Normen
BAO §303 Abs4;
EStG §4 Abs1;
BAO §303 Abs4;
EStG §4 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.199,04 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Rechtsnachfolger ihres am 17. Mai 1999 verstorbenen Vaters H.U. Dieser war bis zum 31. Dezember 1990 als Einzelunternehmer auf dem Gebiet des Holzhandels tätig. Zu diesem Stichtag brachte er seinen Betrieb in die neu gegründete U GmbH ein.
Für den Zeitraum 1988 bis 1990 fand im Unternehmen des H.U. eine abgabenbehördliche Prüfung statt. Im Betriebsprüfungsbericht vom 18. Februar 1992 gelangte der Prüfer zur Ansicht, dass die Entnahme einer näher bezeichneten Liegenschaft aus dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des H.U. nicht wie erklärt im Zeitpunkt der Betriebseinbringung zum 31. Dezember 1990, sondern bereits im Jahr 1988 vorzunehmen gewesen wäre, weil ab Jänner 1989 wesentliche Teile der Liegenschaft vermietet worden seien. Durch die Vermietung wesentlicher Teile der Liegenschaft sei der betrieblich genutzte Teil nur mehr von untergeordneter Bedeutung. Das gesamte Gebäude sei daher zum 31. Dezember 1988 dem Privatvermögen zuzurechnen. Dieser Vorgang führe zur Versteuerung der stillen Reserven des nunmehr in den Betriebvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG nicht mehr einzubeziehenden Wirtschaftsgutes.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechend geänderte mit 18. März 1992 datierte Bescheide.
Im Zuge einer gegen die Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide 1988 und 1989 erhobenen Berufung wurde mit Eingabe vom 23. April 1992 vorgebracht, dass die in Streit stehende Liegenschaft - wie ursprünglich erklärt - im Jahr 1990 in das Privatvermögen überführt worden sei. Da H.U.
Mehrheitsgesellschafter der mietenden L GmbH gewesen sei, sei das "Werk wirtschaftlich betrachtet weiterhin gewerblich genutzt" worden. Der Grund für diese Vorgangsweise sei gewesen, dass der Fuhrpark durch Absatzschwierigkeiten stark habe reduziert werden müssen, dadurch seien Service, Wartung und Reparatur dieses Fuhrparkes stark vermindert worden. Daher sei auch die Werkstätte für fremde Lkws im Rahmen der L GmbH genutzt worden.
Über entsprechende Nachfrage wurde mit Schreiben vom 5. Mai 1992 ergänzend vorgebracht, dass die in Rede stehende Liegenschaft seit deren Erwerb im November 1983 bis zum Abschluss des Mietvertrages mit der L GmbH ausschließlich durch die "Einzelfirma" (Holzexport) genutzt worden sei. Sämtliche Lkws seien in der Montagehalle gewartet worden. Auch seien in diesem Gebäude Holzlieferungen zwischengelagert und sämtliche verwaltungstechnischen Angelegenheiten abgewickelt worden. Zu den Nutzungsverhältnissen nach Abschluss des Mietvertrages heißt es sodann wörtlich:
"Wie im Schreiben vom 23. April 1992 ausgeführt, wurde hernach ein Teil der Halle an die (L GmbH) vermietet. Da sich diese erst konstituiert hatte, gab es in den Jahren 1989 und auch Anfang 1990 noch keine sehr umfangreiche Geschäftstätigkeit. Wie bereits mitgeteilt, ist (H.U.) zu 50 % Gesellschafter der (L GmbH) und es ist daher bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Übernahme in das Privatvermögen vor dem 31. Dezember 1990 hier erfolgt."
In seiner Stellungnahme vom 21. Mai 1992 äußerte der Prüfer die Ansicht, dass das Berufungsbegehren begründet erscheine, weil H.U. durch seine Stellung beim Bestandnehmer Einfluss auf diesen habe nehmen können. Die Entnahme aus dem Betriebsvermögen zum 31. Dezember 1988 sei somit nicht gerechtfertigt. Er verwies dazu auf einige Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters nahm er eine Neuberechnung der Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1988 bis 1990 vor.
Mit Bescheid vom 30. Juli 1992 nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 1990 gemäß § 303 Abs. 4 in Verbindung mit § 303 Abs. 1 lit. c BAO wieder auf und erließ einen neuen Gewerbesteuerbescheid für dieses Jahr. Weiters wurde der Ansicht des Prüfers folgend der Berufung für die Jahre 1988 und 1989 mit Berufungsvorentscheidung stattgegeben.
In seiner gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 1990 erhobenen Berufung brachte H.U. vor, dass weder Tatsachen noch Beweismittel neu hervorgekommen seien. Da auch "keine Vorfragen anhängig" gewesen und sämtliche Tatsachen im Betriebsprüfungsverfahren besprochen worden seien, werde der Antrag gestellt, den Wiederaufnahmebescheid ersatzlos aufzuheben.
Mit Berufungsentscheidung vom 30. Juni 1994, GZ. 135-5/92, wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Anders als das Finanzamt meine, liege keine Vorfrage im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. c BAO vor, doch seien neue Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO hervorgekommen. Der Prüfer sei bisher davon ausgegangen, dass wesentliche Teile der Liegenschaft an die L GmbH vermietet und die Eigennutzung nur im untergeordneten Ausmaß erfolgt sei. In den Schriftsätzen vom 23. April und 5. Mai 1992 sei dargelegt worden, dass nur Teile der Halle vermietet würden und H.U. seinen Fuhrpark, wie auch die Wartungen, Services und Reparaturen der Lkws, weiterhin, wenn auch in eingeschränktem Maße, betreibe. Erst durch die Kenntnis dieser Tatsachen habe sich eine neue, rechtlich zu beurteilende Situation ergeben. Anders als ursprünglich angenommen, habe die Eigennutzung des Gebäudes durch den Beschwerdeführer in einem höheren als dem bisher angenommenen - untergeordneten - Ausmaß stattgefunden, so dass die Entnahme des Gebäudes zum 31. Jänner 1988 zu Unrecht erfolgt sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 30. November 1999, 94/14/0124, (Vorerkenntnis) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Der Gerichtshof verwies darauf, dass dem gesamten erstinstanzlichen Verfahren nicht einmal ansatzweise entnommen werden könne, dass das Finanzamt bei Verfügung der Wiederaufnahme vom Hervorkommen neuer Tatsachen ausgegangen sei. Der Wiederaufnahmsbescheid sei vielmehr mit dem Hinweis auf den Wiederaufnahmsgrund der abweichenden Vorfragenentscheidung begründet. Selbst in der Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 21. Mai 1992 finde sich nicht der geringste Hinweis darauf, dass die Berufung neues Vorbringen enthalten habe. Für seine geänderte rechtliche Beurteilung habe sich der Prüfer lediglich darauf berufen, H.U. habe durch seine Stellung beim Bestandnehmer Einfluss auf diesen nehmen können. Diese Einflussmöglichkeit sei bereits den Feststellungen des Prüfungsberichtes vom 18. Februar 1992 über das besondere Naheverhältnis zwischen H.U. und der mietenden L GmbH zu entnehmen gewesen. Die Bestimmung des § 289 Abs. 1 BAO berechtige die Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht, den vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmsgrund durch einen anderen - ihrer Meinung nach zutreffenden - zu ersetzen. Aufgabe der Berufungsbehörde bei Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch das Finanzamt sei es daher zu prüfen, ob dieses das Verfahren aus den von ihm gebrauchten Gründen wieder aufnehmen durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmsgründen zulässig gewesen wäre. Die Beschränkung der Berufungsbehörde auf die Sache des Verfahrens erster Instanz schließe es aus, dass jene neue Wiederaufnahmsgründe heranziehe und solcherart an Stelle der Behörde, die gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständig sei, aus anderen Gründen die Wiederaufnahme bewillige. Liege der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmsgrund nicht vor, müsse die Berufungsbehörde den vor ihr angefochtenen Wiederaufnahmsbescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben. Am Finanzamt liege es dann, ob es etwa von der Berufungsbehörde entdeckte andere Wiederaufnahmsgründe aufgreife und zu einer (auch) neuerlichen Wiederaufnahme heranziehe.
Im fortgesetzten Verfahren wurde der Berufung vom 21. August 1992 betreffend die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1990 Folge gegeben.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2000 nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Einkommensteuer 1990 gemäß § 303 Abs. 4 BAO (neuerlich) wieder auf.
Begründend führte das Finanzamt aus:
"... Die Ansicht des Prüfers stützt sich auf 'die Vermietung wesentlicher Teile' der Liegenschaft an die LGmbH, an der der Abgabepflichtige mit 50% am Stammkapital beteiligt war, ab Jänner 1989.
Im Berufungsverfahren gegen die gleichzeitig erlassenen Einkommensteuerbescheide 1988 und 1989 ergänzte der steuerliche Vertreter mit Schriftsätzen vom 23. April 1992 bzw. 5. Mai 1992 den entscheidungswesentlichen Sachverhalt hinsichtlich der oa. Liegenschaft wie folgt:
- Es wurden im Gegensatz zur Annahme des Prüfers nur Teile der Halle an die LGmbH vermietet.
- Es erfolgten in den Jahren 1989 und 1990 Nutzungen der Halle (Wartung, Service und Reparaturen der Lkws) für sein weiterhin - wenn auch im eingeschränktem Maße - betriebenes Einzelunternehmen nicht nur im untergeordneten Ausmaß.
Diese dem Finanzamt erst nach der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1990 am 18. März 1992 bekanntgewordenen Tatsachen hinsichtlich der betroffenen Liegenschaft lassen erkennen, dass die Entnahme des Gebäudes zum 31. Dezember 1988 zu Unrecht erfolgt ist. Diese ist vielmehr - wie auch ursprünglich erklärt - zum 31. Dezember 1990 vorzunehmen.
Da die oa. neu hervorgekommenen Tatsachen bei Kenntnis dieser Umstände im Verfahren zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt hätten, war die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO zu verfügen.
Bei der diesbezüglichen Ermessensübung war im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit einzuräumen, zumal die Berücksichtigung der neuen Tatsachen zu den einzigen Änderungen des neuen Sachbescheides führen."
Die dagegen erhobene Berufung vom 27. Dezember 2000 wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die entscheidungswesentlichen Tatsachen - Nutzung der Liegenschaft für den eigenen Fuhrpark, Wartung, Service und Reparaturen der eigenen Lkws, somit die Eigennutzung der Liegenschaft durch den Betrieb des H.U. in einem höheren als dem ursprünglich angenommenen untergeordneten betrieblichen Ausmaß - hätten vor Erstellung des Bescheides vom 18. März 1992 bestanden und seien Umstände, die dem Finanzamt erst durch die Schriftsätze vom 23. April 1992 und 5. Mai 1992 bekannt geworden seien. Somit seien diese Tatsachen nachträglich hervorgekommen und habe das Finanzamt erst durch die Kenntnis dieser Tatsachen eine neue, rechtlich zu beurteilende Situation vorgefunden. Die (neuerliche) Wiederaufnahme des Verfahrens sei daher berechtigt, zumal - anders als die Beschwerdeführer vorgebracht hätten - dasselbe Verfahren bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch wiederholt wiederaufgenommen werden könne.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die neuerlich verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1990 u. a. mit dem Vorbringen, dem Finanzamt seien bereits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung am 18. März 1992 sämtliche für die rechtsrichtige Beurteilung erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung gestanden. Die diesbezüglichen Erhebungsergebnisse hätten bereits im Betriebsprüfungsbericht vom 18. Februar 1992 ihren Niederschlag gefunden. Weder durch die Schriftsätze vom 23. April 1992 und 5. Mai 1992 noch durch andere Umstände seien entscheidungserhebliche Tatsachen neu hervorgekommen. Die gegenteiligen Ausführungen der belangten Behörde auf Seite 8 des angefochtenen Bescheides seien aktenwidrig.
Das Finanzamt und ihm folgend die belangte Behörde stützen die Wiederaufnahme des Verfahrens darauf, dass auf Grund der Schriftsätze vom 23. April 1992 und 5. Mai 1992 entscheidungserhebliche Tatsachen neu hervorgekommen seien. Zum einen sei dem Finanzamt bekannt geworden, dass nur Teile der "Halle" an die L GmbH vermietet worden seien; zum anderen sei dem Finanzamt bekannt geworden, dass die "Halle" in den Jahren 1989 und 1990 nicht nur im untergeordneten Ausmaß weiterhin für Zwecke des Einzelunternehmens genutzt worden sei. Beide Feststellungen finden - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - im Akteninhalt keine Deckung.
Dass nur ein Teil der Liegenschaft vermietet war, brachte bereits der Prüfer in Tz. 15 seines Berichtes vom 18. Februar 1992 zum Ausdruck, wenn es dort heißt, "ab Jänner 1989 werden wesentliche Teile der Liegenschaft vermietet" und "ist der betrieblich genutzte Teil der Liegenschaft nur mehr von untergeordneter Bedeutung". Konkrete Feststellungen darüber, welche vom Prüfer als nicht wesentlich beurteilte Teile der Liegenschaft weiterhin betrieblich verwendet wurden, finden sich im Bericht nicht. Derartige, allenfalls entscheidungswesentliche Angaben finden sich allerdings auch in den beiden Schriftsätzen vom 23. April 1992 und 5. Mai 1992 nicht. In welchem Ausmaß tatsächlich Teile der Liegenschaft nach deren Vermietung an die L GmbH noch für das von H.U. bis zum Jahr 1990 geführte Einzelunternehmen Verwendung fanden, wird in den beiden Eingaben des Jahres 1992 nicht aufgezeigt. Solcherart stellt die Annahme der belangten Behörde, die strittige Liegenschaft sei auch nach der Vermietung an die L GmbH in "einem höheren als ursprünglich angenommenen untergeordneten Ausmaß" betrieblich genutzt worden, eine bloße Mutmaßung und keine durch den angeführten Schriftverkehr neu hervorgekommene Tatsache dar, auf welche die Wiederaufnahme des Verfahrens hätte gegründet werden können. Nach dem Inhalt der vorgelegten Akten liegt das Ausmaß der betrieblichen Nutzung der Liegenschaft ab dem Zeitpunkt der Vermietung an die L GmbH vielmehr nach wie vor im Dunkeln, sodass auch nicht gesagt werden kann, zu welchem Zeitpunkt tatsächlich eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens hätte erfolgen müssen (zur Frage, ob ein vermietetes Gebäude notwendiges Betriebsvermögen darstellt siehe zur Vollständigkeit halber auch das hg. Erkenntnis vom 29. September 2004, 2000/13/0125).
Die belangte Behörde hat der Wiederaufnahme des Verfahrens somit einen Sachverhalt zugrundegelegt, der mit der Aktenlage nicht übereinstimmt. Der angefochtene Bescheid leidet daher an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 16. März 2005
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)