VwGH 2004/08/0176

VwGH2004/08/017620.4.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. Maximilian Gumpoldsberger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Bauernstraße 9/WDZ III, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 6. Juli 2004, Zl. LGSOÖ/Abt. 4/1284/1603/A1642/2004-10, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wels wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 38 i.V.m. § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) für den Zeitraum vom 18. Mai 2004 bis zum 12. Juni 2004 den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe, da er die Teilnahme an einer näher bezeichneten Wiedereingliederungsmaßnahme verweigert habe. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen. Dabei wurde festgestellt, dass die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wels dem Beschwerdeführer am 17. Mai 2004 den Auftrag erteilt habe, an einer Schulungsmaßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen. Der Beschwerdeführer sei bereits mehrmals über die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme aufgeklärt worden. Sein letztes Dienstverhältnis liege 25 Jahre zurück. Mit der Maßnahme sollte eine Gewöhnung an Arbeitszeiten, Teamarbeit und Akzeptanz eines/einer Vorgesetzten erreicht werden. Die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Beschwerdeführers seien zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht mehr ausreichend, wie die bisherigen Vermittlungsversuche gezeigt hätten. Als Beginn der Maßnahme sei der 18. Mai 2004 vorgesehen gewesen. Am 7. Juni 2004 habe der Beschwerdeführer in einer Niederschrift im Wesentlichen erklärt, dass er nicht bereit sei, an der Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, da aus seiner Sicht diese Maßnahme nicht dazu beitrage, wieder in den Schuldienst aufgenommen zu werden.

Die belangte Behörde führte weiter aus, dass die Wiederaufnahme in den Schuldienst jeder realistischen Grundlage entbehre. Das Dienstverhältnis als Lehrer sei 1979 beendet worden. Wenn auch aus der Sicht des Beschwerdeführers die Lösung des Dienstverhältnisses nicht gerechtfertigt gewesen sei, bleibe die Tatsache bestehen, dass er seit 25 Jahren nicht mehr als Lehrer tätig gewesen sei. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe würden die Zumutbarkeit der Maßnahme nicht beeinträchtigen. Es sei wiederholt versucht worden, den Beschwerdeführer in Beschäftigung zu bringen bzw. mit einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt die Vermittlungschancen zu erhöhen. Zuletzt sei dem Beschwerdeführer im August 2003 eine derartige Maßnahme verbindlich angeboten worden. Nachdem er diese Maßnahme abgelehnt habe, sei vom 20. August 2003 bis 30. September 2003 eine Sperrfrist verhängt worden. Bei der nunmehrigen Sperrfrist handle es sich um die zweite innerhalb eines Jahres, weshalb der Ausschlusszeitraum, während dessen kein Anspruch auf Notstandshilfe bestehe, acht Wochen betrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 AlVG - der gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden ist - lautet in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 201/1996:

"§ 10. (1) Wenn der Arbeitslose

(2) Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören."

Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei bis 1990 als Berufsschuloberlehrer im Landesdienst des Landes Oberösterreich beschäftigt gewesen. In diesem Jahr sei die Entlassung aus dem Landesdienst erfolgt. Seit dieser Zeit nehme er Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz - zuerst Arbeitslosengeld, danach Notstandshilfe - in Anspruch. Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt und vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten wird, wurde dem Beschwerdeführer am 17. Mai 2004 von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice der Auftrag erteilt, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen. Der Beschwerdeführer hat hiezu niederschriftlich nach Belehrung über die Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG erklärt, dass er nicht bereit sei, an der Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen, da aus seiner Sicht diese Maßnahme nicht dazu beitrage, "wieder in den Schuldienst aufgenommen zu werden". In seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass eine Weigerung, an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen, nur dann die Sanktionen gemäß § 10 AlVG auslösen könne, wenn die Teilnahme an der Maßnahme zumutbar sei. Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung sei eine verstärkte Bedachtnahme auf individuelle Gesichtspunkte, die wichtige Gründe im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG darstellen, möglich. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren insbesondere geltend gemacht, dass die vorgesehene Maßnahme nicht geeignet sei, eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt herbeizuführen; darüber hinaus habe die belangte Behörde nicht die geringsten Anstrengungen unternommen, die berechtigten Wünsche des Beschwerdeführers bezüglich seiner Beschäftigung bei Zuweisungsversuchen, aber auch bei der Auswahl der Maßnahmen, zu berücksichtigen.

Die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AlVG (auf die Notstandshilfe sinngemäß anwendbar gemäß § 38 AlVG) sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, nicht nur eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sondern - erforderlichenfalls - auch an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen. Um sich durch die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Teilnahme ausgerichteten aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, den Erfolg der Maßnahme zu vereiteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2000, Zl. 2000/19/0035 u.a.).

Der Beschwerdeführer begründet seine Weigerung, an der Maßnahme teilzunehmen, ausschließlich damit, dass diese nicht zum Ziel habe bzw. nicht geeignet sei, eine Wiedereinstellung in den Schuldienst herbeizuführen. Er bringt damit zum Ausdruck, dass ihm nach seiner Ansicht eine andere Beschäftigung als im Schuldienst nicht zumutbar sei und schon aus diesem Grunde auch eine Wiedereingliederungsmaßnahme, die nicht auf die Wiedereingliederung in den Berufsschuldienst abstelle, unzumutbar sei.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, ist auf Grund der Entlassung des Beschwerdeführers aus einem pragmatisierten Dienstverhältnis als Beamter (vgl. dazu die den Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnisse u.a. vom 19. Dezember 2002, Zl. 2001/09/0200, vom 26. Juni 1991, Zl. 91/09/0064, und vom 22. November 1990, Zl. 90/09/0084) eine Wiedereinstellung als Lehrer sehr unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund, unter Berücksichtigung der langen Abwesenheit vom Arbeitsmarkt und der nach Ausweis der Verwaltungsakten wiederholt mit dem Beschwerdeführer erörterten Defizite, kann jedoch die Teilnahme an einer Wiedereingliederungsmaßnahme, mit der diesen Defiziten begegnet werden soll, nicht allein deswegen als unzumutbar abgelehnt werden, weil sie nicht dem spezifischen (nach Lage des Falles: unrealistischen) Berufswunsch des Beschwerdeführers entspricht. Im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer erlernten Beruf als Tischler kann auch nicht davon gesprochen werden, dass ihm eine andere Beschäftigung als jene als Lehrer im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG nicht zumutbar wäre. Die Weigerung des Beschwerdeführers, an der Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen, die sich allein darauf gestützt hat, dass diese Maßnahme nicht geeignet sei, die Wiedereinstellung in den Schuldienst zu bewirken, erweist sich daher als nicht berechtigt.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass sein Vorbringen, wonach die abgelehnte Wiedereingliederungsmaßnahme nicht dazu beitrage, seine Wiedereingliederung in den Schuldienst zu fördern, nicht ordnungsgemäß erörtert worden sei. Die Behörde hätte prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer ohne diese Wiedereingliederungsmaßnahme nicht in der Lage gewesen wäre, einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erlangen. Zumindest hätte seitens der Behörde die objektive Notwendigkeit der in Rede stehenden Maßnahme anlässlich der Zuweisung dargelegt werden müssen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass im Hinblick auf die langjährige Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers und die in den vorgelegten Verwaltungsakten dokumentierte Erfolglosigkeit bisheriger Vermittlungsversuche der belangten Behörde gefolgt werden kann, wenn sie die Zuweisung zur Wiedereingliederungsmaßnahme als erforderlich erachtet hat. Im Hinblick auf die grundsätzliche Ablehnung der Maßnahme durch den Beschwerdeführer, die er ausschließlich auf die seiner Ansicht nach mangelnde Eignung zur Bewirkung der Wiedereinstellung in den Schuldienst gestützt hat, kann ein relevanter Verfahrensmangel im Unterbleiben einer weiteren Darlegung der Notwendigkeit bzw. der Eignung der Maßnahme nicht erblickt werden.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet sei, weil die belangte Behörde das Überbrückungshilfegesetz nicht berücksichtigt habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass für den Fall der Anwendbarkeit des Überbrückungshilfegesetzes, für die jedoch nach dem vorgelegten Verwaltungsakt kein Anhaltspunkt besteht, dem Beschwerdeführer auch kein Anspruch auf Notstandshilfe zustünde, sodass er durch die Einstellung der Notstandshilfe auch nicht in seinen diesbezüglichen Rechten verletzt sein könnte.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die belangte Behörde unzuständig sei, da es sich beim Beschwerdeführer um einen ehemaligen Landesbediensteten im Schuldienst handle und daher von einer Zuständigkeit des Landesschulrates für Oberösterreich auszugehen sei. Hiezu ist festzuhalten, dass die belangte Behörde über eine Berufung des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der - in erster Instanz zuständigen - regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wels entschieden hat. Die Zuständigkeit der belangten Behörde gründet sich auf § 56 Abs. 1 und 3 AlVG.

Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich im Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentumes gemäß Art. 5 StGG und Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt erachtet, ist eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über dieses Argument auf Grund des Art. 133 Z. 1 B-VG nicht gegeben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. April 2005

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte