VwGH 2002/15/0006

VwGH2002/15/000630.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Susanna Fuchs-Weisskircher, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rabensteig 1, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 21. November 2001, Zl. ABK-S 36/2000, betreffend Haftung für Vergnügungssteuer für Juni bis September 1993, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1091;
ABGB §309 Abs1;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §13 Abs4;
VwRallg;
ABGB §1091;
ABGB §309 Abs1;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §13 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. Juni 1996 zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Instanzenzug zur Haftung für die durch die Veranstaltungen der R. GmbH in seinen Räumen in Wien, W.-Gasse, für die Zeit von Juni bis September 1993 entstandene Vergnügungssteuerschuld samt Nebengebühren in Höhe von 116.273 S heran. Gleichzeitig entschied die belangte Behörde über die im Zuge des Haftungsverfahrens vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gegen den Vergnügungssteuerbescheid und setzte die Vergnügungssteuer fest. Die R. GmbH habe von Juni bis September 1993 in Wien, W.-Gasse, Publikumstanzveranstaltungen (sog. Clubbings) durchgeführt. Inhaber der benutzten Räume sei der Beschwerdeführer gewesen, weshalb er für die der R. GmbH vorgeschriebene Vergnügungssteuer hafte. Er habe das Lokal der R. GmbH unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Mit dem Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, 97/15/0088, (im Folgenden: Vorerkenntnis) hob der Verwaltungsgerichtshof den erwähnten Bescheid vom 26. Juni 1996 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der Gerichtshof vermisste Feststellungen der belangten Behörde, die die rechtliche Beurteilung zuließen, der Beschwerdeführer sei Inhaber im Sinne des § 13 Abs. 4 des Wiener Vergnügungssteuergesetzes (VGSG) gewesen.

Im fortgesetzten Verfahren gab der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung am 25. Jänner 2000 an, er habe sich nicht vorbehalten, die Veranstaltungen zu untersagen und diese zu kontrollieren. Er habe zwar Kenntnis von den Veranstaltungen gehabt, jedoch keine Einflussnahme auf die Durchführung ausgeübt. Die Veranstalterin, die R. GmbH, habe das Personal gestellt und von ihm lediglich orts- und sachkundige Mitarbeiter engagiert (in deren Freizeit). Nach Ende der Veranstaltungen sei das Lokal gereinigt an ihn zurückgegeben worden, wobei von den Gästen der Veranstalterin verursachte Schäden von der Veranstalterin bezahlt worden seien.

Der ehemalige Geschäftsführer der Veranstalterin gab bei seiner Vernehmung als Zeuge am 3. Februar 2000 an, dass der Beschwerdeführer Kenntnis von den Veranstaltungen gehabt, der Veranstalterin jedoch freie Hand gelassen habe und die Veranstalterin sich selbst um die Durchführung habe kümmern müssen. Der Beschwerdeführer sei bei den Veranstaltungen nie anwesend gewesen. Es sei jedoch Personal des Beschwerdeführers (Techniker, Barpersonal) anwesend gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich eine Untersagung nicht vorbehalten, es sei lediglich vereinbart gewesen, etwaige Schäden zu bezahlen. Das Lokal sei nach den Veranstaltungen zurückgegeben worden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 16. März 2000 wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung des Beschwerdeführers betreffend die Haftung ab. Vom Beschwerdeführer und vom einvernommenen Zeugen sei übereinstimmend ausgesagt worden, dass orts- und sachkundige Mitarbeiter "mitwirkten". Durch die Tätigkeit seiner Mitarbeiter habe der Beschwerdeführer weiterhin die Sachherrschaft über die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten ausgeübt, weil nur diese die erforderlichen Orts- und Sachkenntnisse hätten vermitteln können. Dass diese Mitarbeiter in ihrer Freizeit bei den Veranstaltungen tätig gewesen seien, habe sie nicht davon entbunden, auf Grund ihrer arbeitsvertraglichen Treuepflicht das Eigentum des Dienstgebers auch außerhalb ihrer Arbeitszeit zu schützen und eine sorgfaltswidrige Benützung ihrem Dienstgeber mitzuteilen. Nach allgemeiner Verkehrsauffassung sei der Beschwerdeführer Inhaber des Lokals in Wien, W.-Gasse, gewesen und ändere die bloß tageweise Überlassung der Räumlichkeiten nichts an dieser Eigenschaft.

Im dagegen erhobenen Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer vor, dass durch die Orts- und Sachkundigkeit der Mitarbeiter keine unmittelbare Inhaberschaft des Beschwerdeführers begründet worden sei. Diese Mitarbeiter des Beschwerdeführers, welche in deren Freizeit von der Veranstalterin engagiert worden seien, seien dabei ausschließlich in einem Leistungsverhältnis zur Veranstalterin gestanden. Da die Dienstnehmer in ihrer Freizeit bei der Veranstalterin tätig gewesen seien und nicht vom Beschwerdeführer der Veranstalterin zur Verfügung gestellt oder durch den Beschwerdeführer für die Veranstalterin bereit gestellt worden seien, habe die Veranstalterin die ausschließliche Gewahrsame am Veranstaltungsort innegehabt.

Mit dem angefochtenen Bescheid zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Instanzenzug zur Haftung für Vergnügungssteuer in Höhe von 116.273 S für den Zeitraum Juni bis September 1993 heran und änderte den Bemessungsbescheid dahingehend, dass Vergnügungssteuer von insgesamt 755.463 S vorgeschrieben und gleichzeitig ein Säumniszuschlag von 10.301 S auferlegt wurde. Inhaber der für die Vergnügung genützten Räume im Sinne des § 13 Abs. 4 VGSG sei der Beschwerdeführer gewesen. Die Innehabung setze nur voraus, dass sich die Sache im Herrschaftsbereich der Person befinde. Die Sachherrschaft sei auch dann gegeben, wenn eine vom Inhaber sozial abhängige Person (z.B. ein Angestellter) die Sache unmittelbar innehabe. Der Beschwerdeführer und der Geschäftsführer der Veranstalterin hätten übereinstimmend angegeben, dass orts- und sachkundige Mitarbeiter des Beschwerdeführers wie z.B. Techniker und Barpersonal für die Veranstaltungen tätig gewesen seien. Dass diese Arbeitnehmer in ihrer Freizeit für die Veranstalterin tätig gewesen seien, vermöge an der unmittelbaren Innehabung des Beschwerdeführers nichts zu ändern, weil in der Freizeit lediglich die Hauptpflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung entfalle, die Treuepflicht aber nicht berührt werde. Die Treuepflicht, welche auch als Interessenwahrungspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber verstanden werde, verhalte den Arbeitnehmer dazu, auf betriebliche Interessen der Arbeitgeber entsprechend Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer habe die betrieblichen Interessen zu respektieren und insbesondere alles zu unterlassen, was den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisationswert und dessen Chancen beeinträchtige. Er habe den Arbeitgeber im Rahmen der Beistandspflicht und Anzeigepflicht vor drohenden Schäden zu warnen und zu deren Beseitigung beizutragen. Die faktische Einflussmöglichkeit, die von der vereinbarten rechtlichen Ingerenz des Beschwerdeführers strikt zu unterscheiden sei, ergebe sich somit aus der Beschäftigung seiner Mitarbeiter in dessen Lokal mit dessen Wissen und Willen und der arbeitsrechtlichen Treuepflicht der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber, die die Obsorge über dessen Eigentum sowie die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Beschwerdeführer selbst in deren Freizeit umfasse.

Rechtsgrundlagen für ein derartiges Weisungsrecht seien die Treuepflicht und die Pflicht zur Beachtung betriebsbezogener Weisungen. Betriebsbezogene Weisungen seien auch solche, die sich außerhalb der Arbeitspflicht und ihrer Ausstrahlungen bewegten. Durch die Anwesenheit der Arbeitnehmer des Beschwerdeführers bei der Veranstaltung im Zusammenhang mit der jederzeit möglichen faktischen Einflussnahme durch Weisungen des Beschwerdeführers an seine Arbeitnehmer - selbst in deren Freizeit - habe die Möglichkeit bestanden, das im Lokal ausgeübte faktische Geschehen zu bestimmen. Die Arbeitnehmer des Beschwerdeführers seien im Notfall berechtigt, ja auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber diesem sogar verpflichtet gewesen, entgegen dem Willen der Veranstalterin Interessen ihres Arbeitgebers an dem Lokal und somit dessen betriebliche Interessen zu vertreten. Dadurch unterscheide sich die Stellung des Beschwerdeführers wesentlich von der des bloßen Vermieters von Räumlichkeiten, dem jede Möglichkeit der Einflussnahme auf das Geschehen in den vermieteten Räumlichkeiten fehle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 13 Abs. 4 VGSG lautet:

"Der Inhaber der für die Vergnügung benützten Räume oder Grundstücke haftet neben dem Unternehmer für die Vergnügungssteuer, sofern er nicht selbst steuerpflichtig ist. Entsteht die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb, so haftet der Verpächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen, mit den folgenden Einschränkungen: .... ."

Mit dem Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass § 13 Abs. 4 VGSG einerseits die uneingeschränkte Haftung des Inhabers der für die Vergnügung benützten Räume und andererseits, soweit die Steuerpflicht in einen Pachtbetrieb entsteht, die mehrfach eingeschränkte Haftung des Verpächters normiert.

Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, heißt ihr Inhaber (§ 309 Abs. 1 ABGB). Aus der Gegenüberstellung von Inhaber und nur beschränkt haftendem Verpächter in § 13 Abs. 4 VGSG ergibt sich - wie der Gerichtshof im Vorerkenntnis dargelegt hat -, dass diese Gesetzesbestimmung mit dem "Inhaber" den Fall der unmittelbaren Innehabung (im Wesentlichen Möglichkeit der Bestimmung des im Raum ausgeübten faktischen Geschehens) anspricht. Der Vermieter ist daher kein Inhaber im Sinne des § 13 Abs. 4 VGSG. Diese im Vorerkenntnis dargelegte Rechtsansicht hat der Gerichtshof auch danach in den Erkenntnissen vom 5. April 2001, 98/15/0099, und vom 20. März 2002, 99/15/0057, wiederholt, welche ebenfalls die Haftung für Vergnügungssteuer im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten für so genannte "Clubbings" zum Gegenstand hatten und worin der Gerichtshof zur Auffassung gelangte, dass die Überlassung der Räumlichkeiten an den Veranstalter bewirkt hat, dass der Veranstalter der unmittelbare Inhaber und der Überlassende nur mehr der mittelbare Inhaber und nicht mehr der Inhaber im Sinne des § 13 Abs. 4 VSGG war.

Diese Auslegung des Begriffes "Inhaber" in § 13 Abs. 4 VSGG entspricht einer verfassungskonformen Interpretation dieser Bestimmung. So hat der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Beschluss vom 26. Juni 1991, G 86/91 und 137/91, VfSlg 12.776, im Zusammenhang mit § 4 des Tiroler Vergnügungssteuergesetzes zur Frage der Haftung der dort als Eigentümer der dazu benutzten Räume oder Grundstücke normierten Person den Begriff des Eigentümers einschränkend ausgelegt, weil nur der verfügungsberechtigte Eigentümer, der die Räume oder Grundstücke als Inhaber tatsächlich beherrscht, zur Haftung herangezogen werden darf, wenn ein sonstiger Verfügungsberechtigter nicht vorhanden ist. Wenn dem Eigentümer also die unmittelbare Verfügungsgewalt über die Räumlichkeiten nicht mehr zukommt, wäre eine Haftung für Veranstaltungen in "seinen" Räumlichkeiten oder Gebäuden verfassungsrechtlich bedenklich. Dem entspricht das vom Verwaltungsgerichtshof gefundene Ergebnis, dass es sich beim Inhaber in Sinn des § 13 Abs. 4 VGSG um den unmittelbaren Inhaber handeln muss und eine mittelbare Inhaberschaft (vgl. dazu etwa Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I11, Seite 225 f) nicht zur Haftung führt.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass Dienstnehmer des Beschwerdeführers in ihrer Freizeit in den Räumlichkeiten anwesend waren, weil sie bei der Veranstalterin "tätig waren". Wegen einer arbeitsrechtlichen Treuepflicht gegenüber dem Beschwerdeführer als ihrem Dienstgeber hätten sie ihn etwa vor drohenden Schäden warnen und zu deren Beseitigung beizutragen gehabt. Es wäre ihnen die Obsorge über das Eigentum des Beschwerdeführers zugekommen und sie wären an seinen Weisungen selbst in deren Freizeit gebunden gewesen.

Mit diesen Feststellungen allein zeigt die belangte Behörde jedoch nicht auf, dass der Beschwerdeführer unmittelbarer Inhaber der Räumlichkeiten für die Zeit der Überlassung der Räumlichkeiten an die Veranstalterin gewesen wäre. Indem die belangte Behörde daher eine unmittelbare Inhaberschaft des Beschwerdeführers allein aus der Anwesenheit seiner Dienstnehmer in deren Freizeit angenommen hat, hat sie die Rechtslage verkannt.

Weder hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Dienstnehmern besondere Weisungen erteilt hätte, welche sich auf ein Beherrschen oder Kontrollieren der Räumlichkeiten während der Veranstaltungen erstreckt hätten, wodurch er allenfalls gemeinsam mit der Veranstalterin als Mitinhaber in Betracht gekommen wäre. Noch hat sie Feststellungen getroffen, wonach die Dienstnehmer des Beschwerdeführers eine Tätigkeit für den Betrieb des Beschwerdeführers entfaltet hätten. Ohne auf die von der belangten Behörde angeführten Pflichten der Dienstnehmer des Beschwerdeführers eingehen zu müssen, erweist sich die Schlussfolgerung als unberechtigt, dass allein auf Grund dieser Pflichten dem Beschwerdeführer eine faktische Einflussmöglichkeit auf das Geschehen während der Veranstaltungen zugekommen wäre. Zutreffend weist der Beschwerdeführer - wie bereits im Vorlageantrag - darauf hin, dass die in Rede stehenden Dienstnehmer auch in einem (eben die Zeit der Veranstaltungen betreffenden) Dienstverhältnis zur Veranstalterin gestanden seien. Dass in den Vereinbarungen des Beschwerdeführers mit der Veranstalterin Einschränkungen der Überlassung in irgendeiner Form getroffen worden wären, die dem Beschwerdeführer eine Einflussnahme auf das Geschehen während der Veranstaltungen zugebilligt hätten, behauptet nicht einmal die belangte Behörde.

Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung entsprach daher nicht dem Gesetz. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die Verfahrensrüge betreffend die Ausübung des Ermessens einzugehen.

Aus den im Vorerkenntnis zitierten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, folgt, dass der angefochtene Bescheid, weil er hinsichtlich des Abspruches über die Haftung aufzuheben ist, auch hinsichtlich des Abspruches über die Abgabenschuld aufgehoben werden muss.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der Pauschalsatz für den Schriftsatzaufwand beinhaltet bereits die Umsatzsteuer.

Wien, am 30. Juni 2005

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