Normen
ASVG §357 Abs1;
AVG §6;
AVG §66 Abs4;
GSVG 1978 §194;
GSVG 1978 §195;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §357 Abs1;
AVG §6;
AVG §66 Abs4;
GSVG 1978 §194;
GSVG 1978 §195;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 14. Februar 2003 hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt durch ihre Landesstelle Wien gemäß § 410 ASVG i.V.m. § 194 GSVG festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1998 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterliege. Begründend führte die Sozialversicherungsanstalt aus, dass in den ihr gemäß § 229a GSVG von den Abgabenbehörden übermittelten Einkommensteuerbescheiden des Beschwerdeführers für die Jahre 1998 und 1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von S 791.620,-- bzw. S 399.417,-- ausgewiesen seien. Der Einkommensteuerbescheid 2000 weise Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von umgerechnet EUR 10.070,57 aus. In der Versicherungserklärung vom 21. März 2002 habe der Beschwerdeführer erklärt, "die selbstständige Tätigkeit in Form einer Bauaufsicht und Projektmanagement alternierend auszuüben" und mit den daraus erzielten Einkünften in den Jahren 2000, 2001 und 2002 die Versicherungsgrenze zu übersteigen. Es liege weder ein Pensionsbezug noch ein anderes Dienstverhältnis vor und es komme daher die Versicherungsgrenze in Höhe von S 88.800,-- zur Anwendung. Durch die jährliche Beitragsgrundlage würde in den Jahren 1998, 1999 und 2000 die Versicherungsgrenze überschritten. Der Beschwerdeführer habe die rückwirkende (bescheidmäßige) Feststellung der Pflichtversicherung im Zeitraum vom 1. Jänner 1998 bis zum 20. März 2002, dem Tag vor der Ausfüllung der Versicherungserklärung, begehrt. Aus dem vom Finanzamt verwendeten Branchenkennzeichen sei zu entnehmen, dass es sich um Einkünfte aus dem Betrieb eines Ingenieurbüros handle. Bei dieser Tätigkeit handle es sich um eine selbständige betriebliche Tätigkeit, die die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG begründe. Da der Beschwerdeführer in der Versicherungserklärung angegeben habe, die Tätigkeit "in Form einer Bauaufsicht und Projektmanagement" auszuüben, sei auch davon auszugehen, dass es sich auch in den Jahren 1998, 1999 und 2000 um die selbe Erwerbstätigkeit gehandelt habe.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch macht der Beschwerdeführer geltend, dass gemäß einem Schreiben der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt die Pflichtversicherung erst ab dem 21. März 2002 "in Kraft getreten" sei.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer damit auf die von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt übermittelte Versicherungsbestätigung Bezug nahm, in der festgehalten wurde, dass der Leistungsanspruch in der Krankenversicherung erst ab dem 21. März 2002 beginne, da der Versicherte seiner Meldepflicht nicht rechtzeitig nachgekommen sei.
Gegen den seinen Einspruch abweisenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien erhob der Beschwerdeführer eine als Einspruch bezeichnete Berufung an die belangte Behörde, in der er ausdrücklich festhält, dass er zu keinem Zeitpunkt die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung angezweifelt habe, jedoch "nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach Einspruch für rückwirkenden Begleichung von Krankenversicherungsbeiträgen" erhebt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Jänner 1998 bis 21. März 2001 gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung unterlag.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde des Versicherten mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erklärte, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen, und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt erstattete eine Äußerung mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass der angefochtene Bescheid "formell fehlerhaft" sei, da gemäß § 195 Abs. 6 Z. 1 lit. b GSVG für die Feststellung der Versicherungspflicht des Beschwerdeführers in der Sozialversicherung nach dem GSVG die Landesstelle Niederösterreich der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft mit Sitz in Baden bei Wien zuständig gewesen wäre, sodass auch für die Entscheidung über den Einspruch des Beschwerdeführers der Landeshauptmann von Niederösterreich berufen gewesen wäre. Die belangte Behörde hätte daher "sowohl den Erstbescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft als auch den Einspruchsbescheid des Landeshauptmannes für Wien mangels Zuständigkeit der bescheiderlassenden Rechtsträger (ersatzlos) beheben müssen."
2. § 195 GSVG in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2002 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Haupt-, Landes- und Außenstellen
§ 195. (1) Die Verwaltung des Versicherungsträgers ist durch die Hauptstelle, durch Landesstellen nach Maßgabe der Abs. 3, 5, 6 und 7 und, soweit dies nach Abs. 4 vorgesehen ist, durch Außenstellen zu führen.
(2) Die Hauptstelle ist am Sitz des Versicherungsträgers eingerichtet. Die Hauptstelle hat die Verwaltung des Versicherungsträgers zu führen, soweit nicht einzelne Aufgaben durch Gesetz den Landesstellen zugewiesen sind.
(3) Der Versicherungsträger führt die Verwaltung durch Landesstellen in Wien für das Land Wien, in Linz für das Land Oberösterreich, in Salzburg für das Land Salzburg, in Innsbruck für das Land Tirol, in Feldkirch für das Land Vorarlberg, in Klagenfurt für das Land Kärnten, in Graz für das Land Steiermark und in Eisenstadt für das Land Burgenland. Die Landesstelle für das Land Niederösterreich ist nach Maßgabe des Abs. 6 in Wien und in Baden bei Wien eingerichtet.
(4) ...
(5) Die Landesstellen haben unbeschadet des Abs. 6 für den Bereich ihres Sprengels folgende Aufgaben zu besorgen:
- 1. Entgegennahme der Meldungen;
- 2. Standesführung und Kontrolle der Versicherten und Leistungsempfänger;
3. Feststellung der Versicherungspflicht und der Versicherungsberechtigung;
...
(6) Die Landesstelle für Niederösterreich hat an ihrem Sitz in Baden bei Wien für den Bereich ihres Sprengels folgende Aufgaben zu besorgen:
1. im Bereich der Kranken- und Pensionsversicherung
- a) Standesführung der Versicherten;
- b) Feststellung der Versicherungspflicht und der Versicherungsberechtigung;
c) Mitwirkung an der Vorschreibung, Einhebung und Eintreibung der Beiträge;
...
Die Besorgung aller übrigen den Landesstellen gemäß Abs. 5 zustehenden Aufgaben hat die Landesstelle für Niederösterreich an ihrem Sitz in Wien vorzunehmen.
(7) Die örtliche Zuständigkeit der Landesstelle richtet sich nach dem Standort des Betriebes bzw. in Ermangelung eines solchen nach dem Wohnsitz des Versicherten.
..."
3. Der Beschwerdeführer hat als Wohn- und Betriebsanschrift in seiner Versicherungserklärung eine Anschrift in M, sohin im Bundesland Niederösterreich, angegeben. Aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer über einen Betriebsstandort oder Wohnsitz im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Landesstelle Wien der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt verfügt hätte; insbesondere wurde der gesamte Schriftverkehr an die vom Beschwerdeführer angegebene Anschrift in M gerichtet und es wurde dort auch auf Grund eines Rückstandsausweises der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt eine gerichtliche Pfändung vorgenommen.
4. Gemäß § 6 AVG, der gemäß § 194 GSVG i.V.m. § 357 Abs. 1 ASVG (mit einer hier nicht in Betracht kommenden Einschränkung) auch im Verfahren vor dem mitbeteiligten Sozialversicherungsträger anzuwenden ist, hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Auch wenn der Beschwerdeführer die Versicherungserklärung bei der Landesstelle Wien der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt abgegeben hat, wäre diese angesichts der angegebenen Wohn- und Betriebsanschrift in Niederösterreich verpflichtet gewesen, die Versicherungserklärung bzw. das spätere Begehren auf bescheidmäßige Feststellung der Versicherungspflicht an die zuständige Landesstelle für Niederösterreich weiterzuleiten.
Da somit die als erstinstanzliche Behörde einschreitende Landesstelle Wien der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt zur Entscheidung über die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers nicht zuständig war, hätte die Einspruchsbehörde diese dem erstinstanzlichen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit bei der Entscheidung über den Einspruch von Amts wegen aufgreifen und den erstinstanzlichen Bescheid im Umfang der Anfechtung ersatzlos beheben müssen. Da die Einspruchsbehörde dies nicht getan hat, wäre es auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers an der belangten Behörde gelegen, in Stattgebung der Berufung den Einspruchsbescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahin abzuändern, dass der erstinstanzliche Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt ersatzlos behoben wird. Indem die belangte Behörde in Verkennung des Fehlens der örtlichen Zuständigkeit der Erstbehörde nicht mit ersatzloser Aufhebung vorgegangen ist, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. September 1990, Slg. Nr. 13267/A, 1.3- 1.4, amtl. Slg. S. 705 ff; und vom 30. Mai 2001, Zl. 98/21/0511, sowie die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. Aufl., E 220 zu § 66 AVG, zitierte hg. Rechtsprechung). Das Vorbringen der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt in ihrer Äußerung zur Beschwerde, wonach im Falle einer Bescheiderlassung durch eine örtlich unzuständige Behörde das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dann nicht verletzt ist, wenn in höherer Instanz die örtlich und sachlich zuständige Behörde im gleichen Vollzugsbereich einschreitet, verkennt, dass Verfahrensgegenstand vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht eine allfällige Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf den gesetzlichen Richter ist.
5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das auf den Ersatz der Pauschalgebühr gerichtete Kostenbegehren war wegen der auch im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Gebührenbefreiung gemäß § 46 GSVG abzuweisen.
Wien, am 24. Jänner 2006
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