Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 10. August 1999 verkaufte die E GmbH, deren alleinige Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin war, eine Liegenschaft zum Kaufpreis von S 8,8 Mio zuzüglich S 1,760.000,-- Umsatzsteuer.
Mit Eingabe vom 16. November 1999 wurde dem Finanzamt seitens der E GmbH mitgeteilt, dass der Kaufvertrag im September 1999 "unbedingt geworden" sei. Die (näher bezeichnete) Bank habe auch vorerst den Umsatzsteuerbetrag vereinnahmt, wobei auf Grund des Kaufvertrages vollkommen offensichtlich gewesen sei, dass es sich bei dem "Überbetrag von ATS 1,760.000,--" um die aus dem Kaufgeschäft resultierende Umsatzsteuer gehandelt habe, und habe sich trotz intensiver Bemühungen der Geschäftsführung nicht bereit erklärt, dieselbe zur Ablieferung an das Finanzamt herauszugeben. Die Gesellschaft sei zwischenzeitig überschuldet, sie sei durch "die Maßnahmen" der Bank illiquid geworden. Die Geschäftsführung sehe sich derzeit auf Grund der durch die Bank gesperrten Konten außer Stande, die Umsatzsteuer bei Fälligkeit an das Finanzamt zu entrichten, sondern sei voraussichtlich gezwungen, in den nächsten Tagen die Insolvenz anzumelden.
In der Folge wurde mit Beschluss vom 18. November 1999 das Konkursverfahren eröffnet.
Die von der E GmbH eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung für September 1999 wies eine Zahllast von S 1,470.724,-- aus und wurde am 24. November 1999 verbucht.
Mit Haftungsbescheid vom 1. Februar 2000 wurde die Beschwerdeführerin für die am 15. November 1999 fällig gewesene Umsatzsteuer in Anspruch genommen. In der Prüfungstagsatzung vom 27. Jänner 2000 sei erklärt worden, dass eine Konkursquote nicht zu erwarten sei.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, am 15. November 1999 sei der Bank mittels Telebanking die Anweisung gegeben worden, den Betrag von S 1,470.724,-- an das Finanzamt zu überweisen, die Bank habe die Anweisung aber nicht durchgeführt. Ein Verschulden der Beschwerdeführerin liege daher nicht vor. Im Rahmen einer Vorhaltsbeantwortung wurde vorgebracht, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages hätte die Beschwerdeführerin davon ausgehen können, dass die Bank die Umsatzsteuer laut Voranmeldung überweisen werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die in der Berufung angeführte Verantwortung der Beschwerdeführerin könne den Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht entkräften. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei im Abschluss eines Globalzessionsvertrages, durch den einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt, andererseits andere andrängende Gläubiger aber benachteiligt werden, eine dem Geschäftsführer vorzuwerfende Pflichtverletzung zu erblicken, wenn es der Vertreter der Körperschaft unterlassen hat, insbesondere durch entsprechende Vertragsgestaltung, vorzusorgen, dass die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, durch den Vertrag nicht beeinträchtigt werde.
Gleiches müsse für den gegenständlichen Fall gelten. Die Beschwerdeführerin wäre verpflichtet gewesen, bei Abschluss des Liegenschaftskaufvertrages vom 10. August 1999 vorzusorgen, dass die aus der Veräußerung resultierende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden könne. Stattdessen sei vereinbart worden, den Gesamtkaufpreis auf ein Treuhandkonto zu überweisen, wissend, dass dieser Gesamtbetrag in weiterer Folge auf das Konto der Primärschuldnerin bei der Bank ausbezahlt werde, auf welchem "offenkundig ein diesen Betrag weit übersteigender Rückstand ausgewiesen" gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdeführerin gehindert gewesen wäre, mit der Liegenschaftskäuferin beispielsweise eine Vereinbarung zu treffen, wonach diese die Umsatzsteuer direkt an das Finanzamt und nur den Nettokaufpreis auf das Treuhandkonto zu überweisen habe, oder die Umsatzsteuer unter Verwendung des bei der Käuferin entstandenen Vorsteuerüberschusses durch Überrechnung desselben auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin getilgt werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin stellt eine durch Unterlassung einer entsprechenden Vertragsgestaltung entstandene schuldhafte Pflichtverletzung in Abrede. Sie rügt, dass ihre qualifizierte Mitwirkungspflicht nicht so aufgefasst werden dürfe, dass die Abgabenbehörde jedweder Ermittlungen entbunden gewesen wäre. Hätte die Behörde ihrer Ermittlungspflicht entsprochen, so hätte sie insbesondere aus dem Bericht des Masseverwalters ersehen müssen, dass zum Zeitpunkt der Kaufvertragsgespräche (im Mai 1999) und Kaufvertragserrichtung (10. August 1999) Zahlungsschwierigkeiten keinesfalls bestanden hätten. Nach diesem Bericht sei bis Ende August/Anfang September von Zahlungsschwierigkeiten "weit und breit" keine Rede gewesen. Die Beschwerdeführerin hätte daher berechtigt davon ausgehen können, dass die Bank die entsprechende Umsatzsteuer auf Anweisung der Beschwerdeführerin an das Finanzamt weiterleiten würde.
Nun wurde zwar das Beschwerdevorbringen, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages hätten noch keine Zahlungsschwierigkeiten bestanden, erstmalig in der Beschwerde vorgetragen, weshalb es vor dem Hintergrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich ist. Bereits im Verwaltungsverfahren wurde allerdings zumindest behauptet, die Beschwerdeführerin hätte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages davon ausgehen können, dass die Bank die Umsatzsteuer laut Voranmeldung überweisen werde.
Es trifft zu, dass die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers, nach welcher es ihm obliegt, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen hat, nicht bedeutet, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Entspricht der Geschäftsführer seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. April 2005, 2001/13/0220).
Auch wenn das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, sie hätte im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages davon ausgehen können, dass die Bank die Umsatzsteuer laut Voranmeldung (an das Finanzamt) überweisen werde, allein noch nicht aufzeigt, dass die Beschwerdeführerin an der Unterlassung der Entrichtung der in Rede stehenden Umsatzsteuer kein Verschulden trifft, war es doch soweit substanziiert, dass es an der belangten Behörde gelegen wäre, die sachliche Grundlage dieser Behauptung zu hinterfragen und allenfalls entsprechende Ermittlungen durchzuführen. Die angesprochene Behauptung der Beschwerdeführerin war - ihre Richtigkeit vorausgesetzt - in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen an sich nicht ungeeignet, das Fehlen eines Verschuldens der Beschwerdeführerin an der Unterlassung der Entrichtung der Umsatzsteuer darzutun. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde nicht, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft, zur Vermeidung eines Verschuldens im Sinn des § 9 BAO, bei Abschluss von Verträgen in jedem Fall eine Vertragsgestaltung wählen muss, bei welcher - hinsichtlich einer abzuführenden Umsatzsteuer - jedenfalls eine Abwicklung über ein Bankkonto vermieden wird.
Im Übrigen begründete die belangte Behörde aber auch ihre Annahme, dass auf dem den Kaufpreis aufnehmenden Bankkonto der Primärschuldnerin "offenkundig ein den Kaufpreis weit übersteigender Rückstand ausgewiesen" gewesen sei, nicht. Hinzu kommt, dass auch ein "Rückstand" durchaus einem mit der Bank vereinbarten Kreditrahmen entsprechen kann. Ist aber ein vereinbarter Kreditrahmen nicht überschritten, so wäre auch eine im Beschwerdefall behauptete überraschende "Kontensperre" nicht ohne Weiteres als schon absehbar zu beurteilen.
Da die belangte Behörde bei Durchführung entsprechender, durch die Berufungsbehauptungen erforderlicher Ermittlungen zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid hätte kommen können, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 26. Juli 2005
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