VwGH 2005/20/0427

VwGH2005/20/042723.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des J (auch J ), geboren 1979, vertreten durch Mag. Wolfgang Hotter, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Enzersdorfer Straße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. Mai 2005, Zl. 256.793/0-XI/38/05, betreffend §§ 5 und 5a Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

32003R0343 Dublin-II Art18 Abs1;
32003R0343 Dublin-II Art20 Abs1 litb;
AsylG 1997 §24a Abs8 idF 2003/I/101;
32003R0343 Dublin-II Art18 Abs1;
32003R0343 Dublin-II Art20 Abs1 litb;
AsylG 1997 §24a Abs8 idF 2003/I/101;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 30. Dezember 2004 gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-Verordnung) Italien zuständig sei. Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm Abs. 4 AsylG aus dem Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 2005 gemäß "§§ 5 Abs.1 und 5a AsylG" ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

§ 24a Abs. 8 AsylG in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 lautet:

"Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringung des Antrages, dass der Asylantrag als unzulässig gemäß der §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, ist der Antrag zugelassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 geführt; Abs. 4 gilt. Die Abweisung des Asylantrages gemäß § 6 oder eine Entscheidung gemäß der §§ 7 oder 10 ersetzt die Entscheidung im Zulassungsverfahren. Satz 1 gilt nicht, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzieht und das Verfahren eingestellt oder als gegenstandslos abgelegt wird."

Diese Bestimmung ordnet in ihrem ersten Satz für die Dauer von Konsultationen nach der Dublin II-Verordnung eine Fortlaufshemmung der genannten zwanzigtägigen Entscheidungsfrist an. Demnach läuft die begonnene Frist nach dem Abschluss solcher Konsultationen weiter. Ist die Frist vor Erlassung des Zurückweisungsbescheides abgelaufen, so ist der Asylantrag kraft Gesetzes "zugelassen" und eine Unzuständigkeitsentscheidung nach § 5 AsylG kommt nicht mehr in Betracht (vgl. dazu im Einzelnen das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2005, Zl. 2005/20/0038, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Im vorliegenden Fall wurde der Asylantrag nach der Aktenlage am 29. August 2004 in der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes eingebracht (iSd § 3 Abs. 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003). Die Anfrage an die italienischen Behörden um Aufnahme des Beschwerdeführers erging am 15. September 2004. Über Ersuchen der italienischen Behörde vom nächsten Tag übermittelte das Bundesasylamt mit Begleitschreiben vom 20. September 2004 ein Fingerabdruckblatt. Zu dem Aufnahmeersuchen vom 15. September 2004 langte bis 30. Dezember 2004 beim Bundesasylamt keine inhaltliche Antwort der italienischen Behörden ein. Darauf stützte das Bundesasylamt seine dem Zurückweisungsbescheid von diesem Tag zugrunde gelegte Auffassung, die in Art. 18 Abs. 1 Dublin II-VO für die Beantwortung des Aufnahmegesuches zur Verfügung stehende Frist von zwei Monaten sei ungenützt verstrichen und die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrages und die Verpflichtung zur Aufnahme des Beschwerdeführers aufgrund der in Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO normierten Zustimmungsfiktion gegeben. Der Bescheid wurde - nach Einlangen eines die Aufnahme des Beschwerdeführers ausdrücklich ablehnenden Schreibens der italienischen Behörden am 31. Dezember 2004 - dem Beschwerdeführer am 4. Jänner 2005 zugestellt.

Im Hinblick auf diese Aktenlage ist jedenfalls evident, dass das Bundesasylamt im gegenständlichen Fall - auch unter Berücksichtigung der zuvor erwähnten Fortlaufshemmung, die hier mit dem Ablauf der nach Auffassung der Asylbehörden ungenützt verstrichenen Frist des Art. 18 Abs. 1 Dublin II-VO endete (vgl. zur Beendigung der "Konsultationen" mit Ablauf der in Art. 20 Abs. 1 lit. b Dublin II-VO normierten Frist zur Beantwortung eines Wiederaufnahmegesuches das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2005, Zl. 2005/01/0461) - nicht binnen zwanzig Tagen ab Einbringung des Asylantrages über dessen Zulässigkeit nach § 5 AsylG entschieden, das heißt den Zurückweisungsbescheid erlassen hat. Die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs gemäß § 5 Abs. 1 AsylG und die Ausweisung des Beschwerdeführers nach § 5a Abs. 1 iVm 4 AsylG war somit nicht mehr rechtmäßig. Dem hätte die belangte Behörde, die der unzutreffenden Meinung war, für die Fristwahrung genüge die Einleitung von Konsultationen innerhalb von zwanzig Tagen ab Einbringung des Asylantrages, von Amts wegen - durch ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides und Zulassung des Asylverfahrens (§ 32a Abs. 1 AsylG) - Rechnung tragen müssen (vgl. Punkt 4. der Entscheidungsgründe des erwähnten Erkenntnisses Zl. 2005/20/0038, sowie Punkte 5. und 6.1. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom selben Tag, Zl. 2005/20/0095).

Da sie dies ausgehend von einer anderen Rechtsansicht unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. November 2006

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