VwGH 2001/13/0162

VwGH2001/13/016211.5.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Keidel LL.M., über die Beschwerde der Dr. IM in W, vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stephansplatz 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat Ia) vom 19. März 2001, Zl. RV/424-15/2000, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1995 bis 1998, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §166;
BAO §167 Abs2;
BAO §177;
EStG §8 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
BAO §166;
BAO §167 Abs2;
BAO §177;
EStG §8 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Zahnärztin. Nach Tz 13 des Betriebsprüfungsberichtes vom 31. März 2000 (Prüfungszeitraum 1995 bis 1998) wurde der Berechnung der AfA für das Gebäude, in dem sich auch die Ordination befindet, ab dem Jahr 1995 eine Restnutzungsdauer von fünf Jahren zu Grunde gelegt (jährlicher AfA-Betrag von 217.119 S). Da § 8 EStG 1988 für Betriebsgebäude "von Freiberuflern" generell einen AfA-Satz von 2 % vorsehe, änderte der Prüfer die Jahres-AfA auf einen dementsprechenden Betrag von 39.476 S ab.

Gegen die auf der Grundlage des Prüfungsberichtes ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1998 erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Die Berufung richtete sich dagegen, dass "die Abschreibung der Ordinationsräumlichkeiten lediglich auf 50 Jahre zugestanden wurde". Zur Begründung verwies die Beschwerdeführerin auf ein der Berufung beigelegtes Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen, aus dem eine Restnutzungsdauer des Gebäudes von maximal acht Jahren hervorgehe (insgesamt sei deshalb eine jährliche AfA von 197.382 S anzusetzen).

Das der Berufung beigeschlossene Gutachten vom 17. April 2000 erging zum Zweck der "Bestandsbewertung, Restnutzungsdauer". Unter dem Punkt "Befund und Gutachten" führt der Gutachter wie folgt aus:

"1) Lage des Objektes:

Das Reihenhaus liegt an der Ostseite der Liegenschaft als fünftes Haus in der östlichen Reihe, von Ost nach West ausgerichtet.

2) Beschreibung des Objektes:

Im Kellergeschoß befindet sich der Hauseingang mit Vorraum, WC und Stiege. An der westlichen und südlichen Seite ist je ein Kellerlagerraum errichtet. Im Erdgeschoß ist die Küche, ein Aufenthaltsraum und die Stiege untergebracht. Im Obergeschoß ist die Ordination und ein Warteraum sowie ein kleines Labor untergebracht.

Die Reihenhausanlage wurde im Jahre 1974 errichtet. Aufgrund von Anraineraussagen wurde diese Anlage seinerzeit von mehreren Firmen errichtet und bei den Materialien wesentliche Einsparungen vorgenommen.

Beim Lokalaugenschein wurden folgende Mängel festgestellt:

1) Die Wärme und Schallisolierung entspricht nicht dem Stand der Technik.

2) An der Ost- und Westseite sind an der Fassade Horizontalrisse mit einer Länge von ca. 2,0 - 2,50 m sichtbar. Dadurch ist auch die Fassade des Hauses in einem schlechten Zustand. Die Risse weisen auf schlechte Fundierung des Objektes hin.

3) Die Verblechung und Saumausbildung des Hauses ist in einem schlechten Zustand, ebenso die Dachdeckung.

Das Reihenhaus wurde vom jetzigen Eigentümer im Jahre 1984 erworben. Sanierungen und Erhaltungsarbeiten wurden nur zur optischen, jedoch nicht zur Substanzverbesserung durchgeführt.

Zeitwert des Hauses gerundet einschl. einer 85% Minderung des Bau- und Erhaltungszustandes ÖS 600.000,00

geschätzte Sanierungskosten ca. ÖS 1.850.000,00.

Die Bewertung erfolgt ohne Zuzählung der Mehrwertsteuer.

Eine Generalsanierung des Objektes würde den derzeitigen Wert des Reihenhauses um mehr als das dreifache übersteigen und würde eine reine Liebhaberei darstellen.

Aufgrund des Baualters und des Bau- und Erhaltungszustandes wird eine Restnutzungsdauer des Reihenhauses von max. 8 Jahren angenommen."

In einer seitens der Betriebsprüfung abgegebenen Stellungnahme zur Berufung wurde festgehalten, dass ab dem Jahr 1984 zunächst eine voraussichtliche Nutzungsdauer von 20 Jahren (AfA-Satz 5 %) angenommen und in den Steuererklärungen für die Jahre 1995 bis 1998 "(irrtümlich)" eine Nutzungsdauer von nur mehr fünf Jahren (AfA-Satz 20 %) angesetzt worden sei. Bereits in den Jahren 1984 bis 1988 hätte richtigerweise eine Gesamtnutzungsdauer von 50 Jahren der AfA-Berechnung zu Grunde gelegt werden müssen, wie dies ab dem Jahr 1989 auch in die Bestimmung des § 8 Abs. 1 EStG 1988 gesetzlich verankert sei. Zu den im vorgelegten Gutachten dargestellten Mängeln führte die Prüfung aus, eine nicht mehr dem Stand der Technik entsprechende Wärme- und Schallisolierung könne nicht die voraussichtliche Nutzungsdauer eines Gebäudes schmälern. Die unter den Punkten 2 und 3 angeführten Mängel seien nur allgemein gehalten und könnten ebenfalls die voraussichtliche Nutzungsdauer nicht vermindern. Es werde "nur ein schlechter Zustand der Fassade wegen nicht näher beschriebener Horizontalrisse von ca 2,0 bis 2,50 m (ohne Angabe der Zahl), sowie ein schlechter Zustand der Verblechung und der Dachdeckung angegeben. Ein Nachweis über eine schlechte Fundierung des Gebäudes wegen der angeführten Risse der Fassade sei ebenfalls nicht gegeben." Das der Berufung beigelegte Gutachten sei insgesamt nicht geeignet, eine kürzere Nutzungsdauer als 50 Jahre nachzuweisen.

Zur Stellungnahme der Betriebsprüfung legte die Beschwerdeführerin eine mit 31. Oktober 2000 datierte "Ergänzung zum Gutachten vom 17.04.2000" mit folgendem Wortlaut vor:

"zu Pkt. 1.

Die Wärme- und Schallisolierung entspricht nicht dem Stand der Technik d.h., dass die Räumlichkeiten als Wohnung als auch als Ordination nur bedingt mit großem Aufwand an Energieverbrauch genutzt werden können.

zu Pkt. 2.

An der Ostseite wurden an 2 Stellen die Fundamente freigelegt, wobei festgestellt wurde, dass die Tiefe der Fundamente nur 60 - 70 cm = im Mittel 65 cm beträgt d.h., die Fundamente sind nicht auf frostfreie Tiefe geführt und dies entspricht nicht den statischen Grundvoraussetzungen.

Die im Gutachten vom 17.04.00 angeführten Mängel und die in der Ergänzung zum Gutachten angeführten Punkte sind als Bestandminderung zu bewerten und beeinträchtigen die Nutzungsdauer."

Im angefochtenen Bescheid traf die belangte Behörde auf der Grundlage des Einheitswertsaktes Feststellungen dahingehend, dass die Fertigstellung der Reihenhausanlage zwischen März 1978 und November 1979 erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin habe das Gebäude mit Kaufvertrag vom 20. Jänner 1984 erworben (Gebäudewert lt. Kaufvertrag 1,600.000 S). Die Annahme eines höheren AfA-Satzes als im § 8 Abs. 1 EStG 1988 für gegenständliche Betriebsgebäude vorgesehen bedürfe eines Nachweises seitens des Steuerpflichtigen. Sachverständigengutachten unterlägen der freien Beweiswürdigung und seien auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen. Vom Finanzamt seien der Beschwerdeführerin in Form der Stellungnahme des Betriebsprüfers Bedenken zu dem von ihr vorgelegten Gutachten übermittelt worden, womit ihr auch Parteiengehör gewährt worden sei.

Nach Ausführungen zum "Gutachten im Einzelnen (Kritik des Gutachtens)" kommt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis, dass die über den Bereich eines Befundes hinausgehende gutachterliche Aussage zur Nutzungsdauer nicht über den Rahmen einer Behauptung hinausgehe. Das Gutachten enthalte weder Berechnungen noch Angaben, "wie sich aus den attestierten Mängeln gerade die Nutzungsdauer von acht Jahren ergibt". Der Sachverständige stelle auch die von vornherein unwahrscheinliche Behauptung auf, das Gebäude hätte eine maximale Nutzungsdauer von 29 Jahren, wobei offen bleibe, warum nach Ablauf dieses Zeitraumes das Gebäude (bei dem es sich um ein mit Baubewilligung errichtetes Wohngebäude handle) nicht mehr nutzbar sein solle. Hinweise, dass die angeblich schlechte Fundierung des Gebäudes bereits konkrete baupolizeiliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich gemacht hätte oder diese in nächster Zeit bevorstünden, seien der Aktenlage nicht zu entnehmen und von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet worden. Auch den Ausführungen des Sachverständigen in der Gutachtensergänzung sei nicht nachvollziehbar zu entnehmen, weshalb die maximale Restnutzungsdauer des Gebäudes acht Jahre betragen solle. Insgesamt erweise sich das Gutachten daher als nicht geeignet, eine vom Gesetz abweichende Nutzungsdauer nachzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

§ 8 Abs. 1 dritter Teilstrich EStG 1988 bestimmt, dass die Absetzung für Abnutzung ohne Nachweis der Nutzungsdauer von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Gebäude bis zu 2 % beträgt, soweit diese "anderen betrieblichen Zwecken" dienen.

§ 8 Abs. 1 legt "ohne Nachweis" für zu "anderen betrieblichen Zwecken" genutzte Gebäude einen AfA-Satz von bis zu 2 % fest. Im Einzelfall ist der Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer (und damit höheren AfA-Satzes) möglich (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, III A, Tz 3 zu § 8). Die Beweislast in Ansehung einer kürzeren Nutzungsdauer trifft den Steuerpflichtigen, wobei der Nachweis grundsätzlich mit einem Gutachten zu führen ist. Die Behörde hat sich mit einem vorgelegten Gutachten auseinander zu setzen, sie ist aber nicht grundsätzlich verpflichtet, ein Gegengutachten erstellen zu lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2005, 2000/15/0074).

Die Beschwerdeführerin hat zum Nachweis der kürzeren Nutzungsdauer ein Sachverständigengutachten beigebracht, welches die belangte Behörde mangels Nachvollziehbarkeit nicht als taugliches Beweismittel anerkannt hat. Sachverständigengutachten sind wie jedes andere Beweismittel der freien Beweiswürdigung zugänglich. Die Beweiswürdigung unterliegt insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als es sich um die Beurteilung handelt, ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2003, 2001/13/0277).

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit den Ausführungen im Gutachten (samt Ergänzung) im Einzelnen auseinander gesetzt und nicht allein deshalb "am Ergebnis des Gutachtens gerüttelt …, indem gerügt wird, der Sachverständige hätte die Tiefe oder Breite der Risse im Gutachten nicht angegeben". Im angefochtenen Bescheid wurden vielmehr die Äußerungen des Gutachters insgesamt als zu allgemein kritisiert, wobei vor allem der Schluss auf die vom Sachverständigen angegebene (Rest-)Nutzungsdauer nicht nachvollziehbar sei (es handle sich dabei im Ergebnis um eine bloße Behauptung). Diese Beurteilung kann an Hand des oben wiedergegebenen Inhaltes des beigebrachten "Gutachtens" (samt Ergänzung), das insbesondere keinen nachvollziehbaren Bezug zwischen dem Befund und der vom Gutachter angesetzten Restnutzungsdauer von (lediglich) "max. 8 Jahren" herstellt, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wenn in der Beschwerde die Meinung vertreten wird, die belangte Behörde hätte, um "das Gutachten außer Kraft setzen zu können", weitere Ermittlungsschritte setzen müssen (so etwa den Gutachter laden und zu ergänzenden Darstellungen veranlassen müssen), übersieht die Beschwerdeführerin die primär sie treffende Nachweispflicht, wobei die belangte Behörde ohnedies auch zu Recht darauf hinwies, dass mit der Übermittlung der bereits die Mängel des Gutachtens ansprechenden Stellungnahme des Betriebsprüfers das Parteiengehör gewahrt wurde.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. Mai 2005

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