VwGH 2003/09/0104

VwGH2003/09/01044.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der P in G, vertreten durch Dr. Jörg Tiroch, Rechtsanwalt in 8720 Knittelfeld, Frauengasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 22. Jänner 2003, Zl. Senat-MD-00-164, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

VStG §16 Abs1;
VStG §16 Abs2;
VStG §16;
VStG §19;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VStG §16 Abs1;
VStG §16 Abs2;
VStG §16;
VStG §19;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über die Strafe sowie in seinem Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Jänner 2003 wurde die Beschwerdeführerin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für schuldig erkannt, sie habe es zu verantworten, dass von ihrem Unternehmen zwei näher genannte ungarische Staatsangehörige vom 16. bis 27. Juli 2000 beschäftigt worden seien, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verletzt, weshalb über sie wegen dieser Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zu zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils ATS 25.000,-- verhängt wurden. Für den Fall der Uneinbringlichkeit wurden Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 14 Tagen festgesetzt und ihr ein Beitrag zu den Verfahrenskosten auferlegt.

Zur mündlichen Verhandlung, die am 22. Jänner 2003 vor der belangten Behörde durchgeführt wurde, waren trotz ordnungsgemäßer Ladung jedenfalls des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin weder diese noch ihr ausgewiesener Vertreter erschienen.

Die belangte Behörde legte nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens folgenden Sachverhalt zu Grunde:

"Die Beschuldigte war zum Tatzeitpunkt Gewerbeinhaberin eines Anmeldungsgewerbes mit Sitz in M., und wurde das Unternehmen als nicht protokollierte Einzelfirma geführt. Die Zeugin N. war zum Tatzeitpunkt im Unternehmen der Berufungswerberin angestellt. Die Berufungswerberin führte ihr Unternehmen unter der Bezeichnung H. Am 27.07.2000, um 15.00 Uhr, verrichtete ein Beamter des Gendarmeriepostens V, RI P., Verkehrsüberwachungsdienst in V, in der L-Straße, und hielt die beiden ungarischen Staatsangehörigen,

L. als Lenker des LKW mit dem behördlichen Kennzeichen ... sowie

M. als Lenker des LKW mit dem behördlichen Kennzeichen ... zu

einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle an. Beide Fahrzeuge hatten Gartengeräte sowie Baumschnitt und Rasenreste geladen. Die beiden ungarischen Staatsangehörigen L. und M. zeigten RI P. je einen ungarischen Führerschein und gaben diesem gegenüber an, bei der Firma H. als Gartenarbeiter beschäftigt zu sein. Dies bereits seit 16.07.2000. Für jede geleistete Arbeitsstunde würden sie ATS 80,-- ausbezahlt bekommen. RI P. nahm die beiden ungarischen Staatsangehörigen fest, wurde vom Journaldienst der Bezirkshauptmannschaft M deren vorläufige Verwahrung angeordnet und wurden diese am 28.07.2002, um 8.00 Uhr, der BH M als zuständige Verwaltungsbehörde vorgeführt. Über die beiden ungarischen Staatsangehörigen wurde jeweils ein Aufenthaltsverbot von drei Jahren verhängt, und wurde diesen aufgetragen, noch am 28.07.2000 das Bundesgebiet zu verlassen, welchem Auftrag beide nachkamen. Die beiden Ungarn legten anlässlich der Anhaltung dem Gendarmeriebeamten Visitenkarten des Unternehmens H. vor und wurden diese von der Berufungswerberin ab 16.07.2000 bis zum Zeitpunkt der Betretung, dem 27.07.2000, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden war, beschäftigt." (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof)

Die Sachverhaltsfeststellungen gründeten sich im Wesentlichen auf die glaubwürdige Aussage der Zeugin N., welche in der mündlichen Verhandlung unter Wahrheitserinnerung befragt angegeben habe, dass die beiden ungarischen Staatsangehörigen mit Kenntnis der Beschwerdeführerin in deren Betrieb beschäftigt worden wären. Die Zeugin N. hätte damals de facto den Betrieb geleitet und hätte den beiden Ungarn die Arbeiten zugewiesen; die Beschwerdeführerin hätte sich zu dieser Zeit in Ungarn befunden, wäre jedoch in Kenntnis davon gewesen, dass in ihrem Betrieb ungarische Arbeitnehmer illegal beschäftigt worden wären. Diese wären weiters im Betriebsobjekt der Beschwerdeführerin einquartiert gewesen und hätten einen Stundenlohn von ATS 75,-- bis ATS 80,-- erhalten. Die Mitarbeiteraufnahme und -kündigung sei nicht in den Bereich der Zeugin gefallen, auch seien die Ausländer angewiesen worden, für den Fall einer Kontrolle anzugeben, dass sie nur Sperrmüll für ihre Tätigkeit erhalten würden. Die Verantwortung der Beschwerdeführerin, sie hätte die beiden ungarischen Staatsangehörigen nicht beschäftigt und von deren Beschäftigung bzw. Tätigkeit im Betrieb auch keine Kenntnis gehabt, sei durch die Aussage der Zeugin eindeutig widerlegt.

Hinsichtlich der beantragten zeugenschaftlichen Einvernahme der beiden Ausländer sei auszuführen, dass diese zum Zeitpunkt der Abhaltung der mündlichen Berufungsverhandlung keine ladungsfähige Anschrift im Inland mehr gehabt hätten und eine Ladung unter Zwangsfolgen (im Sinne des § 19 AVG) in Ermangelung eines Rechtshilfeabkommens mit Ungarn als nicht aussichtsreich erachtet worden sei.

In subjektiver Hinsicht sei der Beschwerdeführerin "vorsätzliches Verschulden" anzulasten. In Kenntnis des Umstandes, dass in Österreich Ausländer nur bei Vorliegen einer arbeitsmarktrechtlichen Genehmigung beschäftigt werden dürften, hätte sie die beiden Ausländer ohne Vorliegen einer derartigen Bewilligung beschäftigt und somit in Kauf genommen, den in Rede stehenden Tatbestand zu begehen. Der Schuldberufung sei somit keine Folge zu geben gewesen.

Die belangte Behörde legte der Geldstrafe ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.300,-- zu Grunde, die Beschwerdeführerin habe keine Sorgepflichten zu tragen und besitze kein Vermögen. Hinsichtlich der Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin im Tatzeitpunkt eine einschlägige Vorstrafe aufgewiesen habe. Strafmildernd sei kein Umstand, als straferschwerend die vorsätzliche Tatbegehung zu werten gewesen. Die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte unter Abfassung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl. 895/1995 (AuslBG), begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 leg. cit. einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafen von 10 000 S bis zu 60 000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 20 000 S bis zu 120 000 S, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 20 000 S bis zu 120 000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 40 000 S bis zu 240 000 S.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie zum Tatzeitpunkt Inhaberin des Unternehmens H. und somit zu dessen Vertretung nach außen befugt war. Auch behauptet sie nicht, dass zum Tatzeitpunkt ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 3 VStG zur Tragung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bestellt war. Sie gehört als Inhaberin des Unternehmens solange dem nach § 9 Abs. 1 VStG verantwortlichen Personenkreis an, als nicht eine andere Person im Sinne des § 9 Abs. 3 VStG (vgl. auch § 28a Abs. 3 AuslBG) zur verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde. Dass eine derartige Bestellung erfolgt sei, wird auch in der Beschwerde nicht vorgebracht. Selbst wenn N. - wie in der Beschwerde behauptet - "Prokuristin" des Unternehmens der Beschwerdeführerin gewesen sein sollte, fehlte es für den Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit auf N. immer noch an der in § 9 Abs. 4 VStG geforderten "nachweislichen Bestellung" zur verantwortlichen Beauftragten. Die Prokura allein bewirkt nämlich noch nicht den Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0206, und vom 18. Oktober 2000, Zl. 98/09/0114).

Insoweit die Beschwerdeführerin ihr mangelndes Verschulden ins Treffen führt, steht dem die Feststellung der belangten Behörde gegenüber, dass sie von der Beschäftigung der beiden Ausländer gewusst hat, die belangte Behörde geht insofern von einem zumindest bedingten Vorsatz der Beschwerdeführerin aus. Diese Beurteilung kann der Verwaltungsgerichtshof nicht rechtswidrig finden. Sie beruht auf einer Sachverhaltsgrundlage, die in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen ist, nämlich auf der als glaubwürdig befundenen Zeugenaussage der N. in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde. Dem hat die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde Stichhaltiges entgegen gesetzt.

Der Rüge der Beschwerdeführerin, sie sei in ihrem subjektiven Recht auf materielle Wahrheiterforschung dadurch verletzt worden, dass ihr das Verhandlungsprotokoll der in ihrer Abwesenheit durchgeführten mündlichen Verhandlung nicht zugesandt worden sei, ist zu entgegnen, dass nach der - im Grunde des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden - Bestimmung des § 14 Abs. 6 AVG den beigezogenen Personen eine Ausfertigung der Niederschrift nur auf deren Verlangen auszufolgen ist.

Die Beschwerdeführerin wurde - ebenso wie ihr Rechtsbeistand -

zur mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde geladen, beide sind dieser unentschuldigt ferngeblieben. Auch dem Beschwerdevorbringen ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Dass seitens der Beschwerdeführerin oder ihres Rechtsvertreters ein Antrag auf Ausfertigung einer Protokollabschrift gestellt wurde, wird weder in der Beschwerde behauptet, noch geht dies aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten hervor. Ein Anspruch darauf, dass bei der Verhandlung nicht anwesenden Parteien das Verhandlungsprotokoll zugestellt werden muss, besteht aber nicht. Schon aus diesem Grund ist die Beschwerdeführerin wegen Unterlassung der Übermittlung einer Protokollabschrift nicht in Rechten verletzt worden, zumal nach der Aktenlage der angefochtene Bescheid dem § 51h Abs. 4 zweiter Satz VStG zufolge am Schluss der öffentlichen mündlichen Verhandlung verkündet worden und daher insofern subjektive Rechtskraft eingetreten ist.

Der angefochtene Bescheid ist aber im Umfang der Strafbemessung als rechtswidrig zu erkennen. Gemäß § 16 Abs. 2 VStG darf die Ersatzfreiheitsstrafe nämlich das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde somit bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe in zwei Fällen mit jeweils 14 Tagen die Höchststrafe verhängt. Dies steht sowohl in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der von der belangen Behörde festgesetzten Geldstrafen, die im unteren Bereich des von 20.000 S bis 120.000 S reichenden Strafrahmen des zweiten Strafsatzes des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG angesetzt wurde. Auch ist der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe begründungslos geblieben. Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid insoferne mit Rechtswidrigkeit behaftet, weil dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür jedenfalls eine (sachliche) Begründung erforderlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, Zl. 91/18/0217, und die weitere von Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze II, 2. Auflage 2000, zu § 16 VStG unter E 14 ff angeführte hg. Rechtsprechung). Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch nach der hg. Rechtsprechung zur Gänze aufzuheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1993, Zl. 92/09/0307).

Daher war der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch über die Strafe sowie in seinem Kostenausspruch wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG und die Beschwerde im Übrigen - hinsichtlich des Schuldspruches - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 4. September 2006

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