VwGH 2005/07/0162

VwGH2005/07/016222.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, in der Beschwerdesache des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 11. Oktober 2005, Zl. Senat-MB-02-0030, betreffend Maßnahmenbeschwerde (mitbeteiligte Partei: H-Ges.m.b.H. in E), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §67b Z2;
AVG §67c Abs4;
AVG §79a;
AVG §8;
AWG 1990 §33 Abs1;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §67b Z2;
AVG §67c Abs4;
AVG §79a;
AVG §8;
AWG 1990 §33 Abs1;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Die H-Ges.m.b.H. brachte beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (UVS) gegen die am 26. September 2002 von Organen des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft in ihrer genehmigten Betriebsanlage (Kompostieranlage) durchgeführte Kontrolle eine auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützte Beschwerde ein.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 11. Oktober 2005 traf der UVS unter Spruchabschnitt I folgende Feststellungen:

"Die Beschwerdeführerin H-Gesellschaft m.b.H. ist dadurch, dass am 26.9.2002 durch Organe des BMLFUW eine Kontrolle in ihrem Betrieb nach der Kompostverordnung sowie nach der EU-Verbringungsverordnung durchgeführt wurde

a) durch die Anordnung, Material zu entfernen, in ihrem gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter,

b) durch die Anordnung, dass nichts mehr verkauft werden dürfe, in ihrem gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter,

c) durch die erfolgte Probenahme durch Ing. P in ihrem gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter sowie in ihrem gemäß Art. 5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums

verletzt worden."

Der angefochtene Bescheid enthält außer diesen Feststellungen auch noch eine Zurückweisung und eine Abweisung von Beschwerdepunkten und den Ausspruch, dass die Beschwerde der mitbeteiligten Partei, soweit sie sich auf die Verwendung personenbezogener Daten bezieht, an die Datenschutzkommission weitergeleitet wird (Spruchabschnitt II).

Die Spruchabschnitte III und IV. schließlich enthalten Kostenaussprüche.

Begründet hat die belangte Behörde ihre Entscheidung, soweit sie in der Feststellung einer Rechtsverletzung besteht, damit, der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft sei zur Durchführung der in Beschwerde gezogenen Kontrollen nach den abfallwirtschaftsrechtlichen Vorschriften nicht zuständig gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 B-VG gestützte Beschwerde.

Der beschwerdeführende Bundesminister erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem "Recht gemäß § 75 Abs. 5 AWG 2002 (zum Zeitpunkt der Kontrolle: § 33 Abs. 1 AWG 1990) verletzt, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen gemäß §§ 66 ff AWG 2002 (zum Zeitpunkt der Kontrolle: § 36 AWG 1990) Kontrollen durchzuführen." Ebenso erachtet er sich in seinem Recht, gemäß Art. 30 EG-Abfallverbringungsverordnung, 93/259/EWG, Kontrollen durchzuführen", verletzt.

Beantragt wird die Aufhebung der Spruchabschnitte I und III

des angefochtenen Bescheides.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Art 131 Abs. 1 und 2 B-VG lautet:

"(1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:

1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges;

2. in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 sowie in jenen Angelegenheiten, in denen dem Bescheid eines Landes- oder Bezirksschulrates ein kollegialer Beschluss zugrunde liegt, der zuständige Bundesminister, soweit die Parteien den Bescheid im Instanzenzug nicht mehr anfechten können;

3. in den Angelegenheiten des Art. 15 Abs. 5 erster Satz die zuständige Landesregierung gegen Bescheide des zuständigen Bundesministers.

(2) Unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als den in Abs. 1 angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind, wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt."

Im Beschwerdefall liegt keiner der Fälle des Art. 131 B-VG vor.

Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG regelt die Parteibeschwerde. Sie ist nur zulässig, wenn die beschwerdeführende Partei durch den Bescheid in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 2003, 2002/07/0076).

Der beschwerdeführende Bundesminister beruft sich auf ein ihm nach § 75 Abs. 5 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 bzw. nach § 33 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 eingeräumtes Recht.

Das AWG 2002 stand zum Zeitpunkt der Durchführung der Kontrolle (26. September 2002) noch nicht in Geltung; § 75 Abs. 5 AWG 2002 ist daher für den Beschwerdefall ohne Bedeutung.

§ 33 Abs. 1 AWG 1990 lautete:

"Kontrollbefugnisse

§ 33. (1) Soweit dies zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes erforderlich ist, sind

1. die mit der Vollziehung betrauten Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten,

2. Organe der öffentlichen Aufsicht im Rahmen ihrer Befugnisse gemäß § 40,

3. Zollorgane im Rahmen ihrer Befugnisse gemäß § 40a und die von diesen herangezogenen Sachverständigen befugt,

Grundstücke und Gebäude zu betreten und zu besichtigen, Transportmittel anzuhalten, Behältnisse und Transportmittel zu öffnen und zu besichtigen sowie Kontrollen vorzunehmen. Allenfalls abgenommene zollamtliche Nämlichkeitszeichen sind durch entsprechende amtliche Nämlichkeitszeichen zu ersetzen. Der Eigentümer der Liegenschaft bzw. der Betriebsinhaber oder der Vertreter dieser Personen ist spätestens beim Betreten der Liegenschaft oder des Betriebes nach Tunlichkeit zu verständigen. Ist Gefahr im Verzug und ist weder der Eigentümer der Liegenschaft noch der Betriebsinhaber oder der Vertreter dieser Personen erreichbar, so genügt die nachträgliche Verständigung."

§ 33 Abs. 1 AWG 1990 regelt behördliche Befugnisse, nicht aber subjektive Rechte. Dem Bundesminister sind durch diese Bestimmung keine subjektiven Rechte eingeräumt.

Subjektive Rechte des beschwerdeführenden Bundesministers könnten sich aus § 67b Z. 2 AVG ergeben. § 67b Z. 2 AVG bestimmt, dass Partei des Verfahrens über Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auch die belangte Behörde ist.

Belangte Behörde vor dem UVS war der beschwerdeführende Bundesminister. Er war daher im Verfahren vor der belangten Behörde Partei.

Zwar vermittelt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Begründung einer Parteistellung durch Gesetz nicht ohne weiteres die Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof. Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kommt es darauf an, ob die Partei durch den Bescheid in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein kann. Die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte stellen aber subjektive öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung die Organpartei in einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG geltend machen kann. (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 2003, 2002/07/0076, u.a.).

Dass die ihm durch § 67b Z. 2 AVG als belangte Behörde im Verfahren vor dem UVS eingeräumten prozessualen Rechte nicht gewahrt worden seien, behauptet der beschwerdeführende Bundesminister nicht.

Ein Fall des Art. 131 Abs. 1 Z. 2 oder 3 B-VG liegt auch nicht vor.

Schließlich sehen weder das AWG 1990 noch das AWG 2002 eine Befugnis des Bundesministers gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG vor, Beschwerde gegen Bescheide des UVS an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Die Beschwerde gegen die im Spruchabschnitt I des angefochtenen Bescheides getroffenen Feststellungen erweist sich daher als unzulässig.

Der beschwerdeführende Bundesminister beantragt auch die Aufhebung des Spruchabschnittes III des angefochtenen Bescheides, mit welchem dem Bund ein Kostenersatz nach § 79a AVG an die mitbeteiligte Partei auferlegt wurde.

Dem durch eine Kostenentscheidung gemäß § 79a AVG verpflichteten Rechtsträger steht das Recht zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zu, weil er durch eine auf die zitierte Bestimmung gestützte Entscheidung über die Kosten in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein kann. Die Rechtsordnung räumt diesem Rechtsträger allerdings kein subjektives Recht ein, dass die von der im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangten Behörde gesetzte Maßnahme nicht für rechtswidrig erklärt werde. Im Rahmen der Beschwerde des Rechtsträgers über die Kostenentscheidung ist daher die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Rechtswidrigkeit der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht zu prüfen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1995, 93/03/0093, VwSlgNF 14.217/A).

Gegen die Kostenentscheidung des UVS kann daher nur der zum Kostenersatz verpflichtete Rechtsträger, nicht aber die vor dem UVS belangte Behörde Beschwerde erheben, wobei sich eine solche Beschwerde nicht auf die Behauptung stützen kann, der UVS habe zu Unrecht die Rechtswidrigkeit der Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt festgestellt.

Als beschwerdeführende Partei tritt aber im vorliegenden Fall nicht der Bund als zum Kostenersatz verpflichteter Rechtsträger, sondern ausschließlich der zu einer solchen Beschwerdeführung nicht legitimierte Bundesminister in seiner Eigenschaft als Behörde auf. Der Bezeichnung der beschwerdeführenden Partei in der Beschwerde ist kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass der beschwerdeführende Bundesminister nicht (nur) in seiner Eigenschaft als (vor dem UVS belangte) Behörde, sondern auch als Vertreter des zur Kostentragung verpflichteten Bundes auftritt. Aber auch die Formulierung des Beschwerdepunktes und die Ausführungen in der Beschwerde lassen eine Deutung dahin, dass die Beschwerde (auch) im Namen des Bundes als des zur Kostentragung verpflichteten Rechtsträgers erhoben werde, nicht zu.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Beschwerde auch bei einer Zurechnung (auch) an den Bund als zum Kostenersatz verpflichteten Rechtsträger kein Erfolg beschieden sein könnte, weil mangels entsprechender Ausführungen in der Beschwerde eine Rechtswidrigkeit der Kostenentscheidung nicht erkennbar ist.

Da sich die Beschwerde somit als unzulässig erweist, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2005

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