VwGH 2005/11/0196

VwGH2005/11/019621.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Klaus-Dieter Strobach, Dr. Wolfgang Schmidauer und Mag. Renate Aigner, Rechtsanwälte in 4710 Grieskirchen, Stadtplatz 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. September 2005, Zl. UVS-FSG/31/6962/2005, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7;
SMG 1997 §28 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7;
SMG 1997 §28 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Oktober 2004 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) in Verkehr gesetzt, und zwar 1. im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit einer anderen namentlich genannten Person im März 2004, indem sie insgesamt 50 Gramm Kokain in "Straßenqualität", welches sie zuvor mit Milchzucker auf 100 Gramm Kokain gestreckt hatten, an einen näher genannten Abnehmer um EUR 3.000,-- verkauften; 2. der Beschwerdeführer allein, indem er im Zeitraum August 1999 bis Juni 2004 insgesamt zwischen 800 und 900 Ecstasy-Tabletten, 800 bis 900 Gramm Speed (Amphetamine), 900 Gramm Cannabiskraut und weitere 20 bis 50 Gramm Kokain (über die zum Punkt 1 genannte Tat hinaus) befreundeten Suchtgiftkonsumenten gewinnbringend verkaufte; ferner habe der Beschwerdeführer Suchtgift zum Eigenkonsum erworben und besessen, und zwar von Ende 1998 bis 28. Juni 2004 nicht mehr konkret feststellbare Mengen an Ecstasy, Speed, Cannabiskraut und Kokain. Der Beschwerdeführer habe hiedurch zu 1. und 2. das Verbrechen nach dem § 28 Abs. 2 SMG und ferner das Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG begangen, weshalb über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten - unbedingt - verhängt wurde.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. Mai 2005 wurde die dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 3 FSG für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von 24 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, ohne Einrechnung von Haftzeiten, entzogen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer für denselben Zeitraum gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten. Einer eventuellen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Entziehungszeit bzw. das Lenkverbot mit 7. Juli 2005 beginne.

In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, auf Grund der am 19. Oktober 2004 in Rechtskraft erwachsenen strafgerichtlichen Verurteilung sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die dem Strafurteil zu Grunde liegenden Tathandlungen begangen habe. Das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 SMG bilde jedenfalls eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 11 FSG. Hinsichtlich der gemäß § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung sei auf die besondere Verwerflichkeit und Gefährlichkeit des In-Verkehr-Setzens größerer Suchtgiftmengen hinzuweisen, zumal diese Art und Menge geeignet gewesen sei, eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Die Verwerflichkeit werde noch dadurch unterstrichen, dass der Beschwerdeführer die im Urteil angeführten Suchtgiftmengen über einen Zeitraum von rund fünf Jahren gewinnbringend verkauft und daraus einen wirtschaftlichen Vorteil gezogen habe. Da seit Abschluss der strafbaren Handlungen (Juni 2004) noch keine lange Zeit verstrichen sei, wobei noch weiter zu berücksichtigen sei, dass ein Strafverfahren und das Entziehungsverfahren anhängig gewesen seien, komme dem Wohlverhalten des Beschwerdeführers keine entscheidende Bedeutung zu. Es sei daher die von der Erstbehörde festgesetzte Frist von 24 Monaten als erforderlich anzusehen, da frühestens nach Ablauf dieser Bewährungsfrist aus einem bis dahin gezeigten Wohlverhalten auf eine entsprechende Änderung der Sinnesart geschlossen werden könne, wobei die Verbüßung von Haftzeiten einen diesbezüglichen Schluss nicht zuließe und daher diese Zeiten aus der Fristsetzung auszunehmen seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die hier maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes

lauten (auszugsweise):

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

...

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

eine strafbare Handlung gemäß den §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, ...

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. ...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten zu setzen. ..."

Im Hinblick auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG hatte die belangte Behörde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Taten in der im Spruch des Strafurteiles dargestellten Weise begangen hat. Zutreffend hat die belangte Behörde somit angenommen, dass eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 FSG vorliegt. Deren Wertung ergibt wegen der im Beschwerdefall vorliegenden Umstände, nämlich des In-Verkehr-Setzens einer großen Menge von Suchtgift, darunter auch so genannter "harte Drogen", des Inkaufnehmens, dass die Gesundheit zahlreicher Menschen gefährdet wird, und der Begehung der Tathandlungen über einen längeren Zeitraum, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 20. Mai 2005 jedenfalls verkehrsunzuverlässig war. Es kann auch nicht der im angefochtenen Bescheid erkennbar zum Ausdruck gebrachten Auffassung der belangten Behörde entgegen getreten werden, dass im Hinblick auf die Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten seine Verkehrsunzuverlässigkeit auch noch über den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hinaus, welcher am 3. Oktober 2005 zugestellt wurde, somit für mehr als 15 Monate nach der letzten Tathandlung, andauerte.

Dennoch ist die Beschwerde begründet. Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, dass der Beschwerdeführer für 24 Monate ab dem 7. Juli 2005 als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei, wobei die Dauer von Haftzeiten nicht einzurechnen sei. Nun hat es der Verwaltungsgerichtshof zwar auch im Geltungsbereich des FSG nicht für unzulässig erachtet, Entziehungszeiten unter Nichteinrechnung von Haftzeiten festzusetzen, dies aber nur dann, wenn es über das Wohlverhalten während der Haft hinaus noch eines weiteren Wohlverhaltens bedarf, um die Verkehrszuverlässigkeit zu erweisen. Haftzeiten sind in diesem Zusammenhang auch bei Delikten nach dem SMG keineswegs ohne Bedeutung, sondern in die Prognose über den Zeitpunkt des Wiedererlangens der Verkehrszuverlässigkeit einzubeziehen, insbesondere weil die Strafe - neben anderen Zwecken - auch spezialpräventiven Zwecken dient (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2003/11/0189, mwH). Indem die belangte Behörde eine Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für 24 Monate ab dem 7. Juli 2005 unter Nichteinrechnung von Haftzeiten aussprach, hat sie - unter Bedachtnahme auf das Ende des Tatzeitraumes im Juni 2004 - implizit zum Ausdruck gebracht, dass sie den Beschwerdeführer für insgesamt rund 56 Monate als verkehrsunzuverlässig erachtet. Diese Prognose ist jedoch ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es eines derartig langen, durch die Haftzeit verlängerten Zeitraumes des Wohlverhaltens bedürfte, ohne die von einer Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit nicht gesprochen werden könnte, nach den oben genannten Darlegungen verfehlt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. März 2006

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