Normen
ABGB §140;
AuslBG §1 Abs2 litl idF 2003/I/133;
AuslBG §3 Abs8 idF 2002/I/126;
ABGB §140;
AuslBG §1 Abs2 litl idF 2003/I/133;
AuslBG §3 Abs8 idF 2002/I/126;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien vom 1. März 2004 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 3. Februar 2004 auf Ausstellung einer Bestätigung über die Zugehörigkeit zum Personenkreis nach § 1 Abs. 2 lit. l des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gemäß § 3 Abs. 8 leg. cit. mit der Begründung abgewiesen, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Adoptivmutter der Beschwerdeführerin, einer 1975 geborenen Staatsangehörigen von Bulgarien, bis 17. Oktober 2003 Notstandshilfe in der Höhe von täglich EUR 21,27 und seitdem Krankengeld in der gleichen Höhe beziehe und dieses Einkommen keinesfalls für die Befriedigung der Lebensbedürfnisse von zwei Personen ausreiche.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie ausführte, die von der Behörde erster Instanz vertretene Rechtsmeinung treffe nicht zu. Unterhalt beinhalte die Deckung der Grundbedürfnisse wie Wohnen, Ernährung, Bekleidung. Durch die Möglichkeit, unentgeltlich in der Wohnung ihrer Adoptivmutter zu wohnen und mit ihr mitzuessen, sei bereits ein wesentlicher Teil ihres Unterhaltes abgedeckt. Auch liege das derzeitige Einkommen ihrer Adoptivmutter mit EUR 659,37 monatlich über dem Sozialhilferichtsatz für eine Person.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 1 Abs. 2 lit. l und § 3 Abs. 8 AuslBG keine Folge.
Nach Darstellung der Rechtslage und des bisherigen Verfahrensganges führte die belangte Behörde begründend aus, die gemeinsame Wohnsitznahme mit der Adoptivmutter sei keinesfalls als ausreichend für eine Unterhaltsgewährung anzusehen. "Alleine" die materielle Zurverfügungstellung des Wohnraumes reiche nicht aus, um die Lebensbedürfnisse der Beschwerdeführerin zu befriedigen. Für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs. 2 lit. l AuslB müsse nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durch den österreichischen Elternteil eine fortgesetzte und regelmäßige Unterhaltsgewährung erfolgen, die es ermögliche, den wesentlichen Teil des Lebensunterhaltes zu decken. Um dieser Bedingung zu entsprechen, müsse gewährleistet sei, dass sich der österreichische Staatsbürger auf Grund seiner persönlichen Verhältnisse in der Lage befinde, dem Angehörigen Unterhalt im erforderlichen Ausmaß zu leisten. Dahingehend müsse er nachweislich materielle und monetäre Leistungen erbringen, die den Unterhalt des Kindes sicherten. Durch die unveränderte finanzielle Lage der Adoptivmutter der Beschwerdeführerin, die Krankengeld mit einem Tagsatz von EUR 21,27 beziehe, was monatlich EUR 637,10 entspreche, sei dieses Erfordernis nicht als zutreffend zu erachten. Da sohin die Adoptivmutter der Beschwerdeführerin auf Grund ihrer persönlichen Verhältnisse dieser keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung des wesentlichen Lebensunterhaltes zuwenden könne, sei der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG nicht gegeben. Weiters müsse der Unterhalt durch den österreichischen Elternteil in Regelmäßigkeit und Permanenz gewährt werden, um die Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG zu begründen. Nach getroffenen Erhebungen beziehe die Adoptivmutter der Beschwerdeführerin seit dem 25. April 1996 mit kurzfristigen Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bzw. Krankengeld, wodurch auch keine kontinuierliche Unterhaltsgewährung durch sie offenkundig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 8 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes BGBl. Nr. 218/1975 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 ist Familienangehörigen gemäß § 1 Abs. 2 lit. l leg. cit. auf deren Antrag von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Bestätigung auszustellen, dass sie vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen sind.
Gemäß § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden auf EWR-Bürger, drittstaatsangehörige Ehegatten eines österreichischen Staatsbürgers oder eines anderen EWR-Bürgers sowie drittstaatangehörige Kinder eines österreichischen Staatsbürgers oder eines anderen EWR-Bürgers (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder), die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der österreichische Staatsbürger bzw. der EWR-Bürger Unterhalt gewährt, sofern der Ehegatte bzw. das Kind zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind (Fassung BGBl. I Nr. 133/2003).
Die Beschwerdeführerin ist Adoptivtochter einer österreichischen Staatsbürgerin und zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Sie hat das 21. Lebensjahr überschritten.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2000, Zl. 98/09/0338, vom 17. November 2004, Zl. 2003/09/0105 und das Erkenntnis vom selben Tag Zl. 2003/09/0102) kommt es bei Beurteilung des Vorliegens des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG auf die tatsächliche Unterhaltsgewährung an, wobei als Untergrenze für eine ausreichende Unterhaltsgewährung im Sinne dieser Bestimmung eine "fortgesetzte und regelmäßige Leistung in einem Umfang zu verlangen ist, der es ermöglicht, den wesentlichen Teil des Lebensunterhaltes zu decken". In diesem Zusammenhang wurde auch darauf verwiesen, dass der Ausgleichszulagenrichtsatz nur als Anhaltspunkt, nicht aber als bindende Grenze für diese in jedem Einzelfall zu treffende Beurteilung sein kann. Vielmehr ist auf die tatsächliche Situation jedes Einzelfalles abzustellen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1998, Zl. 98/09/0048 und das darin zitierte Urteil des EuGH vom 18. Juni 1987 in der Rechtssache CPAS Courcelles/Lebon, C-316/85 , Slg. 1987, 2832, Rnr. 22). Dieser Judikatur lagen aber regelmäßig Sachverhalte zugrunde, in denen das Unterhalt genießende ausländische (Adoptiv-)Kind nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem österreichischen Elternteil lebte, sein Anspruch daher grundsätzlich ein Geldanspruch war, der zur Bedeckung der primären Bedürfnisse des (Adoptiv-) Kindes diente (vgl. etwa die den hg. Erkenntnissen vom 17. November 2004, Zl. 2003/09/0102 und Zl. 2003/09/0105, zugrunde liegenden Beschwerdefälle).
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass die volljährige Beschwerdeführerin mit ihrer Adoptivmutter in einem gemeinsamen Haushalt lebt. In diesem Falle ist der Unterhaltsanspruch im Sinne des § 140 ABGB grundsätzlich auf Naturalunterhalt gerichtet (vgl. dazu die in Dittrich-Tades, ABGB, 36. Auflg. zu § 140 E 102ff zitierte Judikatur des OGH). Der Anspruch auf Naturalunterhalt verwandelt sich in einen Unterhaltsanspruch in Geld erst im Falle des Auszugs des volljährigen Kindes aus dem gemeinsamen Haushalt oder bei Unterhaltsverletzungen. Liegt ein gemeinsamer Haushalt des Unterhaltsberechtigten mit dem Unterhaltspflichtigen vor, so kann dieser einen wesentlichen Anteil zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des (Adoptiv-) Kindes durch die Beistellung von Unterkunft und Verpflegung erbringen.
Die Behörde hat eine tatsächliche Naturalunterhaltsleistung der Adoptivmutter der Beschwerdeführerin an diese durch Beistellung der Unterkunft und Verpflegung auch nicht, wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde meint, in Abrede gestellt, sondern lediglich darüber hinaus die Meinung vertreten, infolge des geringen Einkommens der Adoptivmutter der Beschwerdeführerin und infolge des zeitweilig unterbrochenen Bezuges der Sozialhilfeleistungen sei diese außer Stande, einen wesentlichen Teil der Lebensbedürfnisse der Beschwerdeführerin zu decken. Insoweit die Beschwerdeausführungen sich daher auch gegen die Nichtanerkennung der Verpflegsleistungen durch die Adoptivmutter der Beschwerdeführerin richten, gehen sie ins Leere.
Dennoch sind der belangten Behörde insoweit Verfahrensmängel unterlaufen, weil sie der Beschwerdeführerin zu der von ihr getroffenen und ihrer rechtlichen Beurteilung auch zugrunde gelegten Feststellung, der Bezug der Leistungen der Adoptivmutter der Beschwerdeführerin aus der Arbeitslosenversicherung sei unterbrochen gewesen, kein Parteiengehör eingeräumt hat.
Ein weiterer wesentlicher Verfahrensmangel ist darin zu sehen, dass die belangte Behörde die konkreten Verhältnisse im Beschwerdefall nicht festgestellt hat. Um die Feststellung zu treffen, das Einkommen der Adoptivmutter der Beschwerdeführerin von monatlich etwa EUR 637,10 könne für die Versorgung zweier Personen nicht ausreichend sein, wäre es erforderlich gewesen, die Adoptivmutter der Beschwerdeführerin und diese selbst etwa dahingehend zu befragen, ob bzw. welche Beträge auf monatlich anfallende Fixkosten (Miete, Strom, Heizung) entfallen, ob bzw. in welcher Höhe Mietzinsbeihilfen und/oder Heizkostenbeiträge geleistet werden. Erst dann hätte die belangte Behörde beurteilen können, ob mit dem verbleibenden Teil ihres Einkommens die Versorgung zweier Personen finanzierbar ist oder nicht.
Da der angefochtene Bescheid aus diesen Gründen an einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften leidet, war er unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c leg. cit. aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. September 2005
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