VwGH 2001/08/0129

VwGH2001/08/012929.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der B GmbH & Co KG in D, unterfertigt von Dr. Wilfried Eisele, Rechtsanwalt in 6890 Lustenau, Kaiser-Franz-Josef-Straße 31, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 8. Juni 2001, Zl. IVb-609- 2000/0040, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Vorarlberger Gebietskrankenkasse in 6850 Dornbirn, Jahngasse 4), zu Recht erkannt:

Normen

ArbVG §3 Abs1;
ArbVG §8;
ArbVG §9;
ARG 1984 §9;
ASVG §49 Abs1;
GewO 1994 §2 Abs13;
KollV Handelsangestellte;
ArbVG §3 Abs1;
ArbVG §8;
ArbVG §9;
ARG 1984 §9;
ASVG §49 Abs1;
GewO 1994 §2 Abs13;
KollV Handelsangestellte;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Kostenbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Die Beschwerdeführerin betreibt einen Büromaschinenhandel mit technisch höherwertigen Produkten. Sie nimmt die Montage der Verkaufsprodukte an Ort und Stelle vor und stimmt sie auf die Bedürfnisse des Kunden ab. Montage-, Wartungs- und allfällige Reparaturarbeiten werden von Technikern der Beschwerdeführerin vorgenommen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse führte am 6. Oktober 1998 für den Zeitraum Juni 1994 bis Juli 1998 eine Beitragsprüfung bei der Beschwerdeführerin durch. Sie ging bei der Beitragsprüfung in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin davon aus, dass im Prüfungszeitraum für die bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Dienstnehmer der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten und der Kollektivvertrag für die Gewerbeangestellten (Metallinnungen) gelte. Der zuletzt genannte Kollektivvertrag sieht für das Jahr 1995 eine einmalige Sonderzahlung von S 2.000,-- vor; die Beschwerdeführerin habe hiefür keine Beiträge entrichtet. Weiters stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass für den Dienstnehmer Uwe T. bei Berechnung des Urlaubs- und Feiertagsentgeltes die regelmäßigen Provisionen nicht berücksichtigt worden seien. Schließlich hielt die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass hinsichtlich des Dienstnehmers Karl-Heinz B. die Ist-Lohnerhöhung entgegen der kollektivvertraglich gebotenen Aufrechterhaltung der Überzahlung nicht durchgeführt worden sei.

2. Mit Bescheid vom 15. Mai 2000 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin für die in der Beitragsnachverrechnung vom 17. November 1998, die einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bilde, namentlich genannten Dienstnehmer die dort ausgewiesenen allgemeinen Beiträge, sonstige Beiträge, Umlagen und Sonderbeiträge für die jeweils näher bezeichneten Zeiträume zu entrichten (Spruchpunkt I.) und die auf Grund der Beitragsnachverrechnung vorzuschreibenden Verzugszinsen bis einschließlich 17. November 1998 in der in der genannten Beilage angeführten Höhe zu bezahlen (Spruchpunkt II.).

In der Begründung wurde hiezu - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - ausgeführt, auf die Dienstverhältnisse dreier näher bezeichneter Dienstnehmer der Beschwerdeführerin sei der Kollektivvertrag der Gewerbeangestellten (Metallinnungen) anzuwenden. Dieser Kollektivvertrag habe für die ihm unterliegenden Dienstnehmer im Jahr 1995 eine bis spätestens 1. Juni zu zahlende einmalige Sonderzahlung von S 2.000,-- vorgesehen. Die Beschwerdeführerin habe diese "einmalige Sonderzahlung" nicht bekannt gegeben und davon keine allgemeinen Beiträge, sonstigen Beiträge und Umlagen entrichtet. Es sei daher eine Nachverrechnung vorzunehmen gewesen.

Auf das Dienstverhältnis des Karl-Heinz B. sei der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten anzuwenden. Der Dienstnehmer sei überkollektivvertraglich entlohnt worden. Dieser Kollektivvertrag habe für den 1. Jänner 1994, 1995, 1996 und 1997 eine prozentuelle Erhöhung des Istgehaltes (innerhalb von Mindest- und Höchstbeträgen) ausgehend vom vorhergehenden Dezembergehalt vorgesehen. Die Beschwerdeführerin habe entgegen der Anordnung des Kollektivvertrages die Erhöhung des Ist-Lohnes nicht vorgenommen.

Der Angestellte Uwe T. habe regelmäßig Provisionen bezogen. Die Beschwerdeführerin habe den Durchschnitt dieser Provisionen, die dieser Dienstnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor den Feiertagen und Urlauben in den Kalenderjahren 1994 bis 1997 erwirtschaftet habe und die auf die jeweiligen Feiertage und Urlaube entfielen, nicht bekannt gegeben und davon keine allgemeinen Beiträge, sonstigen Beiträge und Umlagen entrichtet. Die Ansprüche des Uwe T. gründeten sich auf § 6 Urlaubsgesetz und § 9 Arbeitsruhegesetz.

3. Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch. Darin führte sie zur Frage der Anwendung des Kollektivvertrages der Gewerbeangestellten (Metallinnungen) aus, sie beschäftige Techniker, um die verkauften Produkte beim Kunden aufstellen zu können. Die Technikabteilung diene überwiegend dem Verkauf. Sie wäre ohne den Verkauf nicht denkbar und existenzfähig. Aus diesem Grunde sei die Werkstätte organisatorisch in den Gesamtbetrieb eingegliedert. Die Gesellschaft bestehe daher aus einer organisatorischen Einheit, bei der der Handel dominiere. Es sei daher nur ein Kollektivvertrag anzuwenden und zwar der, der für die überwiegende Anzahl der Mitarbeiter gelte. Somit komme nur der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten in Betracht. Die übrigen Gewerbeberechtigungen seien 1999 gelöscht worden, weil sie überflüssig gewesen seien. Der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten sehe keine zusätzliche Sonderzahlung in Höhe von S 2.000,-- vor. Die darauf basierende Beitragsnachvorschreibung sei daher zu Unrecht erfolgt.

Dem als Vertreter beschäftigten Karl-Heinz B. sei eine fixe Provision zugesichert worden. Es seien aber Verkaufserwartungen festgelegt worden, die er zu erfüllen gehabt habe. Diese Verkaufserwartungen habe er nicht erfüllt. Bei den jährlichen, zu Beginn eines Kalenderjahres stattfindenden Gehaltsgesprächen sei dies mit ihm erörtert worden. Hiebei habe Karl-Heinz B. "eingesehen", dass er mangels Erfüllung seiner Zusagen keine zusätzlichen Entgelte erwarten könne und habe sich mit der vorgeschlagenen Entlohnung für das neu begonnene Jahr einverstanden erklärt. Er habe eine vorgeschlagene schriftliche Abmachung mit dem Hinweis nicht unterfertigt, dass ihm sein Rechtsvertreter davon abgeraten habe. Er sei aber mit den Regelungen einverstanden gewesen, weil er die vereinbarten Umsatzziele nicht erreicht habe. Auch nach seinem Austritt habe er deswegen keine Ansprüche gestellt. Seine Entgeltansprüche seien somit voll erfüllt worden.

Uwe T. habe zufolge des Gebietsschutzes für alle Verkäufe Provisionen erhalten. Der formelle Fehler der Beschwerdeführerin liege darin, "dass die während des Jahres angefallenen Provisionen nicht anteilig auf den Urlaub und die Feiertage reserviert" und dann gesondert als Entgelt hiefür ausgewiesen worden seien. Dieser formelle Fehler habe dazu geführt, dass die Provisionen in den einzelnen Monaten, in die keine Feiertage gefallen seien und in denen kein Urlaub konsumiert worden sei, zu hoch ausgewiesen worden seien. In der Endsumme ergebe sich aber keinerlei Änderung. Per Saldo seien sohin die gesamten Ansprüche des Uwe T. gemeldet und der Sozialversicherung unterworfen worden. Uwe T. sei sich dieser Vorgangsweise bewusst und auch damit einverstanden gewesen.

3. Die Einspruchsbehörde nahm mit Karl-Heinz B. am 30. August und am 10. November 2000 sowie mit Uwe T. am 14. März 2001 Niederschriften auf und holte Stellungnahmen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und der Beschwerdeführerin dazu ein.

4. Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid dem Einspruch keine Folge. In der Begründung stellte sie zunächst das Verwaltungsgeschehen dar und gab sodann die mit Karl-Heinz B. und Uwe T. aufgenommenen Niederschriften wieder. Sodann führte sie aus, es sei von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Zur Nachverrechnung der Entgelte des Karl-Heinz B. sei auf den von ihm anlässlich seiner Einvernahmen geschilderten Sachverhalt zu verweisen. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Schreiben vom 23. Jänner 2001 "diesen Angaben" zugestimmt.

Hinsichtlich des anzuwendenden Kollektivvertrages seien die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihren Schriftsätzen und die Angaben des Uwe T. in der Niederschrift vom 14. März 2001 dem Bescheid zu Grunde zu legen. Der Aussage des Uwe T. komme besondere Bedeutung zu, weil er seit 10. Juni 1998 selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Komplementärin der Beschwerdeführerin sei.

Hinsichtlich der Nachverrechnung von Beiträgen für Uwe. T. sei auf seine Angaben und die von ihm vorgelegten Unterlagen zu verweisen.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und Wiedergabe von Rechtssätzen aus der Judikatur aus, der auf das Dienstverhältnis des Karl-Heinz B. anzuwendende Kollektivvertrag für die Handelsangestellten sehe die Aufrechterhaltung der Überzahlung vor. Dieser Bestimmung habe die Beschwerdeführerin nicht entsprochen. Sie habe vorgetragen, mit diesem Dienstnehmer zu Beginn des Jahres eine neue Vereinbarung abgeschlossen zu haben. Dass bei diesen jährlich stattfindenden Gehaltsverhandlungen über allenfalls zustehende kollektivvertragliche Ansprüche nicht gesprochen worden sei, ergebe sich aus den diesbezüglichen Ausführungen des Dienstnehmers in der Niederschrift vom 10. November 2000. Die kollektivvertraglichen Ansprüche des Dienstnehmers seien daher begreiflicherweise nicht Gegenstand dieser Vereinbarung gewesen. Es liege sohin eine ungültige Verschlechterungsvereinbarung im Sinne des § 3 Abs. 1 zweiter Satz ArbVG vor. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, der Dienstnehmer hätte der Nichterhöhung der kollektivvertraglich angeordneten Ist-Lohnerhöhungen mangels Erfüllung seiner Zusagen zugestimmt, sei entgegenzuhalten, dass eine die zwingende Wirkung der Kollektivvertragsbestimmung über die Ist-Lohnerhöhung zeitlich undifferenziert ausschließende einzelvertragliche Vereinbarung ungültig sei (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 27. November 1981, 1859/79, und vom 28. April 1992, 87/08/0121).

Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, dass auch auf die Dienstverhältnisse der Techniker der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Anwendung finde. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vertrete die Auffassung, dass im Sinne des § 9 Abs. 2 ArbVG "Tarifvielfalt" bestehe und für diese Dienstnehmer der Kollektivvertrag für die Gewerbeangestellten (Metallinnungen) verbindlich sei. Im Beschwerdefall könne unbestritten davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin während des in Rede stehenden Beitragzeitraumes mehrfach kollektivvertragsangehörig im Sinne des § 9 Abs. 1 ArbVG gewesen sei, nämlich hinsichtlich der Kollektivverträge für die Handelsangestellten und für die Gewerbeangestellten. Die Beschwerdeführerin sei in den diesen Kollektivverträgen zuordenbaren und deshalb fachlich abgegrenzten Wirtschaftsbereichen tätig geworden, nämlich einerseits im Bereich der Servicierung von Büromaschinen aller Art (z.B. Reparatur von Kopiergeräten, Faxgeräten, usw., Konfigurieren von Computern, Netzwerkinstallationen) und andererseits im Handel, also Verkauf solcher Geräte. Dass sich diese unternehmerischen Tätigkeiten auch organisatorisch abgrenzen lassen, ergebe sich bereits aus dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführerin. Sie spreche von einer "Technikabteilung", bzw. führe sie aus, dass die Dienstnehmer "ausschließlich in der Montage und im Service" tätig geworden seien. Auch Uwe T. habe in der Niederschrift angegeben, dass diese Dienstnehmer ausschließlich im Bereich der Servicierung der Geräte tätig gewesen seien und keine Verkaufstätigkeiten durchgeführt hätten. Sie hätten ihre Tätigkeit neben dem Außendienst in der Reparaturwerkstätte verrichtet. Dieser Argumentation widerspreche auch nicht, dass die "Technikabteilung" nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin überwiegend dem Verkauf gedient hätte. Auch aus der demonstrativen Aufzählung der einzelnen Tätigkeiten der Techniker durch die Beschwerdeführerin könne nur abgeleitet werden, dass diese nicht im Handel tätig geworden seien. Im Sinne der Judikatur (Hinweis auf das Urteil des OGH vom 31. August 1994, 8 Ob A 22/94) komme daher im vorliegenden Verfahren gemäß § 9 Abs. 1 und 2 ArbVG der "Grundsatz der Tarifvielfalt" zum Tragen.

Zur Beitragsnachverrechnung betreffend die Urlaubs- und Feiertagsentlohnung des Uwe T. sei auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu verweisen, wonach die Parteien des Dienstvertrages davon ausgegangen seien, dass mit der vorgesehenen Provisions- und Prämienregelung auch die übrigen gesetzlichen Entlohnungsansprüche abgedeckt seien. Diese Ausführungen seien dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerdeführerin damit zum Ausdruck bringen wollte, sie habe mit Uwe T. eine über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende spezielle Vereinbarung betreffend die Abrechnung des Urlaubs- und Feiertagsentgeltes getroffen. Den von Uwe T. vorgelegten Unterlagen (Dienstvertrag, Provisions- und Prämienregelung) könne jedoch keine spezielle vertragliche Regelung dazu entnommen werden, wie die Provisionen im Feiertags- und Urlaubsentgelt zu berücksichtigen seien. Es sei daher von den gesetzlichen Regelungen auszugehen. Demnach sei der Berechnung des Feiertags- und Urlaubsentgeltes das regelmäßige Entgelt zu Grunde zu legen, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn er gearbeitet hätte. Zum regelmäßigen Entgelt gehörten neben dem laufenden Entgelt auch die übrigen ordentlichen und außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art, mögen sie auch auf die tatsächliche Mehrleistung abstellen, also neben Provisionen eben auch Erfolgsprämien und auch Vergütungen für sonst angefallene Überstunden. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe daher die durchschnittlich angefallenen Provisionen im Feiertags- und Urlaubsentgelt zu Recht nach Maßgabe des § 6 Urlaubsgesetzes und § 9 Arbeitsruhegesetzes nachbelastet.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin hält darin ihren im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Standpunkt aufrecht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6.1. Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der Pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Für die Berechnung der Beiträge ist nicht lediglich der tatsächlich gezahlte Lohn maßgebend, sondern, wenn er den tatsächlich bezahlten Lohn übersteigt, der Lohn, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch bestand.

§ 49 Abs. 1 und § 44 Abs. 1 ASVG stellen somit auf den so genannten Anspruchslohn ab. Der Beitragsvorschreibung ist daher in diesem Falle der nach dem Kollektivvertrag gebührende Lohn zu Grunde zu legen. Ob ein Anspruch auf Geld- oder Sachbezüge im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, 97/08/0521, m.w.N.).

6.2. Zur Beitragsnachverrechnung bezüglich des Anspruchslohnes des Karl-Heinz B.:

Die Parteien des Verfahrens stimmen darin überein, dass dieser Dienstnehmer überkollektivvertraglich entlohnt wurde. Der auf sein Dienstverhältnis anwendbare Kollektivvertrag sah im Streitzeitraum eine Erhöhung dieses Ist-Lohnes (durch Aufrechterhaltung der Überzahlungen) vor, die die Beschwerdeführerin nicht durchführte, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aber ihrer Beitragsvorschreibung zu Grunde legte.

Unter Zugrundelegung einer schlichten Ist-Lohnklausel ist davon auszugehen, dass diese mit Inkrafttreten des Kollektivvertrages eine Erhöhung des Ist-Lohnes zwingend bewirkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1992, 87/08/0121, und aus der Judikatur des OGH das Urteil vom 18. Mai 1999, 8 Ob A 173/98v, m. w.N.). Die Aufrechterhaltung des neuen Lohnansatzes ist nicht zwingend vorgesehen. Eine anders lautende Vereinbarung ist innerhalb der Grenzen des § 3 ArbVG erlaubt. Demnach ist aber ein Vorwegverzicht auf die Ist-Lohnerhöhung nur so weit gültig, als er für den Arbeitnehmer günstiger ist. Der Günstigkeitsvergleich erfordert eine Gegenüberstellung aller jener Bestimmungen, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Dass grundsätzlich ausreichende Bestimmbarkeit gefordert werden muss, ergibt sich schon daraus, dass andernfalls ein Günstigkeitsvergleich gar nicht angestellt werden könnte (vgl. auch hiezu das zitierte Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 18. Mai 1999).

Im Beschwerdefall kann ein Günstigkeitsvergleich nicht angestellt werden. Die Beschwerdeführerin hat nämlich vorgetragen, mit dem Dienstnehmer jährlich zu Beginn des Kalenderjahres Gehaltsgespräche geführt und ihn hiebei darauf hingewiesen zu haben, dass er mangels Erfüllung der vereinbarten Umsatzziele keine zusätzlichen Entgelte erwarten könne. Er habe sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen - überkollektivvertraglichen - Entlohnung einverstanden erklärt. Mit dieser Vorgangsweise hat sich aber die Beschwerdeführerin über die zwingend zu gewährende Ist-Lohnerhöhung hinweggesetzt. Der sozialpolitische Zweck der Ist-Lohnerhöhung besteht darin, dass dem Arbeitnehmer die Kaufkraft des individuell vereinbarten Lohnes gesichert und er am Produktivitätszuwachs beteiligt werden soll, ohne darüber mit dem Arbeitgeber individuell verhandeln zu müssen. Hieraus folgt, dass die privatautonome Vereinbarung eines Vorwegverzichtes auf die Ist-Lohnerhöhung nur innerhalb der Grenzen des § 3 ArbVG zulässig ist (vgl. auch hiezu das zitierte Urteil des OGH vom 18. Mai 1999). Ob die Nichterfüllung der vereinbarten Umsatzziele durch den Dienstnehmer eine "Verschlechterungsvereinbarung" hätte sachlich rechtfertigen können, ist nicht zu prüfen, weil es sich dabei um eine einvernehmliche Lohnherabsetzung nach der durch den Kollektivvertrag bewirkten Ist-Lohnerhöhung, sofern die Lohnherabsetzung im überkollektivvertraglichen Lohnbereich verbleibt, handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1992, 87/08/0121). Die Beitragsnachverrechnung von dem durch den Kollektivvertrag zwingend vorgeschriebenen erhöhten Ist-Lohn ist somit nicht zu beanstanden.

6.3. Anzuwendender Kollektivvertrag:

Hiezu ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin einen Büromaschinenhandel führte und gleichzeitig der Bundesinnung der Mechaniker angehörte. Sie hat sich nicht nur mit dem Verkauf von Büromaschinen, sondern auch mit deren Montage, Servicierung und Reparatur befasst.

Gemäß § 8 ArbVG sind jene Arbeitgeber und Arbeitnehmer kollektivvertragsangehörig, die zur Zeit des Abschlusses des Kollektivvertrages Mitglieder der am Kollektivvertrag beteiligten Parteien waren oder später werden. Die Beschwerdeführerin war während des gesamten hier maßgeblichen Zeitraumes auf Grund ihrer Gewerbeberechtigungen mehrfach kollektivvertragsangehörig. In einem solchen Fall ist nach den Regeln des § 9 ArbVG zu ermitteln, welcher Kollektivvertrag auf das konkrete Arbeitsverhältnis Anwendung zu finden hat. Verfügt ein mehrfach kollektivvertragsangehöriger Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe, so findet auf die Arbeitnehmer der jeweilige dem Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung (§ 9 Abs. 1 ArbVG). Diese Regelung findet sinngemäß Anwendung, wenn es sich um Haupt- und Nebenbetriebe oder um organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen handelt (§ 9 Abs. 2 ArbVG).

Die Beschwerdeführerin hat schon im Einspruch ausgeführt, sie sei eine organisatorische Einheit, bei der der Handel dominiere. Die Werkstätte (um deren Dienstnehmer es in dieser Frage geht) sei organisatorisch in den Gesamtbetrieb eingegliedert.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, die bei der Beitragsprüfung noch mit der Beschwerdeführerin darüber übereinstimmte, dass sowohl der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten als auch der für die Gewerbeangestellten (Metallinnungen) anzuwenden sei, führte in ihrem Vorlagebericht vom 11. August 2000 dazu aus, nach den Ausführungen im Einspruch müsse auch gelten, dass die "Handelsabteilung" ohne die "Technikabteilung" nicht denkbar und existenzfähig wäre. Aus diesem Grunde sei nicht von einer organisatorischen Einheit auszugehen. Es sei wohl so, dass zunächst eine Abteilung den Verkauf des Produktes vornehme und dann die andere Abteilung dieses Produkt liefere, aufstelle und auf die Bedürfnisse des Kunden einstelle und warte. Eine organisatorische Trennung erscheine in einem solchen Falle zwingend, weil die beiden Abteilungen über völlig verschiedene Betriebsmittel verfügen müssen. Auch die fachliche Abgrenzung sei bei der unterschiedlichen Art der Tätigkeit der zwei Abteilungen gegeben.

Die belangte Behörde hat sich der Auffassung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angeschlossen und ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei in den den genannten Kollektivverträgen zuordenbaren und deshalb fachlich abgegrenzten Wirtschaftsbereichen tätig geworden. Dass sich diese unternehmerischen Tätigkeiten auch organisatorisch abgrenzen ließen, ergebe sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführerin.

Damit drückt die belangte Behörde zwar ihre Auffassung aus, dass es sich um fachlich abgegrenzte Wirtschaftsbereiche handelt, stellt jedoch nicht fest, wie der Betrieb der Beschwerdeführerin organisiert ist. Die Bescheidbegründung, "dass sich diese unternehmerische Tätigkeiten auch organisatorisch abgrenzen lassen", stellt keine Tatsachenfeststellung dar. Die zitierten Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 2 ArbVG setzen für die Geltung des "Grundsatzes der Tarifvielfalt" voraus, dass sich die unternehmerische Tätigkeit des Arbeitgebers fachlich und auch organisatorisch abgrenzen lässt. Für die Beantwortung der Frage, ob eine organisatorische Selbständigkeit vorliegt, ist in Ermangelung anders lautender gesetzlicher Regelungen die Verkehrsauffassung entscheidend. Ob die den Grundsatz der Tarifeinheit durchbrechende Voraussetzung einer fachlichen und organisatorisch abgegrenzten Betriebsabteilung vorliegt, ist sohin eine Frage der rechtlichen Beurteilung der im Einzelfall getroffenen Feststellungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 97/08/0647). Konkrete Feststellungen hierüber können dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden. Der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt bedarf daher in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung.

6.4. Beitragsnachverrechnung der Urlaubs- und Feiertagsentlohnung des Uwe T.:

Die belangte Behörde weist zutreffend darauf hin, dass die für die Entstehung des Anspruches auf Ausgleich des Provisionsentganges während der Feiertagsruhe und des Urlaubes maßgebenden Bestimmungen im § 9 ARG und § 6 Abs. 4 Urlaubsgesetz enthalten sind. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich zunächst, dass auch ein Angestellter, der leistungsbezogene Entgelte (wie hier Provisionen) bezieht, seinen Anspruch auf dieses Entgelt an Feier- und Urlaubstagen behält. Dabei soll der Arbeitnehmer während dieser arbeitsfreien Zeit so gestellt werden, als hätte er die ausgefallene Arbeit (also z.B. die Akquisition neuer Versicherungsverträge) tatsächlich erbracht, und daher weder einen wirtschaftlichen Nachteil noch Vorteile erfahren. Wegen der Schwierigkeit der fiktiven Ermittlung des Entgeltes bei Leistungslöhnen zieht das Gesetz die Errechnung eines Durchschnittsbetrages einer weitgehend spekulativen Einzelfallberechnung vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, 97/08/0521, m.w.N.). Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass sie die so skizzierte Vorgangsweise eingehalten hätte, sodass auch die diesbezügliche Beitragsnachverrechnung nicht rechtswidrig ist.

6.5. Die Beitragsnachverrechnung zur Entlohnung des Karl-Heinz B. und des Uwe T. ist daher nicht rechtswidrig. Ob die Beitragsnachverrechnung bezüglich der "Techniker" zu Recht erfolgte, kann nach den obigen Ausführungen noch nicht beantwortet werden. Wegen dieses Verfahrensmangels war der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der Schriftsatzaufwand gemäß § 49 Abs. 1 VwGG idF BGBl. Nr. 88/1997 steht der Beschwerdeführerin nicht zu, weil sie im Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (der Beschwerdeschriftsatz weist die Unterschrift eines Rechtsanwaltes ohne Berufung auf eine erteilte Vollmacht auf). Zum Antrag auf Ersatz der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG wird auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 110 ASVG geltende sachliche Abgabenfreiheit hingewiesen.

Wien, am 29. Juni 2005

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