2003 neu eingegangene Lebensgemeinschaft, zum Ergebnis gelangt, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden ist. Ihre weitere Ansicht, dass angesichts der dargelegten Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit durch den weiteren inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers das Aufenthaltsverbot dringend geboten und zulässig sei, kann nicht als rechtswidrig erachtet werden.

Soweit die Beschwerde der belangten Behörde schließlich eine Verletzung des Parteiengehörs und die Unterlassung einer Erhebung des richtigen "Gesamtbildes des Beschwerdeführers" vorwirft, wird nicht dargelegt, zu welchen konkreten, für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen zusätzliche Beweisaufnahmen geführt hätten.

Dem angefochtenen Bescheid haftet somit keine Rechtswidrigkeit an, weshalb die vorliegende Beschwerde - ein Fall des § 125 Abs. 4 erster Satz Fremdenpolizeigesetz 2005 liegt nicht vor - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 18. Mai 2006

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte