Normen
EStG 1988 §22;
EStG 1988 §23;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
EStG 1988 §22;
EStG 1988 §23;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Mitbeteiligte "auf Grund seiner Forschungstätigkeit im Rahmen eines APART-Stipendiums ab dem 1.7.1999 nicht der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterliegt".
Nach Darlegung des Verfahrensganges sowie der Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG sowie des § 22 EStG 1988 stellt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides fest, dass der Mitbeteiligte wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Forschungsinstitut in Dresden sei. Er habe ab 1. Juli 1999 für drei Jahre ein APART-Stipendium in Höhe von S 620.000,-- jährlich für die Vorbereitung seiner Habilitation bezogen. Während der drei Jahre des Stipendiums sei er von seinem Dienstverhältnis am Forschungsinstitut karenziert, die Karenzierung ende "mit Ablauf des Studiums" (gemeint: Stipendiums). Die Forschungsvorhaben würden zu 50 % in Deutschland am Forschungsinstitut in Dresden und zu 50 % in Wien an einem näher genannten Universitätsinstitut durchgeführt. Während der gesamten Dauer seines Stipendiums sei der Mitbeteiligte freiwillig kranken- und unfallversichert; sein Wohnsitz sei in Wien.
In der rechtlichen Beurteilung gibt die belangte Behörde zunächst auszugsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 2003, Zl. 2001/08/0104, wieder und führt danach aus, dass - anders als in dem Sachverhalt, der dem eben zitierten Erkenntnis zu Grunde lag - eine Karenzierung des Mitbeteiligten nicht auf Grund eines Dienstverhältnisses als Universitätslehrer in Österreich erfolgt sei, sondern auf Grund eines Dienstverhältnisses in Deutschland. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei jedoch "analog anzuwenden", die "Karenzierung in Deutschland" beende nicht das Dienstverhältnis zur Universität. Die Forschungstätigkeit im Rahmen des Stipendiums sei daher im Rahmen der Dienstverpflichtung als Universitätslehrer erfolgt, das Dienstverhältnis bleibe für die Dauer der Karenzierung aufrecht. Eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG liege daher nicht vor.
Gemäß "Art. 13c" (offenbar gemeint: Art. 13 Abs. 2 lit. d) der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, unterlägen Beamte und ihnen gleich gestellte Personen den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Behörde sie beschäftigt seien. Im Lichte des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes erfolge die Forschungstätigkeit im Rahmen des Stipendiums daher im Rahmen der Dienstverpflichtung als Universitätslehrer in Deutschland. Das Dienstverhältnis bleibe somit für die Dauer der Karenzierung aufrecht. Daher sei auch "Art. 13c" der Verordnung Nr. 1408/71 anzuwenden, weshalb für den konkreten Sachverhalt die österreichische Sozialversicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG nicht gegeben sei, sondern die Rechtsvorschriften Deutschlands anzuwenden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde und erklärte, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen. Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der mit dem ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139/1997, (das unter Art. 8 die 22. Novelle zum GSVG enthält) und der 23. Novelle zum gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. I Nr. 139/1998, eingefügte, am 1. Jänner 1998 in Kraft getretene (§ 273 Abs. 1 Z. 1 GSVG bzw. § 276 Abs. 1 Z. 5 leg. cit.) § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG (mit Ausnahme des hier nicht in Betracht kommenden, mit 1. Jänner 2000 außer Kraft getretenen letzten Satzes) lautet wie folgt:
"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:
4. selbstständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z. 5 oder Z. 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen."
2. Die beschwerdeführende Partei rügt, dass die belangte Behörde keinerlei Feststellungen dazu getroffen habe, dass auf Grund der Tätigkeit des Mitbeteiligten am Forschungsinstitut in der Bundesrepublik Deutschland Versicherungsschutz für den Zeitraum der Forschungstätigkeit bestanden habe.
Ob auf Grund der zu beurteilenden Tätigkeit bereits Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist, ist für die Beurteilung der Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG jedoch nur dann relevant, wenn die Grundtatbestände - eine selbständige Erwerbstätigkeit sowie auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG 1988 - erfüllt sind.
Die beschwerdeführende Partei verkennt mit ihrem Vorbringen, dass die belangte Behörde das Vorliegen der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG nicht auf Grund einer aus der selbständigen Erwerbstätigkeit des Mitbeteiligten resultierenden Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz (bzw. allenfalls nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland) verneint, sondern dass sie vielmehr eine unselbständige Erwerbstätigkeit des Mitbeteiligten angenommen hat.
Die belangte Behörde ist unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2003, Zl. 2001/08/0104, davon ausgegangen, dass auch nach dem hier maßgeblichen Sachverhalt für die Dauer des Stipendienbezugs ein Dienstverhältnis des Mitbeteiligten zu einer Universität bestand, aus dem trotz einer "Karenzierung" weiterhin Leistungspflichten des Mitbeteiligten gegenüber dem Dienstgeber aufrecht blieben; so hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich festgestellt, dass die Forschungstätigkeit des Mitbeteiligten im Rahmen des APART-Stipendiums "im Rahmen der Dienstverpflichtung als Universitätslehrer" erfolgt sei. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass die belangte Behörde von einem fortbestehenden Dienstverhältnis des Mitbeteiligten zur (deutschen) Universität ausgegangen ist, bei dem der Dienstgeber den Mitbeteiligten auf Leistungen Dritter - im konkreten Fall auf das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gewährte Stipendium - an Stelle des Entgelts verwiesen hat.
Handelt es sich bei den Einkünften aus dem Stipendium somit aber um Vorteile aus dem Dienstverhältnis, so kann vom Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Voraussetzung für die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG nicht gesprochen werden. Dass die Einkünfte aus dem Stipendium tatsächlich von den Finanzbehörden als solche aus betrieblichen Tätigkeiten im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) beurteilt worden wären, hat weder die als Erstbehörde - die beschwerdeführende Partei hat als erstinstanzliche Behörde überhaupt kein Ermittlungsverfahren geführt - noch die Einspruchsbehörde oder die belangte Behörde festgestellt. Diesbezügliche Bescheide der Finanzbehörden sind den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen (zur Maßgeblichkeit eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides im Hinblick auf das Vorliegen der in § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG genannten Einkünfte vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/08/0231). Auch aus dem von der beschwerdeführenden Partei zitierten Erlass des Bundesministers für Finanzen vom 29. März 1996 (AÖF 1996/64), wonach bei Vorliegen von Einkünften aus Stipendien von mehr als S 88.000,-- jährlich vom Vorliegen einer Erwerbstätigkeit auszugehen ist, kann nicht abgeleitet werden, dass es sich dabei zwingend um Einkünfte aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG handeln müsste. Vielmehr hält dieser Erlass im Zusammenhang mit Stipendien, die (wie im vorliegenden Fall) nach Abschluss einer Hochschul- oder Universitätsausbildung ausgezahlt werden, fest, dass "immer von einem Erwerbseinkommen (Einkünfte aus selbständiger Arbeit) bzw. im Falle einer nichtselbständigen Tätigkeit von Einkünften oder Vorteilen aus einem Dienstverhältnis auszugehen" ist. Auch nach dem ausdrücklich die steuerliche Behandlung von APART-Stipendien betreffenden Erlass des Bundesministers für Finanzen vom 8. März 1995 (ARD 4646/28/95) liegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit nur vor, wenn die Forschungstätigkeit nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt wird.
3. Der beschwerdeführenden Partei ist jedoch einzuräumen, dass die Feststellungen der belangten Behörde über das Dienstverhältnis des Mitbeteiligten und insbesondere über das Weiterbestehen seiner Dienstpflichten gegenüber der Universität nicht auf einem mängelfreien Ermittlungsverfahren beruhen. Der angefochtene Bescheid lässt insbesondere nicht erkennen, worauf die Feststellung, die Forschungstätigkeit des Mitbeteiligten sei im Rahmen seiner Dienstverpflichtung als Universitätslehrer erfolgt, beruht, zumal in diesem Punkt auch der pauschale Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 2003, Zl. 2001/08/0104, schon deshalb nicht ausreicht, da - anders als im dort zu beurteilenden Beschwerdefall - im vorliegenden Fall unstrittig kein durch österreichische Rechtsnormen inhaltlich bestimmtes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis vorlag. Den Akten des Verwaltungsverfahrens ist auch nicht zu entnehmen, dass Ermittlungen zum Dienstverhältnis des Mitbeteiligten (etwa durch Aufforderung an den Mitbeteiligten zur Vorlage des Dienstvertrages, durch Einvernahme des Mitbeteiligten oder Einholung von Auskünften des Dienstgebers) bzw. zur konkreten Art seiner Erwerbstätigkeit geführt worden wären.
4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 24. Jänner 2006
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