VwGH 2003/18/0301

VwGH2003/18/030115.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des J, geboren 1974, vertreten durch Dr. Walter Rosenkranz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 12/17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Juli 2003, Zl. SD 507/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §19 Abs1;
AsylG 1997 §21 Abs1 Z1;
AsylG 1997 §21 Abs1 Z2;
AsylG 1997 §21 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
AsylG 1997 §19 Abs1;
AsylG 1997 §21 Abs1 Z1;
AsylG 1997 §21 Abs1 Z2;
AsylG 1997 §21 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Juli 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 iVm § 39 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 1. Mai 1999 illegal nach Österreich gelangt und habe am 4. Mai 1999 einen Asylantrag gestellt, welcher letztlich vom unabhängigen Bundesasylsenat rechtskräftig abgewiesen worden sei. Während seines Asylverfahrens habe der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt. (Das Asylverfahren wurde mit hg. Ablehnungsbeschluss vom 2. Oktober 2002, Zl. 2001/20/0469, negativ beendet).

Mit Schreiben vom 10. Juli 2001 sei der Beschwerdeführer von der Erstbehörde aufgefordert worden, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen, andernfalls ein Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen würde. In seiner Stellungnahme vom 25. Juli 2001 habe der Beschwerdeführer angegeben, derzeit keiner Beschäftigung nachzugehen, sowie ATS 1.500,-- (EUR 109,01) pro Monat einem Freund als Miete zu bezahlen.

Ein Fremder habe die ihm zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel von sich aus darzulegen. Da der Beschwerdeführer weder habe nachweisen können, dass ihm die erforderlichen Mittel für seinen Unterhalt aus eigenem Einkommen oder Vermögen zur Verfügung stünden noch habe belegen können, dass eine andere Person auf Grund einer tragfähigen Verpflichtungserklärung den erforderlichen Unterhalt sicherstellen könne, sei er als mittellos anzusehen, weshalb der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt sei. Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sowie sein unrechtmäßiger Aufenthalt würden die öffentliche Ordnung in hohem Maß beeinträchtigen, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - (auch) im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei.

Am 6. November 2002 sei der Beschwerdeführer von der Erstbehörde wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtskräftig bestraft worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 31. Jänner 2003 sei der Beschwerdeführer gemäß § 288 Abs. 1 StGB wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 27. November 2002 bei seiner förmlichen Vernehmung als Zeuge vor dem Landesgericht Korneuburg zu Fragen bezüglich seiner Adoption durch eine österreichische Staatsbürgerin falsch ausgesagt habe (er habe u.a. behauptet, mit ihr regelmäßigen Kontakt und in ihr seine Mutter gesehen zu haben).

Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Auf Grund seines mehr als vierjährigen inländischen Aufenthaltes sei von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen relevanten Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung der vorliegenden Maßnahme zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Gegen diese Regelungen habe der Beschwerdeführer, der seinen unrechtmäßigen Aufenthalt trotz rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens fortgesetzt habe, verstoßen. Seine Mittellosigkeit beeinträchtige die öffentliche Ordnung zusätzlich, sodass das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei. Hinsichtlich der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei auf den mehr als vierjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Jedoch komme einer daraus ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei. Jedenfalls hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten müssen. Die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich sohin auch gemäß § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Auf Grund der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden.

Ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2).

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 7 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder - von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

1.2. § 19 Abs. 1, 2 und 3 erster Satz und § 21 Abs. 1 AsylG in der hier maßgeblichen Fassung vor Inkrafttreten der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, lauten:

"Vorläufige Aufenthaltsberechtigung

§ 19. (1) Asylwerber, die sich - sei es auch im Rahmen einer Vorführung nach Anreise über einen Flugplatz oder nach direkter Anreise aus dem Herkunftsstaat (§ 17 Abs. 1) - im Bundesgebiet befinden, sind vorläufig zum Aufenthalt berechtigt, es sei denn, der Antrag wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Vorgeführte Asylwerber dürfen jedoch dazu verhalten werden, sich zur Sicherung einer Zurückweisung während der der Grenzkontrolle folgenden Woche an einem bestimmten Ort im Grenzkontrollbereich oder im Bereich des Bundesasylamtes aufzuhalten; solche Asylwerber dürfen jedoch jederzeit ausreisen.

(2) Asylwerber, die unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereist sind, haben die vorläufige Aufenthaltsberechtigung erst, wenn sie von der Behörde zuerkannt wird. Die Behörde hat solchen Asylwerbern, deren Antrag zulässig, aber nicht offensichtlich unbegründet ist, unverzüglich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zuzuerkennen.

(3) Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist Asylwerbern, denen die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommt, von Amts wegen zu bescheinigen. (....)."

"Schutz vor Aufenthaltsbeendigung

§ 21. (1) Auf Asylwerber findet - soweit im folgenden nicht anderes festgelegt wird - das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z. 7, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie

1. den Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben;

2. den Antrag anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben."

Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei als Asylwerber nach Österreich gekommen. Sein Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Er verfüge über eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis. Daher komme der Frage des Unterhalts keine Relevanz zu.

Mit diesem Vorbringen, das darauf abzielt, dass auf ihn die Bestimmung des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG gemäß § 21 Abs. 1 AsylG keine Anwendung finde, ist der Beschwerdeführer nicht im Recht, weil er nicht behauptet hat, den Asylantrag in einer § 21 Abs. 1 Z. 1 oder 2 AsylG entsprechenden Weise gestellt zu haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2002/18/0299). Dazu kommt, dass das Asylverfahren, auf das der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung als Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung Bezug genommen hat, mit dem hg. Ablehnungsbeschluss vom 2. Oktober 2002, Zl. 2001/20/0469, endgültig negativ beendet worden ist. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung iSd § 19 Abs. 1 AsylG, trifft daher nicht zu.

2.1. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Mai 2005, Zl. 2005/18/0104, mwN) hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht nur über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Der Beschwerdeführer vermochte einen derartigen Nachweis nicht zu erbringen. Die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG wurde demnach von der belangten Behörde zutreffend bejaht.

2.2. Im Hinblick auf die aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers resultierende Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung der Republik Österreich (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 2000/18/0147) begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

2.3. Zudem stellt der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens eine maßgebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geschaffenen Regelungen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2004, Zl. 2000/18/0104, mwN). Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG erweist sich daher auch unter diesem Gesichtspunkt als gerechtfertigt.

3.1. Im Licht des § 37 FrG bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde hätte sich im Rahmen der Interessenabwägung präziser mit seiner "Gefährlichkeit" für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit auseinandersetzen müssen.

3.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Unbestrittenermaßen verfügt der Beschwerdeführer über keine familiäre Bindung im Bundesgebiet. Den aus der Dauer seines vierjährigen Aufenthalts in Österreich abzuleitenden persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die von ihm ausgehende, mit seiner Mittellosigkeit verbundene Gefährdung des öffentlichen Interesses gegenüber. Eine weitere Beeinträchtigung öffentlicher Interessen liegt darin, dass sich der Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Von daher ist das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und Schutz des wirtschaftlichen Wohls des Landes) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG). Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wiegen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.). Die von der belangten Behörde gemäß § 37 FrG vorgenommene Abwägung ist daher unbedenklich.

4. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe bei ihrer Interessenabwägung nicht berücksichtigt, dass das Strafgericht eine unbedeutende Strafe über ihn verhängt habe und offensichtlich auch der Ansicht sei, er werde die österreichische Rechtsordnung in Zukunft respektieren, ist darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörden bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes an die gerichtlichen Erwägungen im Rahmen der Strafbemessung oder einer bedingten Strafnachsicht nicht gebunden sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0419, mwN). Abgesehen davon erweist sich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer bereits aus den oben 3.2. ausgeführten Gründen als gerechtfertigt.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. November 2005

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