VwGH 2004/18/0152

VwGH2004/18/015230.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D, (geboren 1975), vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. April 2004, Zl. SD 309/03, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. April 2004 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, vom 6. Juni 2002 auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots vom 22. Juli 1998 gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei erstmals zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Österreich eingereist und habe sich am 23. November 1995 in Wien behördlich angemeldet.

Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 20. Juli 1998 sei der Beschwerdeführer gemäß §§ 83 Abs. 1, 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Der Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 15. Dezember 1993 mit einem Mittäter eine andere Person mit den Händen und einem nicht näher feststellbaren stangen- oder rohrförmigen Gegenstand geschlagen hätte, wodurch das Opfer eine etwa sieben cm lange Rissquetschwunde über dem linken Auge sowie multiple Prellungen, Blutergüsse und Hautabschürfungen am ganzen Körper erlitten habe. Außerdem sei der Beschwerdeführer für schuldig gesprochen worden, zwischen 21. Dezember 1997 und 2. Juni 1998 in zumindest zwei Angriffen bei seiner Einreise nach Österreich einen mittels Lichtbildaustauschs verfälschten kroatischen Reisepass (lautend auf eine andere Person) zur Erlangung eines Visums gebraucht zu haben.

Gegen den Beschwerdeführer sei daraufhin mit Bescheid der Erstbehörde vom 22. Juli 1998 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren wegen unrichtiger Angaben über seine Person gegenüber einer österreichischen Behörde bzw. ihren Organen sowie wegen seiner Mittellosigkeit rechtskräftig erlassen worden.

Der Beschwerdeführer sei in weiterer Folge am 24. Juli 1998 in sein Heimatland abgeschoben worden. Am 6. Mai 1999 sei er neuerlich nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. Juli 1999 rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Danach sei der Beschwerdeführer im Bundesgebiet untergetaucht und habe sich gegenüber Exekutivorganen auch als Milan P, geboren 1982, ausgegeben. Schließlich habe der Beschwerdeführer am 15. Oktober 2003 in Mödling eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet.

Den vorliegenden Antrag habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit begründet, dass seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots nunmehr fast vier Jahre vergangen wären. In der Zeit hätte sich seine "Gesinnung" gewandelt und er hätte das Unrecht seiner Tat bzw. seiner illegalen Einreise nach Österreich eingesehen. Im Bundesgebiet lebten darüber hinaus seine Mutter und zwei Geschwister, sodass er hier über enge familiäre Bindungen verfügen würde. Darüber hinaus wäre er nunmehr mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet.

Ausgehend von der Rechtslage nach § 44 FrG sei zunächst festzuhalten, dass am Gewicht der nach § 36 Abs. 1 (bzw. § 48 Abs. 1) FrG für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots sprechenden öffentlichen Interessen keine relevante Änderung zugunsten des Beschwerdeführers eingetreten sei. Dies umso weniger, als dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbots wohl verhalten, schon deshalb keine Berechtigung zukomme, weil im Fall eines befristeten Aufenthaltsverbots davon auszugehen sei, dass die Behörde das Wohlverhalten des Fremden während der Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme vorausgesetzt habe. Im Übrigen könne von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers ohnehin nicht gesprochen werden, sei er doch unbestrittenermaßen trotz des bestehenden Aufenthaltsverbots in das Bundesgebiet zurückgekehrt. Damit habe er aber die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zukomme, in gravierender Weise beeinträchtigt.

Zwar sei dem Beschwerdeführer darin beizupflichten, dass er auf Grund seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin per se nicht mehr als mittellos anzusehen sei, entgegen seiner Rechtsauffassung komme diesem Umstand aber insgesamt kein entscheidendes Gewicht zu. Das Familienleben eines Fremden mit einem österreichischen Staatsbürger genieße nur dann erhöhten Schutz, wenn die familiäre Beziehung zu einem Zeitpunkt begründet worden sei, als der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei. Dies treffe im Beschwerdefall nicht zu. Wie oben dargelegt, sei der Beschwerdeführer trotz des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbots in das Bundesgebiet einreist und habe während seines unrechtmäßigen Aufenthalts die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots nach wie vor zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele als dringend geboten und auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Der Beschwerdeführer habe keine besonderen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände darzulegen vermocht, sodass dass Aufenthaltsverbot auch nicht im Rahmen des der Behörde bei der Beurteilung nach § 44 FrG zukommenden Ermessens habe aufgehoben werden können.

Da sich sohin seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots die dafür maßgebenden Umstände nicht zugunsten des Beschwerdeführers geändert hätten, somit die Voraussetzungen des § 44 FrG nicht vorlägen, sei der Antrag zu Recht abgewiesen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen und gegen die Aufhebung des Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots im Grund der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist. Bei einem Fremden, der seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots die Stellung eines EWR-Bürgers oder eines begünstigten Drittstaatsangehörigen erlangt hat, ist bei der Gefährlichkeitsprognose zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots nur im Grund des § 48 Abs. 1 FrG zulässig ist. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2001, Zl. 2000/18/0041.) Für den Beschwerdeführer, der am 15. Oktober 2003 eine Frau geheiratet hat, der vor Erlassung des angefochtenen Bescheides die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden ist, gelten gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige, somit auch § 48 Abs. 1 leg.cit.

2. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, das dem in Rede stehenden gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbot vom 22. Juli 1998 zugrunde lag, bestand (unstrittig) darin, dass er (im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG unrichtige Angaben über seine Person gegenüber einer österreichischen Behörde bzw. ihren Organen zur Erlangung eines Visums machte, und dass er (im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG) außerdem den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte.

Die belangte Behörde ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Mittellosigkeit des Beschwerdeführers angesichts seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht mehr vorliegen würde. Angesichts dieser Ehe mit einer Österreicherin ist allerdings auch nicht mehr zu befürchten, dass der Beschwerdeführer unrichtige Angaben über seine Person zur Erlangung eines Visums machen werde. Weiters vermag das vom Beschwerdeführer nach der Erlassung des besagten Aufenthaltsverbots gesetzte Fehlverhalten, dass er sich entgegen dem Aufenthaltsverbot wieder in Österreich aufhielt und sich hier gegenüber Exekutivorganen auch als Milan P ausgab, für sich genommen nicht die Annahme zu tragen, dass im Grund des § 44 iVm § 48 Abs. 1 FrG die Aufrechterhaltung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbots erforderlich sei. Dies hat die belangte Behörde verkannt.

3. Schon deshalb ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. Juni 2005

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