VwGH 2003/06/0035

VwGH2003/06/003528.2.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde 1. der B T, 2. des W T, 3. der A H und 4. des H H, alle in A, sämtliche vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in 5550 Radtstadt, Schernbergstraße 19, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 10. Jänner 2003, Zl. 1/02-37.233/20- 2003, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde A und 2. M S in A), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
BauPolG Slbg 1973 §9 Abs1;
BauPolG Slbg 1997 §9;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §66 Abs2;
BauPolG Slbg 1973 §9 Abs1;
BauPolG Slbg 1997 §9;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2002, Zl. 2000/06/0181, zu entnehmen.

Daraus ist festzuhalten, dass die Zweitmitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerberin) Eigentümerin eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde, die Beschwerdeführer Miteigentümer eines angrenzenden Grundstückes sind. Der Bauwerberin wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau zum 8. August 1996 eine Baubewilligung für die Errichtung eines Gebäudes mit dem Verwendungszweck "Fitnesscenter" erteilt. Nachdem im Zug einer baubehördlichen Überprüfung des Baufortschritts eine nicht nur geringfügige Abweichung vom Inhalt der Baubewilligung festgestellt worden war, beantragte die Bauwerberin am 28. Juni 1999 die baubehördliche Bewilligung für die Änderung der nordostseitigen Front des Gebäudes; diese wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 23. März 2000 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Baubehörde erster Instanz ging dabei davon aus, im nunmehr geänderten Projekt sei die Ausführung der Gauben in geänderter Form derart vorgesehen, dass diese sowohl in Firstals auch in Traufenhöhe niedriger ausgeführt werden als im bereits bewilligten Projekt. Sowohl im bewilligten als auch im nunmehr geänderten Projekt stelle der Gaubenteil gegenüber dem Traufenbereich des Vordaches einen untergeordneten Bereich dar. Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. September 2000 als unbegründet abgewiesen. Über Beschwerde der (damaligen wie nunmehrigen) Beschwerdeführer wurde mit dem eingangs genannten Erkenntnis vom 20. Juni 2002 die Berufungsentscheidung vom 18. September 2000 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben, weil die Dachgauben im Sinne des § 33 Abs. 4 Z. 1 ROG nicht als "untergeordnete Bauteile" angesehen werden könnten. Sie wären somit bei der Abstandsberechnung zu berücksichtigen gewesen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Jänner 2003 wurde ohne erkennbare weitere Verfahrensschritte der Berufungsbescheid vom 23. März 2000 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen. Dies wurde damit begründet, dass auf Grund des nach wie vor aufrechten Antrages der Bauwerberin vom 28. Juni 1999 in Umsetzung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 20. Juni 2002 die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau im fortzusetzenden Verfahren eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen haben werde, "worin die Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 BGG, welche in ihrer Gesamtheit kumulativ vorliegen müssen, zu prüfen sind".

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde dann, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

Da bereits ein erstinstanzlicher Baubewilligungsbescheid ergangen ist (den die Beschwerdeführer bekämpft haben), sind die Beschwerdeführer berechtigt, ein Recht auf Sachentscheidung durch die Berufungsbehörde aus dem Blickwinkel geltend zu machen, dass die Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG zu Unrecht erfolgt sei (vgl.

das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2005, Zl. 2004/06/0203).

Zu prüfen ist daher, ob die Voraussetzungen für eine solche

Vorgangsweise durch die Berufungsbehörde gegeben war:

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat - außer dem in Abs. 2 erwähnten

Fall - die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau hat der Bauwerberin die baubehördliche Bewilligung für die Änderung der nordostseitigen Front des Gebäudes auf Grund des Antrages vom 28. Juni 1999 erteilt. Über die dagegen erhobene Berufung hatte die belangte Behörde in Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (§ 63 VwGG) gemäß § 66 Abs. 4 AVG "in der Sache selbst" zu entscheiden. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle war aber allein die Frage, ob durch die geplante Änderung der gesetzliche Mindestabstand eingehalten wird (dies wurde vom Verwaltungsgerichtshof - wie dargestellt - verneint).

§ 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz - BGG ermächtigt die für die Baubewilligung zuständige Behörde lediglich dazu, die "Ausnahme ... mit der Baubewilligung" zu verbinden, enthält aber dafür keine Verpflichtung. Dies bedeutet, dass ein Ansuchen um Baubewilligung, dem § 25 Abs. 3 leg. cit. über die Mindestabstände entgegensteht, abzuweisen ist, solange eine durch eigenen Bescheid zuzulassende Ausnahme gemäß § 25 Abs. 8 leg. cit. nicht vorliegt. Aus dieser Sicht war daher für eine Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG kein Raum (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1994, Zl. 91/06/0103).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Februar 2006

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