VwGH 2003/15/0080

VwGH2003/15/008030.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. Erich Hirt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 5/28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 4. Juli 2003, GZ. RV/0664- W/03, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9 und 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten einer näher umschriebenen GmbH in Anspruch genommen und zwar hinsichtlich Umsatzsteuer Juli 2000 samt Säumniszuschlag, Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe für die Monate Juli und August 2000 samt Säumniszuschlag sowie für Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für die Monate Juli und August 2000 samt Säumniszuschlägen.

Der Beschwerdeführer sei vom 19. Mai bis 3. Oktober 2000 Geschäftsführer der GmbH gewesen. Die GmbH sei im Baunebengewerbe und als Personalleasingfirma tätig gewesen. Sie übe keine Tätigkeit mehr aus, die Geschäftsleitung sei nicht auffindbar. Vermögenswerte seien nicht bekannt. Die Uneinbringlichkeit der in Rede stehenden Abgaben sei gegeben.

Es sei Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Anzeige wegen des Verdachtes eines Finanzvergehens sei zurückgelegt worden, sei zu erwidern, dass weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens noch die Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung, noch ein freisprechendes Urteil des Strafgerichts eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 BAO bewirken könne. Die Haftung sei aber bei den lohnabhängigen Abgaben auf die Zeiträume Juli und August bzw. bei der Umsatzsteuer auf den Voranmeldungszeitraum Juli 2000 einzuschränken und die entsprechenden Säumniszuschläge zu adaptieren gewesen.

Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO mit der bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Behauptung, er habe mit der operativen Geschäftsführung nichts zu tun gehabt. Er habe ausschließlich seinen Treuhandauftrag erfüllt. Er habe weder die Möglichkeit gehabt, die "liquiden Mittel bereit zu stellen", noch habe er wissen können, wie "viel liquide Mittel überhaupt bereit zu stellen gewesen wären". Von einer schuldhaften Pflichtverletzung könne daher nicht ausgegangen werden. Wenn die belangte Behörde ihrer Verpflichtung zur Stoffsammlung nachgekommen wäre, hätte sie feststellen können, dass er in seiner Eigenschaft als Treuhänder für den geschäftsführenden Gesellschafter nur untergeordnete Büroarbeiten ausgeführt habe und weder über den Umfang noch über die genaue Tätigkeit des Unternehmens informiert gewesen sei. Seine Bemühungen, in die Geschäftsgebarung Einblick zu nehmen bzw. einen zur Vertretung befugten Wirtschaftstreuhänder für die Abgabenberechnung zu bestellen, seien vom tatsächlichen Machthaber des Unternehmens von vornherein abgeschmettert worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zu den im § 80 Abs. 1 BAO genannten "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen" gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (vgl. Ritz, BAO3, § 80 Tz 1).

Dass der Beschwerdeführer in dem festgestellten Zeitraum Geschäftsführer der abgabepflichtigen GmbH war, ist unstrittig. Für das Verschulden im Sinne der zitierten abgabenrechtlichen Vorschriften ist nicht maßgeblich, ob der Geschäftsführer seine Funktion tatsächlich ausgeübt hat, sondern ob er als Geschäftsführer bestellt war und ihm daher die Ausübung der Funktion oblegen wäre. Der vertretungsbefugte und im Rahmen dieser Vertretungsmacht haftungspflichtige Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung - sei es auf Grund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es auf Grund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen - anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch entweder der rechtlichen und/oder faktischen Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Abgaben zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichts- und Kontrollabgaben in Bezug auf die Entrichtung der Abgaben nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt, oder die nicht eingeschränkte Kontrollmöglichkeit nicht in ausreichender und effektiver Weise wahrnimmt. Dass der Geschäftsführer hinsichtlich der ihm zustehenden Möglichkeiten einem Rechtsirrtum unterlegen ist, kann ihn im Hinblick darauf, dass er mit der Übernahme der Geschäftsführung auch verhalten war, sich mit den ihm zustehenden Rechten und Pflichten entsprechend vertraut zu machen, nicht entschuldigen. Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung kommt es nicht an (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 2004, 2003/14/0097, und vom 19. Jänner 2005, 2001/13/0168, sowie Ritz, a. a.O., § 9 Tz 15 und Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 2/527, 2/552).

Das Einverständnis, nur formell bzw. nur auf dem Papier als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stellt - wie gerade der Beschwerdefall deutlich zeigt - die oben umschriebene Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar. Die Auffassung des Beschwerdeführers, weil er keinen Einfluss auf die operative Tätigkeit der Gesellschaft ausgeübt habe, sei er von seiner Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten befreit, ist verfehlt. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ist das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und war in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. März 2006

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