VwGH 2005/18/0659

VwGH2005/18/06595.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des K O in W, geboren 1974, vertreten durch Mag. Nora Huemer, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Schüttaustraße 69/46, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. August 2005, Zl. SD 1329/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §1 Z3;
AsylG 1997 §45;
BBetrG 1991 §1;
BBetrG 1991 §2 Abs1;
BBetrG 1991 idF 2003/I/101;
BBetrGNov 2004;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
GrundversorgungsG Wr 2004 §1 Abs1;
GrundversorgungsG Wr 2004 §1 Abs3 Z4;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwRallg;
AsylG 1997 §1 Z3;
AsylG 1997 §45;
BBetrG 1991 §1;
BBetrG 1991 §2 Abs1;
BBetrG 1991 idF 2003/I/101;
BBetrGNov 2004;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
GrundversorgungsG Wr 2004 §1 Abs1;
GrundversorgungsG Wr 2004 §1 Abs3 Z4;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. August 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 5. April 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag eingebracht, über den mittlerweile rechtskräftig abschlägig entschieden worden sei. Seit 18. Dezember 2004 sei der Beschwerdeführer bei Frau C K in W mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit 27. Mai 2005 halte er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Über Anfrage der Erstbehörde habe der Beschwerdeführer zu seinen Unterhaltsmitteln angegeben, monatlich EUR 290,-- Grundversorgung zu erhalten, wovon er seiner Freundin (Unterkunftgeberin) unterschiedlich hohe Beiträge zu den Mietkosten zahle.

Fest stehe, dass der Beschwerdeführer ledig sei, keine Sorgepflichten, keine Beschäftigungsbewilligung und keinen familiären Bezug zu Österreich habe. Er beziehe eine Grundversorgung von monatlich EUR 290,--.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, über Mittel zur nicht bloß kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts zu verfügen.

Diesen Nachweis habe der Beschwerdeführer aber nicht erbracht, weil er nicht aufgezeigt habe, in welchen Zeiträumen und in welchem Umfang er mit eigenen Einkünften rechnen könne und inwieweit diese gesichert seien. Bei den in Österreich herrschenden Lebensbedingungen sei es unmöglich, seinen Lebensunterhalt über einen längeren Zeitraum mit EUR 290,-- monatlich zu bestreiten. Dieser Betrag liege weit unter dem gesetzlichen Existenzminimum. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer einen Teil des ihm zur Verfügung stehenden Geldes der Unterkunftsgeberin zur Begleichung der Mietkosten überlasse.

Auf Grund der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt. Wegen der latenten Gefahr der illegalen Beschaffung von Unterhaltsmitteln sei die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Auf Grund des kurzen und zum (geringen) Teil illegalen Aufenthalts sowie der mangelnden beruflichen und familiären Bindungen im Bundesgebiet werde durch das Aufenthaltsverbot weder in das Privat- noch in das Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Aus denselben Gründen und der sich daraus ergebenden mangelnden Integration könnten auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie u.a. vorbrachte, dass das Aufenthaltsverbot über Antrag des Beschwerdeführers vom 4. Oktober 2005 mit Bescheid der Erstbehörde vom 17. November 2005, zugestellt am 25. November 2005, gemäß § 44 FrG rechtskräftig aufgehoben worden sei. Die gegenständliche Beschwerde sei am 20. November 2005 zur Post gegeben worden. Durch die danach erfolgte Aufhebung des Aufenthaltsverbots sei das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers weggefallen. "Vorsichtshalber" werde auch der Antrag gestellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4. Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 2006 führte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 25. Juni 2006 aus, dass er sich auch nach der Aufhebung des Aufenthaltsverbots durch den angefochtenen Bescheid noch beschwert erachte. Das Aufenthaltsverbot sei gemäß § 44 FrG wegen Wegfalls der Gründe für seine Verhängung aufgehoben worden. Nach dem Inhalt dieses Bescheides habe es somit bis zur Aufhebung zu Recht bestanden. Ein für einen bestimmten Zeitraum zu Recht bestandenes Aufenthaltsverbot sei aber für den Beschwerdeführer bei weiteren Antragstellungen im Zusammenhang mit seinem Status als Fremder (Arbeitserlaubnis, Verleihung der Staatsbürgerschaft) nachteilig. In diesen Verfahren müsste er damit rechnen, mit der Tatsache konfrontiert zu werden, dass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestanden habe, welches erst nach Wegfall der Gründe aufgehoben worden sei. Seine Position in derartigen Verfahren wäre wesentlich besser, wenn der Bescheid, mit welchem das Aufenthaltsverbot verhängt worden sei, durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden wäre.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst sei festgehalten, dass der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, seine Position u.a. in einem Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren werde durch ein Aufenthaltsverbot, das zu Recht bestanden habe und nur wegen Wegfalls der zu seiner Erlassung führenden Gründe aufgehoben worden sei, wesentlich verschlechtert, einen Grund aufzeigt, aus dem er durch das Aufenthaltsverbot auch nach dessen Aufhebung gemäß § 44 FrG weiterhin beschwert ist.

Die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach den verschiedenen Tatbeständen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 - StbG, BGBl. Nr. 311, hat zur Voraussetzung, dass sich der Verleihungswerber eine bestimmte Zeit rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält (z.B. § 10 Abs. 1 Z. 1, § 11a Abs. 1) oder eine bestimmte Zeit seinen Wohnsitz im Bundesgebiet hat (z.B. § 12 Abs. 1 lit. a). Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 StbG werden die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts sowie der Lauf der Wohnsitzfrist durch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot unterbrochen. Gemäß § 15 Abs. 2 leg. cit. ist eine Unterbrechung des Fristenlaufes gemäß Abs. 1 Z. 1 nicht zu beachten, wenn das Aufenthaltsverbot deshalb aufgehoben wurde, weil sich seine Erlassung in der Folge als unbegründet erwiesen hat.

Das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer wurde unstrittig nach Beschwerdeeinbringung gemäß § 44 FrG wegen Wegfalls der Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, aufgehoben. Dabei handelt es sich nicht um eine Aufhebung im Sinn des § 15 Abs. 2 StbG, weil nicht ausgesprochen wurde, dass sich bereits die Erlassung des Aufenthaltsverbots als unbegründet erwiesen hat. Aus diesem Grund wird die Fristunterbrechung gemäß § 15 Abs. 1 StbG durch das gegenständliche Aufenthaltsverbot bewirkt, wenn es nicht durch den Verwaltungsgerichtshof - mit Wirkung ex tunc - aufgehoben wird. Dies könnte dazu führen, dass dem Beschwerdeführer ohne Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof die Staatsbürgerschaft erst zu einem späteren Zeitpunkt verliehen werden könnte.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2005/18/0176 (unter Verweisung auf das Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zl. 2004/21/0083), ausgeführt, dass bei einem Fremden, dessen Asylantrag rechtskräftig abgewiesen worden ist, ein allenfalls bestehender Rechtsanspruch auf Grundversorgung nichts daran ändert, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht und die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, und auch nicht dazu führt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots der nach den gesetzlichen Wertungen gebotenen Ermessensübung widerspricht. Da dies auch für einen Fremden in der gleichen Situation, dem tatsächlich Grundversorgung gewährt wird, gilt, wird insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

3. Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass mit dem Aufenthaltsverbot auf Grund des kurzen und zum geringen Teil illegalen Aufenthalts sowie der mangelnden beruflichen und familiären Bindungen im Bundesgebiet kein Eingriff in das Privat- oder Familienleben verbunden sei und schon aus diesem Grund § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG der Erlassung dieser Maßnahme nicht entgegen stehe.

Der Beschwerdeführer hat über Anfrage der Erstbehörde mit Schreiben vom 7. Juni 2005 bekannt gegeben, seit knapp einem Jahr bei seiner österreichischen Freundin zu leben. Aus einer im Akt erliegenden E-Mail-Nachricht vom 14. Juni 2005 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer beabsichtigt, in Österreich zu heiraten. (Die tatsächlich erfolgte Heirat am 22. August 2005, dem Tag der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch Zustellung an den Beschwerdeführer, wurde der belangten Behörde laut Aktenlage erst am darauffolgenden Tag mitgeteilt.)

Unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer von mehr als einem Jahr und vier Monaten und der aktenkundigen Beziehung zu einer Österreicherin, bei der der Beschwerdeführer wohnt und die er zu heiraten beabsichtigt, teilt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot mit keinem Eingriff in das Privat- oder Familienleben verbunden ist, nicht.

Die belangte Behörde hat daher in Verkennung der Rechtslage keine Interessenabwägung nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG durchgeführt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei Durchführung einer derartigen Abwägung unter Berücksichtigung auch der aktenkundigen Beziehung zu der österreichischen Staatsbürgerin zu einem anderen - für den Beschwerdeführer günstigen - Ergebnis gelangt wäre.

4. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 5. September 2006

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