VwGH 2004/05/0157

VwGH2004/05/015724.5.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Herbert Holzschuh in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien 7, Neubaugasse 66, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Mai 2004, Zl. RU1- BR-53/001-2003, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Klosterneuburg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §11 Abs1 Z4;
BauRallg;
BauO NÖ 1996 §11 Abs1 Z4;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf den Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides vom 7. August 2003 bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Grundstückes in Klosterneuburg, auf dem sich ein Haus befindet. Die Liegenschaft ist als Bauland gewidmet.

Mit Eingabe vom 29. April 2003 (eingelangt bei der Behörde am 30. April 2003) kam der Beschwerdeführer unter Anschluss ua. von Planunterlagen um die Erteilung der (nachträglichen) baubehördlichen Bewilligung für das Haus ein.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Stadtamtes der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. August 2003 wurde dem Beschwerdeführer, soweit im Beschwerdefall erheblich, die nachträgliche baubehördliche Bewilligung antragsgemäß erteilt (Spruchpunkt III.), zugleich wurde aber mit dem Spruchpunkt I. des Bescheides die Liegenschaft des Beschwerdeführers auf Grund seines Bauansuchens gemäß § 23 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (in der Folge kurz: BO) zum Bauplatz erklärt und ihm mit dem Spruchpunkt II. aus Anlass der Bauplatzerklärung eine näher bezifferte Aufschließungsabgabe vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Spruchpunkte I. und II. Berufung. Gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 BO sei ein Bauplatz auch ein Grundstück im Bauland, welches am 1. Jänner 1989 bereits als Bauland gewidmet war und mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude bebaut gewesen sei (die Ausnahmen dieser Bestimmungen lägen nicht vor). Dies treffe im Beschwerdefall zu, weil hinsichtlich "des Baubestandes" eine Baubewilligung vom 23. Juni 1926 vorliege.

Mit Berufungsbescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Dezember 2003 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Soweit für den Beschwerdefall erheblich, heißt es begründend, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei richtig, dass (nach einer mündlichen Verhandlung am 22. Juni 1926) der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 23. Juni 1926 eine baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Sommerhauses auf dieser Liegenschaft erteilt habe. Mit 18. Mai 1928 sei für das Gebäude die Benützungsbewilligung erteilt worden. Der Beschwerdeführer übersehe jedoch, dass damit, wie sich aus den zugrundeliegenden Plänen (Grundriss iVm der Situationsdarstellung im Maßstab 1:720) ergebe, lediglich ein Gebäude (Holzhaus) mit den Ausmaßen 3,00 m x 4,00 m im Abstand von etwa 3 m von der Grenze zum Grundstück Nr. 1691/2 bewilligt worden sei. Eine weitere baubehördliche Bewilligung befinde sich nicht in den Gemeindeakten, sei auch nicht auffindbar und sei überdies auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Die nachträgliche baubehördliche Bewilligung beziehe sich auf ein hölzernes Einfamilienhaus mit den Außenmaßen 6,16 m bzw. 5,12 m x 9,65 m in einem Abstand von 6,93 m von der zuvor genannten Grundstücksgrenze. Schon aus dem Grenzabstand ergebe sich, dass das 1926 bewilligte Holzhaus nicht Teil des nunmehr bestehenden Einfamilienhauses sein könne. Auch aus dem Grundriss des nunmehr nachträglich bewilligten Gebäudes sei erkennbar, dass die im Jahr 1926 bewilligte Hütte nicht Teil des nunmehrigen Gebäudes sein könne. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer, wie in einem Aktenvermerk vom 24. März 2003 festgehalten worden sei, selbst bekannt gegeben, dass das Haus "um den 2. Weltkrieg" (Zitat im Original) ohne Bewilligung errichtet worden sei und er bis zum 1. Mai Pläne für die nachträgliche Bewilligung vorlegen würde. Damit träfen die vom Beschwerdeführer behaupteten Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Z 4 BO nicht zu.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in welcher er zusammenfassend (unter Anschluss von Ablichtungen alter Photographien und verschiedener weiterer Urkunden) vorbrachte, das 1926 bewilligte und auch tatsächlich errichtete Gebäude sei im Zuge der Zeit mehrfach erweitert worden. Der Altbestand sei Teil des nunmehrigen Bestandes. Die Annahme, er habe einen Neubau zur Bewilligung eingereicht, sei unzutreffend. Diese Annahme werde offensichtlich aus der Färbung der Grundrisse (rot für Neubau) abgeleitet, doch zwängen die Bestimmungen über die Ausgestaltung von Einreichplänen in Bausachen dazu, alles was zur Genehmigung eingereicht werde, als "Neubau" rot einzufärben. Da ganz eindeutig um eine nachträgliche Bewilligung eines bestehenden Gebäudes angesucht worden sei, müsse der Bestand eben als Neubau planerisch dargestellt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verfahrensganges und Rechtsausführungen heißt es zusammengefasst, es könne dahingestellt bleiben, ob der vom Beschwerdeführer "planlich vorgelegte Vergleich", wonach der Altbestand aus dem Jahre 1926 Teil des nunmehr bewilligten Gesamtgebäudes sei, zutreffe. Ein Vergleich des Planes aus dem Jahr 1926 mit jenem aus dem Jahr 2003 zeige nämlich, dass es sich beim ursprünglichen Gebäude um ein Holzgebäude handle. Das nunmehrige weise einen Außenputz auf, was auch die dargestellten Ansichten belegten. Träfen die Ausführungen des Beschwerdeführers zu, müsste im nunmehrigen Bauplan der Bestand (das im Jahr 1926 bewilligte Gebäude) als solcher eingetragen sein. Tatsächlich sei das gesamte Gebäude als Neubau eingezeichnet. Den diesbezüglichen Ausführungen in der Vorstellung sei entgegenzuhalten, dass auch bei einer nachträglichen Baubewilligung des Bestandes nicht jener Gebäudeteil als Neubau einzutragen sei, für den bereits eine Baubewilligung (hier nach Angaben des Beschwerdeführers aus dem Jahr 1926) vorliege. Auch aus dem Bauplan aus dem Jahr 2003 sei nicht ersichtlich, wo sich das ursprüngliche 12 m2 große Holzgebäude befunden habe, an welchem der Zubau erfolgt sei. An dieser Beurteilung ändere auch der Umstand nichts, dass gemäß dem Vorbringen des Beschwerdeführers für das nunmehrige Gebäude das vorhandene Fundament des Altbestandes verwendet worden sei. Das Vorbringen, dass der Altbestand nur um einen Quertrakt erweitert worden sei, sei unzutreffend. Der Trakt, welcher dem Altbestand entsprechen solle, habe ein Ausmaß von 4,25 m x 6,16 m, also insgesamt 26,18 m2, also mehr als das Doppelte des ursprünglichen Gebäudes. Dieser Trakt weise gemäß dem Grundriss auch keinen Raum mit 12 m2 (das wäre das ursprüngliche Gebäude) auf. Daraus ergebe sich, dass der im Jahr 1926 genehmigte Altbestand nicht mehr vorhanden und somit die seinerzeitige Baubewilligung erloschen sei. Der Beschwerdeführer habe somit völlig zu Recht im Bauplan aus dem Jahr 2003 das gesamte Gebäude als Neubau eingezeichnet. Die hiefür erteilte Baubewilligung sei in Rechtskraft erwachsen, weshalb die belangte Behörde diesen Plan ihrer Beurteilung zu Grunde zu legen habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Gemeinde hat auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet, aber Aufwandersatz für die Vorlage ihrer Akten an die belangte Behörde angesprochen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 3 BO hat, wenn ein Neu- oder Zubau eines Gebäudes auf einem Grundstück im Bauland geplant ist, das noch nicht zum Bauplatz erklärt wurde und auch nicht als ein solcher nach § 11 Abs. 1 Z 2 bis 4 gilt, die Erklärung des betroffenen Grundstückes zum Bauplatz im Baubewilligungsbescheid zu erfolgen. Eine derartige Erklärung ist hier erfolgt, weil keiner der Tatbestände des § 11 Abs. 1 BO angenommen wurde.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Z 4 BO vorliegen. Danach ist (von im Beschwerdefall unbestritten nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen) ein Bauplatz ein Grundstück im Bauland, das am 1. Jänner 1989 bereits als Bauland gewidmet und mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil bebaut war. Das heißt, es kommt auf die Verhältnisse zum 1. Jänner 1989 an; eine im Sinne dieser Bestimmung begründete Bauplatzeigenschaft ginge auch durch einen späteren Abbruch des Gebäudes nicht verloren (siehe dazu in Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht6, Anm. 6 zu § 11 BO, hier Seite 204), wohl aber, wenn ein seinerzeit bewilligtes Gebäude vor dem 1. Jänner 1989 abgebrochen worden wäre (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 97/05/0127).

Nach dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt wurde im Jahr 1926 ein Holzhaus im Ausmaß von 3 m x 4 m bewilligt und in den Jahren 1926 bis 1965 ohne weitere Baubewilligung erweitert; dass das seinerzeit bewilligte Gebäude vor 1989 abgetragen worden wäre, wurde nicht festgestellt.

Eine Erweiterung vernichtet aber nicht den ursprünglichen Konsens; § 11 Abs. 1 Z. 4 stellt ja nur darauf ab, dass ein (also: irgendein) konsentiertes Gebäude vorhanden ist. Es ist also die Feststellung unerlässlich, ob am 1. Jänner 1989 ein solches Gebäude vorhanden war. Allein der Hinweis auf den 2003 vorgelegten Bauplan vermag eine solche Feststellung nicht zu ersetzen.

Aus dem Argument der belangten Behörde, in den nunmehrigen Plänen sei kein Altbestand eingezeichnet, ist (abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer in der Vorstellung hiefür eine Erklärung geboten hat, mag sie nun rechtlich richtig oder unrichtig sein), schon deshalb nichts zu gewinnen, weil es, wie zuvor ausgeführt, auf den Zeitpunkt 1. Jänner 1989 ankommt, demnach nicht auf die richtige oder unrichtige Farbgebung in Plänen aus dem Jahr 2003; gleichermaßen ist nicht von entscheidender Bedeutung, dass szt. ein Holzhaus bewilligt wurde und nun ein Außenputz (aber kein Mauerwerk) vorgesehen ist. Auch dem weiteren Argument, den nunmehrigen Plänen sei nicht zu entnehmen, wo sich das ursprüngliche Gebäude befunden habe, welches durch einen Zubau erweitert worden sei, ist (abermals davon abgesehen, dass es auf den Stichtag 1. Jänner 1989 ankommt) entgegenzuhalten, dass das ursprüngliche Gebäude (vor dem Hintergrund der Beschwerdeausführungen und der schon im Verwaltungsverfahren vorgelegten Lichtbilder) dem Zimmer von 8,69 m2 und einen Teil des Zimmers von 5,52 m2 entsprechen könnte, nämlich dann, wenn mehrere Zubauten (sei es nun zugleich oder nacheinander) erfolgten, nämlich eine Verlängerung des Gebäudes durch Einbeziehung der Terrasse, die Errichtung des Quertraktes, aber auch eine seitliche Vergrößerung in dem Bereich, in dem nun in den Plänen aus 2003 der Vorraum und ein weiteres Zimmer mit 6,81 m2 dargestellt sind. Jedenfalls kann bei der gegebenen Verfahrenslage nicht mit Bestimmtheit die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Z 4 BO nicht gegeben wären.

Das Argument der Gemeindebehörden, das nunmehrige Gebäude befinde sich überhaupt an einer anderen Stelle, als sich aus der Baubewilligung aus 1926 (iVm den Plänen) ergäbe, ist nicht zutreffend. Bestimmte Grenzabstände wurden damals nicht vorgeschrieben, sie sind auch in den Bauplänen nicht kotiert. Eine solcherart exakte Situierung kann auch nicht aus dem seinerzeitigen Lageplan abgeleitet werden, weil er hiezu nicht ausreichend präzis ist (sondern sich mehr als Orientierungsskizze darstellt): das ergibt sich schon daraus, dass das fragliche Grundstück dort als Quadrat mit tatsächlichen Ausmaßen (im Lageplan) von 3,0 cm x 3,0 cm dargestellt und mit 30 m x 30 m kotiert ist, was beim angegebenen Maßstab von 1:720 so nicht zutreffen kann. Schon deshalb kann aus der eingezeichneten, nicht kotierten Lage des projektierten Gebäudes kein exakter Grenzabstand abgeleitet werden, sondern nur eine ungefähre Lage (die ohnedies der Lage des errichteten Gebäudes entspricht).

Da die belangte Behörde diese schon dem gemeindebehördlichen Verfahren anhaftenden Mängel verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war, soweit er die Bauplatzerklärung betrifft.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war daher abzuweisen.

Soweit der angefochtene Bescheid die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe betrifft, wird darüber eine gesonderte Entscheidung ergehen.

Wien, am 24. Mai 2005

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