Normen
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs3;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
StPO §139 Abs1;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs3;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
StPO §139 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hatte bei der belangten Behörde beantragt, es möge die am 16. April 2002 durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien erfolgte Durchsuchung ihrer Räumlichkeiten in W, (sowie dabei erfolgte Beschlagnahmen) für rechtswidrig erklärt werden. Dazu war im Wesentlichen vorgebracht worden, dass in der Strafsache gegen ihren Sohn R.P. für dessen Wohnung an der genannten Adresse vom Landesgericht für Strafsachen Wien telefonisch ein richterlicher Hausdurchsuchungsbefehl erteilt worden sei, der jedoch nicht auch die dort befindlichen Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin erfasst habe. Dennoch hätten sich die Beamten bei der Durchsuchung nicht auf den Wohnungsteil, in dem sich R.P. aufgehalten habe, beschränkt, sondern sie hätten ebenso die Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin durchsucht, obwohl der von R.P. mitbenutzte Wohnungsteil deutlich und klar erkennbar von den Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin getrennt und entsprechend beschildert gewesen sei und obwohl die Beamten noch ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden seien, dass es sich dabei um die Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin handle.
Mit Bescheid vom 18. September 2002 wies die belangte Behörde die dargestellte Administrativbeschwerde als unzulässig zurück. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Februar 2003 ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, der den Bescheid mit hg. Erkenntnis vom 23. März 2004, Zl. 2003/01/0127, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhob. Dafür war maßgebend, dass der aufgehobene Bescheid keine Feststellungen zum gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehl (insbesondere zu dessen Wortlaut) enthielt, keine Überlegungen zum Umfang dieses Hausdurchsuchungsbefehls erkennen ließ und sich nicht einmal ansatzweise mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, er habe nur den Wohnbereich und nicht auch die von ihr genutzten Geschäftsräumlichkeiten des Objekts umfasst, beschäftigte (siehe des Näheren das genannte Erkenntnis).
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2004 wies die belangte Behörde die "Maßnahmenbeschwerde" neuerlich (gemäß § 67c Abs. 3 AVG) als unzulässig zurück. Sie verwies auf eine nunmehr eingeholte Stellungnahme des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Juni 2004, derzufolge sich der gegenständliche Hausdurchsuchungsbefehl nicht nur auf die Wohnung, sondern auch auf die sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten in W bezogen habe. Die Beschwerdeführerin - so die belangte Behörde zusammenfassend im Rahmen ihrer rechtlichen Erwägungen - trete zwar den Ausführungen in der genannten Stellungnahme des Landesgerichtes für Strafsachen Wien entgegen, es könne jedoch nicht Angelegenheit des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien sein, in einem Rechtsstreit zwischen der Beschwerdeführerin und dem Strafgericht als Verwaltungsinstanz Feststellungen zu treffen. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien ziehe sich somit auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zurück und verweise darauf, dass dieser die Behandlung der gegen den ersten Bescheid vom 18. September 2002 erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 25. Februar 2003 abgelehnt habe.
Über die gegen den neuerlichen Zurückweisungsbescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat den für die Aufhebung ihres Erstbescheides vom 18. September 2002 maßgeblichen Überlegungen im schon zitierten Erkenntnis vom 23. März 2004 nur bruchstückhaft Rechnung getragen. Insbesondere hat sie es unterlassen, die dort für notwendig erachteten Feststellungen über den Inhalt des zur Durchsuchung der Räumlichkeiten führenden gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehles zu treffen und davon ausgehend eine Beurteilung über dessen Umfang (deckte er die Durchsuchung sämtlicher Räume?) vorzunehmen. Insoweit hat sie zunächst gegen die ihr nach § 63 Abs. 1 VwGG obliegende Verpflichtung verstoßen, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (vgl. dazu die bei Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 (1987), auf den S. 734 f. dargestellte hg. Judikatur).
Darüber hinaus ist aber noch auf Folgendes hinzuweisen: Zwar trifft es zu, dass bei Vorhandensein eines richterlichen Befehls in Befolgung desselben gesetzte Akte der Verwaltungsbehörden regelmäßig funktionell der Gerichtsbarkeit zuzurechnen sind, sodass insoweit keine vor den unabhängigen Verwaltungssenaten bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt. Wird allerdings der durch den richterlichen Befehl gestellte Ermächtigungsrahmen überschritten, handelt es sich sohin um einen "Exzess", so liegt in diesem Umfang ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln vor, das vor den unabhängigen Verwaltungssenaten in Beschwerde gezogen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. September 1998, Zlen. 97/01/1084, 1085 und 1087, auf das im Übrigen schon im Vorerkenntnis vom 23. März 2004 hingewiesen worden ist). Nichts anderes ergibt sich aus der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. Soweit diese, wie im Fall des Beschlusses vom 24. Februar 1978, Slg. Nr. 8248, überhaupt einschlägig ist, wird der entscheidungswesentliche Gesichtspunkt, dass Gerichtsakte angefochten seien, im Besonderen damit begründet, dass eine der Verwaltungsbehörde zuzurechnende Überschreitung des richterlichen Auftrages nicht vorliege. Genau diese Frage (Überschreitung des richterlichen Auftrages?) wäre im Hinblick auf die Behauptungen der Beschwerdeführerin auch hier zu klären gewesen, was zunächst einmal - wie schon betont - Feststellungen über den Inhalt des gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehls erfordert hätte. Diese Feststellungen können, anders als die belangte Behörde in offenkundiger Verkennung der Rechtslage vermeint, nicht durch einen Verweis auf eine Stellungnahme des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ersetzt werden. Ebenso ist es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens allein Aufgabe der belangten Behörde (unter nachprüfender Kontrolle seitens der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) zu beurteilen, ob sich auf Basis dieser zu treffenden Feststellungen - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - in Anbetracht der Verhältnisse an Ort und Stelle allenfalls eine Überschreitung des gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehls ergibt. Von einer "Bindung" an die strafgerichtliche Stellungnahme kann auch insoweit keine Rede sein.
Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang hinzugefügt, dass Basis sämtlicher Überlegungen der telefonisch vorweg erteilte Hausdurchsuchungsbefehl sein muss, weil dieser nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin Grundlage für die Durchsuchung der Räumlichkeiten war. Dass die in den Akten erliegende schriftliche Ausfertigung dieses Hausdurchsuchungsbefehls gewichtigen Indizcharakter hinsichtlich des Wortlauts des mündlich erteilten Befehls haben wird, vermag daran nichts zu ändern und macht Ermittlungen zu dessen Inhalt (Beischaffung etwaiger Aktenvermerke, allenfalls Einvernahme des Richters, von dem der Befehl stammt) nicht entbehrlich.
Wenn die belangte Behörde abschließend zu all dem auf den ihren Bescheid vom 18. September 2002 betreffenden Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Februar 2003 verweist und damit erkennbar zum Ausdruck bringen möchte, ihr damaliger Bescheid habe der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes entsprochen, so missversteht sie schließlich grundlegend Art. 144 Abs. 2 iVm Abs. 3 B-VG.
Zusammenfassend ergibt sich, dass der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Insoweit die Beschwerdeführerin begehrt, das Land Wien zur ungeteilten Hand mit dem Bund zum Aufwandersatz zu verpflichten, war dieses Mehrbegehren im Grunde des § 47 Abs. 5 VwGG abzuweisen.
Wien, am 22. November 2005
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