Normen
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand seit Juli 2001 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. In Folge seiner - aus eigener Initiative erfolgten - Bewerbung als Hilfsarbeiter bei der B GmbH erhielt er eine Einstellungszusage mit möglichem Arbeitsantritt am 6. Mai 2002. Der Beschwerdeführer lehnte das Beschäftigungsangebot jedoch ab und erklärte laut der daraufhin bei der regionalen Geschäftsstelle des AMS aufgenommenen Niederschrift über die Gründe der Nichtannahme der Beschäftigung, der ihm angebotene Lohn sei für die "3-schichtige" Arbeit zu niedrig gewesen. Als berücksichtigungswürdige Gründe machte der Beschwerdeführer seine monatlichen Fixkosten und Schulden bei einer Bank geltend.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2002 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 38 AlVG in Verbindung mit § 10 AlVG aus, der Beschwerdeführer habe seinen Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 6. Mai 2002 bis 16. Juni 2002 verloren, weil er die Beschäftigung bei der B GmbH trotz Einstellungszusage nicht angenommen habe. Nachsicht sei nicht erteilt worden.
In seiner (als Einspruch bezeichneten) Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, er habe Kontakt zu diversen Firmen aufgenommen, am Ende jedoch stets eine Absage erhalten. Obwohl er von Beruf gelernter Steinmetz und Bildhauer sei, habe er sich auf ein Zeitungsinserat hin bei der B GmbH beworben. Nach einem Vorstellungsgespräch und der Besichtigung des Arbeitsplatzes seien ihm die Gehaltsvorstellungen seitens der B GmbH für eine "3 Schicht"-Arbeit zu gering erschienen und er habe das Dienstverhältnis "ausgeschlossen". Der Beschwerdeführer wies in seiner Berufung auf Negativberichte über die B GmbH, in welchen über alte Maschinen, Öl und Wasser am Boden, starkem Gestank und Durchzugsluft berichtet worden sei, hin. Für diese "sehr schmutzige Arbeit" sei der genannte Lohn zu gering. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, er müsse seine Gleitsichtbrille, welche bereits seit zwei Monaten zur Abholung bereit liege, sowie die KFZ-Versicherung bezahlen. Am 28. Juni 2002 habe er eine Arbeit angenommen, welche sowohl dem "Umfeld als auch dem Gehalt nach entsprechend" sei.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dem geltenden Kollektivvertrag für das holz- und kunststoffverarbeitende Gewerbe Österreichs sei zu entnehmen, dass der Lohn für einen Hilfsarbeiter, dessen Beschäftigung eine größere physische Belastung mit sich bringe, ab 1. Mai 2002 EUR 6,22 pro Stunde, und für sonstige Hilfsarbeiter EUR 5,91 pro Stunde betrage. Der Beschwerdeführer wäre als Hilfsarbeiter mit EUR 7,26 pro Stunde jedenfalls überkollektivvertraglich und somit angemessen im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG entlohnt worden. Für eine Nachtschicht hätten dem Beschwerdeführer Nachtdienstzulagen gebührt. Auch die vom Beschwerdeführer geschilderten Arbeitsbedingungen vermöchten keine Unzumutbarkeit der Beschäftigung zu begründen. Die weiteren Zumutbarkeitskriterien habe der Beschwerdeführer nicht bestritten.
Da der Beschwerdeführer die Aufnahme einer zumutbaren, sonst sich bietenden Arbeitsgelegenheit vereitelt habe, habe er gemäß § 10 Abs. 1 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für den genannten Zeitraum verloren. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Gleitsichtbrille und die Versicherung für sein Auto bezahlen zu müssen, mache keine Nachsichtsgründe im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG geltend, weil die Ausschlussfrist den Beschwerdeführer nicht unverhältnismäßig härter träfe als andere Arbeitslose, die ebenfalls Zahlungsverpflichtungen hätten. Die Arbeitsaufnahme des Beschwerdeführers sei außerhalb der Ausschlussfrist für den Bezug von Notstandshilfe gestanden und stelle daher ebenso wenig einen Nachsichtsgrund dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist (u.a.) arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternimmt, eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. Zumutbar ist eine Beschäftigung gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit., wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, dass der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert der Arbeitslose u.a. dann, wenn er sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Gemäß § 10 Abs. 2 leg. cit. ist der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z. B. Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen.
Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Zunächst ist dem Beschwerdevorbringen, der angefochtene Bescheid enthalte keine Bezeichnung der Behörde und entspreche daher nicht den Bestimmungen des § 58 Abs. 3 AVG i.V.m. § 18 Abs. 4 AVG, entgegenzuhalten, dass sich sowohl aus dem verwendeten Vordruck für die Bescheidausfertigung als auch dem Spruch und der Fertigungsklausel ergibt, dass der Bescheid von dem gemäß § 56 Abs. 4 AlVG eingerichteten Ausschuss für Leistungsangelegenheiten stammt.
Der Beschwerdeführer führt aus, die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Der angefochtene Bescheid beziehe sich lediglich auf ein mündliches Protokoll. Hätte die belangte Behörde den für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt entsprechend ermittelt, hätte sie erkennen müssen, dass der Beschwerdeführer die Berufung nicht mittels Protokoll, sondern schriftlich erhoben und nicht das AMS ihm die Stelle vermittelt, sondern er sich aus Eigeninitiative beworben habe.
Zu diesem Vorbringen genügt es, auf die Sachverhaltsschilderung (auf Seite 1) des angefochtenen Bescheides hinzuweisen, wo sowohl auf die schriftliche Berufung des Beschwerdeführers als auch auf das Inserat in den Vorarlberger Nachrichten Bezug genommen wird.
Soweit der Beschwerdeführer angibt, die belangte Behörde habe in der Begründung ihres Bescheides fälschlicherweise ausgeführt, er habe die Annahme der Arbeitsmöglichkeit bei der Firma "G" verweigert, obwohl er noch nie von dieser Firma gehört habe, ist anzumerken, dass es sich hierbei um einen unbeachtlichen Schreibfehler der belangten Behörde handelt, welcher dem richtigen Bescheidverständnis nicht im Wege steht, zumal aus der gesamten übrigen Begründung klar hervorgeht, dass die Nichtannahme der Beschäftigung bei der B GmbH sanktioniert wurde.
Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde mehrmals gegen die Anwendung des § 10 Abs. 1 AlVG und führt aus, nach dieser Gesetzesstelle verliere lediglich ein Arbeitsloser, welcher die Annahme einer ihm von der regionalen Geschäftsstelle des AMS zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung nicht annehme, seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Arbeitsstelle bei der B GmbH sei ihm jedoch nicht von der regionalen Geschäftsstelle des AMS zugewiesen worden. Er selbst sei durch eine Anzeige in den "VN" auf die Stelle aufmerksam geworden und habe sich daraufhin auf Grund seiner jahrelangen Tätigkeit als Kunststoffspritzer in der Schweiz beworben. Im gesamten Zeitraum vom Beginn seiner Arbeitslosigkeit im Juli 2001 bis zu der Wiederaufnahme einer Tätigkeit Ende Juni 2002 habe ihm das AMS nicht einen einzigen Arbeitsplatz vermittelt. Da Voraussetzung für den Verlust der Notstandshilfe sei, dass eine vom AMS vermittelte Stelle abgelehnt werde, er die Stelle jedoch nicht vom AMS angeboten erhalten hätte, sei der Ausspruch des Verlustes seines Anspruches auf Notstandshilfe rechtswidrig.
Dazu ist auszuführen, dass auch eine Beschäftigung, die dem Arbeitslosen nicht vom Arbeitsmarktservice zugewiesen worden ist, sondern die sich ihm sonst geboten hat, den Zumutbarkeitskriterien des § 9 AlVG unterliegt, sodass im Falle des Nichtzustandekommens dieser Beschäftigung die im AlVG vorgesehenen Sanktionen ausgelöst werden können. Daher kommt der Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 Abs. 1 AlVG auch im Zusammenhang mit solchen Beschäftigungen in Frage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2002, 2002/08/0064).
Bezüglich des Vorbringen des Beschwerdeführers, der ihm angebotene Lohn wäre zu gering gewesen, ist darauf hinzuweisen, dass die Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung gemäß § 9 Abs. 2 AlVG u.a. voraussetzt, dass die Beschäftigung "angemessen entlohnt" ist. Der VwGH vertritt hiezu in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine Entlohnung nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag jedenfalls angemessen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2003, 99/08/0121). Da sich aus den vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Ermittlungsergebnissen ergibt, dass die dem Beschwerdeführer angebotene Beschäftigung überkollektivvertraglich entlohnt worden wäre, ist das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet, die Unzumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung darzutun.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe nicht geprüft, ob die ihm angebotene Beschäftigung bei der B GmbH gesundheitsschädigend und daher unzumutbar im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG gewesen sei - dies obwohl er in seiner Berufung darauf eingegangen sei -, ist ihm zu entgegnen, dass er zwar in seiner Berufung auf Arbeitsbedingungen bei der B GmbH wie alte Maschinen, Öl und Wasser am Boden etc. hingewiesen hat, dies jedoch lediglich in dem Zusammenhang, dass der ihm angebotene Lohn für diese "sehr schmutzige Arbeit" zu gering gewesen sei. Dass die Annahme der Beschäftigung für ihn persönlich gesundheitsschädigend und aus diesem Grund unzumutbar gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer weder anlässlich der Aufnahme der Niederschrift beim AMS noch in seiner Berufung vorgebracht. Bezüglich seines erst in seiner Beschwerde erstatteten Vorbringens, die Annahme der Arbeit hätte einen gesundheitsschädigenden Einfluss gehabt, ist der Beschwerdeführer auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende, aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot zu verweisen.
Aus den dargestellten Gründen erwies sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen werden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. September 2005
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