VwGH 2002/18/0044

VwGH2002/18/00448.3.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1963, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. Jänner 2002, Zl. SD 537/01, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. Jänner 2002 wurde der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm § 10 Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben am 2. Februar 2000 mit einer bis 31. Oktober 2000 gültigen Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student" in Österreich eingereist. Mit Bescheid der Universität Wien vom 17. Juni 1999 sei er unter der Voraussetzung des Nachweises der Kenntnis der deutschen Sprache zum ordentlichen Studium im Wintersemester 1999/2000 zugelassen worden.

Am 15. November 2000 habe die Erstbehörde (die Bundespolizeidirektion Wien) die Aufenthaltserlaubnis des Beschwerdeführers bis 30. März 2001 verlängert. Zuletzt habe er am 5. März 2001 einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gestellt. Zu diesem Zeitpunkt habe er im Wintersemester 2000/2001 am Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten (Deutsch für Anfänger) nicht erfolgreich teilgenommen. Im Zug des von der Erstbehörde eingeleiteten Verfahrens zur Beendigung seines Aufenthaltes habe er nachträglich eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Kurs aus Deutsch für Anfänger der Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall im Sommersemester 2001 mit genügendem Erfolg und eine Bestätigung desselben Veranstalters über die beabsichtigte Teilnahme an einem Lehrgang der deutschen Sprache zur Vorbereitung auf die Hochschulsprachprüfung im Rahmen des Vorstudienlehrganges der Wiener Universitäten im Wintersemester 2001/2002 vorgelegt. Bisher habe der Beschwerdeführer somit - außer seiner Deutschprüfung für Anfänger (mit genügendem Erfolg) - keine Studienprüfungen abgelegt. Angesichts dieses Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht von der Annahme ausgegangen, dass er nicht deshalb nach Österreich gekommen sei, um hier zu studieren. Er habe jedenfalls kein Verhalten gesetzt, das den Schluss zuließe, sein ausschließlicher Aufenthaltszweck wäre die Absolvierung eines Studiums im Inland.

Damit erfülle der Beschwerdeführer jedoch eine wesentliche Voraussetzung für den von ihm begehrten Aufenthaltstitel nicht und verstoße solcherart gegen die für Fremde maßgeblichen fremdenrechtlichen Regelungen, deren Einhaltung durch den Bescheidadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels stehe sohin der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG entgegen.

Damit lägen die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. vor. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 37 leg. cit. entgegenstehe.

Auf Grund des kurzen, ca. zweijährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen könne von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- oder Familienleben keine Rede sein. Es sei daher weder zu überprüfen gewesen, ob die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen gewesen.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorlägen, habe sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da sich der Beschwerdeführer während des Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, kann er gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Bei dem von ihm angestrebten weiteren Aufenthaltstitel handelte es sich um eine Aufenthaltserlaubnis für den ausschließlichen Zweck des Studiums gemäß § 7 Abs. 4 Z. 1 FrG.

Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 leg. cit.) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 3) der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

2. Die Beschwerde bringt vor, dass der Beschwerdeführer "die ersten beiden Prüfungen" erfolgreich absolviert habe und "die dritte Prüfung" dann negativ gewesen sei, weil er Probleme mit dem Erlernen der deutschen Sprache habe. Die Vorgangsweise der Fremdenpolizei sei bisher so gewesen, dass den der deutschen Sprache nicht kundigen Studenten ein Zeitraum von zwei Jahren zum Nachweis des Erlernens der deutschen Sprache eingeräumt werde und erst dann mit dem eigentlichen Studium begonnen werden könne. Er habe der Fremdenpolizei die Bestätigung der Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall und die Bestätigung der Universität über den Einzahlungsbetrag bezüglich des Studienbeitrags für das Wintersemester 2001 vorgelegt. Daraus ergebe sich eindeutig, dass er beabsichtigte, in Österreich zu studieren. Die belangte Behörde hätte daher davon auszugehen gehabt, dass sein Bestreben auf das Studium gerichtet sei und eine Ausweisung nicht gerechtfertigt sei.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hält sich nach den insoweit unstrittigen Feststellungen der belangten Behörde seit 2. Februar 2000 im Bundesgebiet auf, wobei ihm bisher Aufenthaltserlaubnisse für den (ausschließlichen) Zweck des Studiums erteilt worden sind. Ebenso unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer mit Bescheid der Universität Wien vom 17. Juni 1999 (nur) unter der Voraussetzung des Nachweises der Kenntnis der deutschen Sprache zum ordentlichen Studium (im Wintersemester 1999/2000) zugelassen worden ist und am 5. März 2001 (Zeitpunkt der Stellung seines Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis) am Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten für "Deutsch für Anfänger" nicht erfolgreich teilgenommen hatte. In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer zwar eine Bestätigung der Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall über seine Teilnahme an einem Deutschkurs für Anfänger mit genügendem Erfolg und eine Bestätigung desselben Veranstalters über die beabsichtigte Teilnahme an einem Lehrgang der deutschen Sprache zur Vorbereitung auf die Hochschulsprachprüfung im Rahmen des Vorstudienlehrganges der Wiener Universitäten im Wintersemester 2001/2002 vor. Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch dem angefochtenen Bescheid oder dem übrigen Inhalt der Verwaltungsakten ergibt sich jedoch, dass der Beschwerdeführer bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides diese Sprachprüfung im Rahmen des Vorstudienlehrganges erfolgreich abgelegt habe. Vielmehr ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 28. September 2001 vorgelegten Fortsetzungsbestätigung der Universität Wien vom 20. September 2001, dass der Beschwerdeführer an der Universität Wien (lediglich) zum Besuch einzelner Lehrveranstaltungen angemeldet gewesen sei, und er die Ergänzungsprüfung Deutsch vor Zulassung zum abschließenden Teil der 1. Diplomprüfung abzulegen habe.

Der Beschwerdeführer hält sich (bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) somit bereits rund zwei Jahre zum (alleinigen) Zweck des Studiums im Bundesgebiet auf, hat jedoch - was auch von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt wird - die notwendige Ergänzungsprüfung für die deutsche Sprache im Rahmen des Vorstudienlehrganges der Wiener Universitäten nicht erfolgreich abgelegt (vgl. in diesem Zusammenhang auch die vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 28. September 2001 vorgelegte Kopie der Bestätigung der Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall vom 20. September 2001).

Es stellt eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar, wenn sich ein Fremder, der nach rund zwei Jahren Aufenthalt zum ausschließlichen Zweck des Studiums - aus welchen Gründen immer - keinen Studienerfolg aufweisen kann, weiterhin allein zu diesem Zweck im Bundesgebiet aufhält (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/18/0151).

Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG erfüllt sei, begegnet daher keinem Einwand.

4. Für diesen Fall ordnet § 10 Abs. 2 FrG an, dass die Erteilung des Aufenthaltstitels versagt werden kann. Damit ist klargestellt, dass das Vorliegen der in § 10 Abs. 2 FrG genannten Umstände nicht zwingend einen Versagungsgrund darstellt. Vielmehr ist der Ausdruck "kann" in § 10 Abs. 2 FrG dahin zu verstehen, dass die Behörde bei Anwendung eines der dort angeführten Versagungsgründe zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung allenfalls erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht des Antragstellers aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen gerechtfertigt sei (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 2003, Zl. 99/18/0246).

Die belangte Behörde hat die Rechtslage insoweit verkannt, als sie sich bei ihrer Beurteilung, dass der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG erfüllt sei, weder mit der Frage, ob bei Anwendung dieses Versagungsgrundes in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht eingegriffen werde, noch damit, ob der allenfalls gegebene Eingriff aus den Gründen des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt sei, auseinander gesetzt hat. Der Beschwerdeführer würde durch die Unterlassung einer solchen Prüfung nur dann nicht in Rechten verletzt werden, wenn die belangte Behörde im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 FrG ohnehin ausreichend auf Art. 8 EMRK Bedacht genommen hätte. (Vgl. zum Ganzen nochmals das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 99/18/0246, mwN.)

Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall gewesen. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, es sei nicht zu prüfen gewesen, ob die gegen den Beschwerdeführer gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten - somit gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig - sei, und es sei keine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen gewesen, wird nicht geteilt, sind doch auf Grund des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Dauer von rund zwei Jahren bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides jedenfalls private Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet anzunehmen gewesen (vgl. in diesem Zusammenhang nochmals das vorzitierte Erkenntnis).

5. Auf Grund der Verkennung dieser Rechtslage durch die belangte Behörde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz für den Schriftsatzaufwand eine gesonderte Vergütung an Umsatzsteuer nicht zusteht.

Wien, am 8. März 2005

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