Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, reiste am 30. Mai 2003 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 4. Juni 2003 Asyl.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. Oktober 2003 wurde dieser Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Somalia gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Das Bundesasylamt verfügte am 19. November 2003 gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) die Zustellung dieses Bescheides durch Hinterlegung bei der Behörde im Akt.
Der Beschwerdeführer erhob am 26. Jänner 2004 Berufung (und stellte gleichzeitig einen Wiedereinsetzungsantrag).
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers vom 26. Jänner 2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. Oktober 2003 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde (zusammengefasst) aus, dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit zur Stellungnahme zu der ihm vorgehaltenen Verspätung seiner Berufung gegeben worden. Er habe daraufhin mit Schriftsatz vom 14. Juni 2004 vorgebracht, dass er sich im Zeitpunkt der Hinterlegung am 19. November 2003 in Norwegen aufgehalten habe; das Bundesasylamt (Grundsatz- und Dublinabteilung) habe seiner Rückübernahme am 14. Oktober 2003 zugestimmt; da sein Aufenthaltsort (in Norwegen) dem Bundesasylamt bekannt gewesen sei, liege keine rechtswirksame Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vor.
Ungeachtet dessen - so die belangte Behörde - liege eine rechtswirksame Zustellung vor. Die erstinstanzliche Behörde habe nämlich vor der Hinterlegung in das ZMR (Zentrales Melderegister) Einsicht genommen; dabei habe keine aufrechte Meldeadresse erhoben werden können. Die Außenstelle Linz des Bundesasylamtes habe am 19. November 2003 davon, dass der Beschwerdeführer sich in Norwegen aufhalte und die Grundsatz- und Dublinabteilung am 14. Oktober 2003 seiner Rückübernahme aus Norwegen zugestimmt habe, keine Kenntnis gehabt; das diesbezügliche Schriftsatzkonvolut sei erst am 11. Dezember 2003 der Außenstelle Traiskirchen des Bundesasylamtes und am 17. Dezember 2003 der Außenstelle Linz des Bundesasylamtes übermittelt worden. Aus der Zustimmungserklärung vom 14. Oktober 2003 ergebe sich im Übrigen nicht der genaue Aufenthaltsort des Beschwerdeführers. Da der erstinstanzliche Bescheid somit am 19. November 2003 rechtswirksam zugestellt worden sei, habe die zweiwöchige Rechtsmittelfrist an diesem Tag zu laufen begonnen; sie habe am 3. Dezember 2003 geendet. Die erst am 26. Jänner 2004 erhobene Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 8 ZustG lautet:
"Änderung der Abgabestelle
§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer während des beim Bundesasylamt anhängigen Asylverfahrens die Abgabestelle änderte, eine (geänderte) Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG dem Bundesasylamt aber nicht mitteilte.
Die Folgen der Unterlassung der Mitteilungspflicht regelt Abs. 2 des § 8 ZustG. Die Behörde ist demnach erst dann berechtigt, eine Hinterlegung (ohne vorausgehenden Zustellversuch) zu verfügen, falls eine Abgabestelle der Partei nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Hinterlegung hat die Wirkung einer (rechtmäßigen) Zustellung nur dann, wenn der Behörde keine andere Abgabestelle bekannt ist und sie vor Anordnung dieser besonderen Zustellung eine geänderte oder andere (vorher unbekannte) Abgabestelle der Partei nicht "ohne Schwierigkeiten" feststellen kann.
Im Beschwerdefall gelangte die belangte Behörde zu der Beurteilung, die verfügte Zustellung nach § 8 Abs. 2 ZustG sei rechtmäßig bzw. der erstinstanzliche Bescheid sei am 19. November 2003 rechtswirksam zugestellt worden, weil sie ausschließlich auf die Kenntnis der Außenstelle Linz des Bundesasylamtes abstellte. Dabei hat die belangte Behörde jedoch verkannt, dass das gemäß § 37 Abs. 1 AsylG als Asylbehörde erster Instanz eingerichtete Bundesasylamt auch zuständige Behörde für den Informationsaustausch mit jenen Staaten ist, mit denen ein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages abgeschlossen wurde oder die Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 anwendbar ist. Zufolge § 37 Abs. 2 AsylG ist das Bundesasylamt eine monokratische Bundesbehörde mit dem Sitz in Wien. Die Einrichtung von Außenstellen (§ 37 Abs. 4 leg. cit.) bzw. einer Grundsatz- und Dublinabteilung stellt eine innere Gliederung der Behörde dar, die daran aber nichts ändert, dass das Bundesasylamt nach außen eine einheitliche Behörde ist und ihre Dienststellen die der Behörde zukommenden Aufgaben im Rahmen des monokratischen Systems besorgen. Die vom Beschwerdeführer (im Rahmen seiner Stellungnahme zu der ihm vorgehaltenen Verspätung seiner Berufung) vorgebrachte Zustimmung und Kenntnis der Grundsatz- und Dublinabteilung des Bundesasylamtes von seiner Rückübernahme aus Norwegen war - auch wenn davon die Außenstelle Linz erst später Kenntnis erlangte - ein Vorgang, dessen Kenntnis dem Bundesasylamt zuzurechnen ist und zu berücksichtigen war.
Davon ausgehend war - wie das Schreiben seiner Grundsatz- und Dublinabteilung vom 14. Oktober 2003 zeigt - dem Bundesasylamt bekannt, dass der Beschwerdeführer sich in Norwegen aufhält.
Das Bundesasylamt hätte durch Anfrage bei den norwegischen Behörden die Abgabestelle des Beschwerdeführers in Norwegen feststellen können (und müssen). Dass eine derartige Anfrage mit "Schwierigkeiten" verbunden gewesen wäre, oder die norwegischen Behörden eine Auskunft über den Aufenthalt des Beschwerdeführers abgelehnt hätten, ist nicht erkennbar.
Die Beurteilung der belangten Behörde, der erstinstanzliche Bescheid sei am 19. November 2003 durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG wirksam zugestellt worden, erweist sich daher als rechtswidrig. Die Berufung wurde - mangels einer rechtswirksamen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides - daher nicht verspätet erhoben.
Nach dem Vorgesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 14. Dezember 2006
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)