VwGH 2000/14/0146

VwGH2000/14/01467.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatpräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der G R in V, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in 9100 Völkermarkt, Münzgasse 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 13. Juni 2000, Zl. RV 112/1-5/98, betreffend Einheitswert zum 1.1.1995 (Nachfeststellung), zu Recht erkannt:

Normen

BewG 1955 §2;
BewG 1955 §22 Abs1;
BewG 1955 §22 Abs2;
BewG 1955 §52 Abs2;
BewG 1955 §2;
BewG 1955 §22 Abs1;
BewG 1955 §22 Abs2;
BewG 1955 §52 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 9. Mai 1997 erließ das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin einen Vorhalt, in welchem unter Hinweis darauf, dass eine näher bezeichnete Gesellschaft (in der Folge AG) das (im Eigentum jener stehende) Grundstück 350/2 als Kundenparkplatz nütze und auf dem (ebenfalls der Beschwerdeführerin gehörenden) Grundstück 349 ein Superädifikat errichte, die Absicht mitgeteilt wurde, die "bisher unter dem EW-AZ ...-0223 o.a. erfassten" Grundstücke ab 1.1.1995 dem Grundvermögen gemäß § 52 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) zuzurechnen. Im Oktober 1997 teilte die Beschwerdeführerin dazu mit, dass auf Grund der Vermessungsurkunde des Dipl. Ing. W. vom 4. März 1996 das Grundstück 350/2 "geteilt wurde in dieses und in das Trennstück 1 mit 459 m2 und das Trennstück 2 mit 596 m2". Nach "dieser Vereinigung" weise das Grundstück 349 ein Ausmaß von

2.784 m2 auf, das Grundstück 350/2 ein solches von 270 m2. Gegenstand des Pachtvertrages sei nur das Grundstück 349 im Ausmaß von 2.784 m2, in welchem ein Teil des öffentlichen Gutes und zwar das Trennstück 3 mit 240 m2 enthalten sei. Eine Kopie des Mietvertrages vom 24. März 1995 werde angeschlossen.

In der Folge erließ das Finanzamt unter EW-AZ ...-1220/5 einen Einheitswertbescheid zum 1. Jänner 1995 "(Nachfeststellung)" in welchem für das "Grundstück Nr. 349 u.a." (Art des Steuergegenstandes: unbebautes Grundstück) ein Einheitswert in näher angeführter Höhe festgestellt wurde. Begründend wurde darauf hingewiesen, dass die als Bauland gewidmeten Grundstücke Nr. 349 und 350/2, unter Berücksichtigung der Hinweise im beigebrachten Mietvertrag mit der AG eine eigene wirtschaftliche Einheit (§ 2 BewG) im Ausmaß von insgesamt 3.108 m2 bildeten. Informativ werde mitgeteilt, dass die von der Beschwerdeführerin angeführte Straßenverlegung erst im Jahr 1997 durchgeführt worden sei. Es sei daher beabsichtigt, zum 1.1.1998 das neu vermessene Grundstück 349 im Ausmaß von 2.784 m2 bei EW-AZ ...-1220 und das neu vermessene Grundstück 350/2 von 270 m2 als eigene wirtschaftliche Einheit (§ 2 BewG) unter EW-AZ ...-1234 der Bewertung zu Grunde zu legen.

In einer dagegen erhobenen Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen gegen die Beurteilung der beiden Grundstücke als Grundvermögen. Richtigerweise hätte das Finanzamt "eine Bildung eines Grundvermögens erst mit Stichtag 1.4.1997" vornehmen dürfen, nicht aber mit 1.1.1995. Es werde die Beischaffung der Akten EW-AZ ...-0223/92 und des Aktes EW-AZ ...- 1220 und EW-AZ ...-1234 beantragt. Das Ausmaß des Grundstückes 349 betrage 1.845 m2, das "Ausmaß des Grundstückes 350/2 1.313 m2 vor der Teilung". Nach der Teilung weise das Grundstück 350/2 270 m2 und das Grundstück 349 2.784 m2 auf. Die Beschwerdeführerin beantragte unter anderem, das Verfahren EW-AZ ...-1220/5 betreffend Bildung einer wirtschaftlichen Untereinheit für das Grundstück 349 einzustellen.

Nach Durchführung weiterer Ermittlungen, Erlassung einer (abweisenden) Berufungsvorentscheidung und einem rechtzeitigen Antrag auf Entscheidung der Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die belangte Behörde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

Gemäß § 52 Abs. 2 BewG seien land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten anzunehmen sei, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, z.B. wenn sie hienach als Bauland, Industrieland oder als Land für Verkehrszwecke anzusehen seien. Bei Anwendung des § 52 Abs. 2 BewG komme es nicht darauf an, ob Grundstücke samt Zubehör land- und forstwirtschaftlich genutzt würden, sondern nur darauf, ob aus dem Gesamtbild der Verhältnisse anzunehmen sei, dass die Grundstücke in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen würden. Sei auf Grund von zur entsprechenden Widmung hinzutretenden objektiven Umständen - insbesondere betreffend die örtliche Lage und Aufschließung der Grundstücke, die bauliche Entwicklung in der Umgebung sowie die zum Bewertungsstichtag gegebene und für die Zukunft zu erwartende Marktlage - aus dem Gesamtbild der Verhältnisse anzunehmen, dass landwirtschaftlich genutzte Grundstücke in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen Zwecken dienen würden, rechtfertige dies, ohne dass es dabei auf die Absicht des Abgabepflichtigen ankomme, durchaus die Zuordnung der Grundstücke zum Grundvermögen. Ein sich aus objektiven Umständen ergebender Wahrscheinlichkeitsschluss für eine Verbauung in absehbarer Zeit sei - insbesondere bei einer Flächenwidmung als Gewerbegebiet, aber auch als Wohngebiet - bei "einer Aufschließung durch Strom, Wasser und Kanal führende öffentliche Straßen und die bauliche Entwicklung in den diesen Grundstücken angrenzenden Grundstücken" gerechtfertigt. Der Bedarf nach bebaubaren Grundstücken könne auch aus der baulichen Entwicklung der unmittelbaren Umgebung der Grundstücke erschlossen werden. Stellten die zu bewertenden Grundstücke Baulücken in einem sonst besiedelten Gebiet dar, so handle es sich überhaupt um den typischen Anwendungsfall des § 52 Abs. 2 BewG. Selbst bloßes "Rohbauland" - somit mangels Parzellierung und mangels einzelner Strom-, Wasser- und Kanalanschlüsse nicht sofort verwertbare Grundstücke - sei schon dann als Bau- oder Industrieland im Sinne des § 52 Abs. 2 BewG anzusehen, wenn an der späteren endgültigen Verwertung der Grundstücke kein begründeter Zweifel bestehe, auch wenn für diese Bewertung noch kein naher Zeitpunkt abzusehen sei. Im vorliegenden Fall liege eine Reihe objektiver Umstände vor, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für eine Zurechnung "der Streitflächen" zum Grundvermögen sprächen. Die "Streitflächen" lägen in einem Gebiet, welches im Flächenwidmungsplan der Gemeinde seit Jahrzehnten als Bauland/Wohngebiet ausgewiesen sei. Sie seien vollkommen eben und ohne Schwierigkeit jederzeit bebaubar. Im Norden grenzten sie an eine näher bezeichnete Straße, das Grundstück Nr. 349 grenze im Westen an das als gemischt genutztes Grundstück bewertete Grundstück Nr. 347/1 sowie an das unbebaute Grundstück 347/2, im Süden an die als "Einfamilienhaus bewerteten" Grundstücke Nr. 356/1 und 356/3 sowie im Osten an das Grundstück Nr. 1096 (öffentlicher Weg), dass auch die Westgrenze des Streitgrundstückes Nr. 350/2 bilde. Das Grundstück 350/2 grenze im Norden ebenfalls an die oben angeführte Straße, im Westen an das unbebaute Grundstück 351/5 und zu einem geringen Teil an das als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertete Grundstück 351/6. Der (schmale) Teil des Grundstückes 350/2 im Süden grenze an das Grundstück 352/1, welches als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet sei. Beide Grundstücke wiesen eine ausgezeichnete Straßenlage auf. Es seien Anschlussmöglichkeiten für Wasser, Strom und Kanal vorhanden. Diese Sachverhaltselemente rechtfertigten im Sinne des § 52 Abs. 2 BewG den Wahrscheinlichkeitsschluss für eine Bebauung der strittigen Grundstücksflächen in absehbarer Zeit.

Der Beanstandung der Beschwerdeführerin, das Finanzamt habe im angefochtenen Bescheid nicht angeführt, aus welchen Gründen es die beiden Grundstücke 349 und 350/2 als wirtschaftliche (Unter)Einheit beurteilt habe, stehe entgegen, dass das Finanzamt zur Begründung im angefochtenen Bescheid sehr wohl ausgeführt habe, dass die als Bauland gewidmeten beiden Grundstücke unter Berücksichtigung der Hinweise im beigebrachten Mietvertrag und unter Bezugnahme auf den Vorhalt vom 9. Mai 1997 eine eigene wirtschaftliche Einheit gemäß § 2 BewG gebildet hätten. Diese Beurteilung sei zu Recht erfolgt. So werde im Mietvertrag darauf hingewiesen, dass die beiden Grundstücke in der Natur durch einen Weg voneinander getrennt seien, dass die Vertragsparteien gemeinsam Bemühungen setzen würden, den die Grundstücke trennenden Weg an die südöstliche Seite des Grundstückes 350/2 zu verlegen und die jetzige Wegfläche zu einem der beiden Grundstücke zuzuschlagen, und dass Gegenstand des Mietvertrages das gesamte Grundstück Nr. 349 und eine Teilfläche des Grundstückes 350/2 sowie jener Teil des Weges seien, der die beiden Grundstücke derzeit trenne. Vor dem Hintergrund, dass die AG das Grundstück 350/2 als Kundenparkplatz benütze und auf dem Grundstück 349 ein Superädifikat errichte, seien die wesentlichsten Kriterien für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne des § 2 BewG, nämlich Eigentümeridentität, einheitliche Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit, gegeben. Die räumliche Trennung durch das öffentliche Gut (Grundstück 1096, Weg) stehe dem wegen der intensiven wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit der Flächen nicht entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

In der Beschwerde wird sowohl die Richtigkeit der Zurechnung der von der belangten Behörde angenommenen wirtschaftlichen Einheit zum Grundvermögen als auch die Annahme bekämpft, dass eine solche wirtschaftliche Einheit (hinsichtlich der Grundstücke 349 und 350/2) zum 1. Jänner 1995 bestanden hat bzw. zu diesem Stichtag im Rahmen einer Nachfeststellung zu erfassen war.

Bevor auf die Frage der Zurechnung einer bestimmten wirtschaftlichen Einheit zu einer bestimmten Vermögensart eingegangen werden kann, ist zu prüfen, ob zu Recht vom Bestand einer entsprechenden wirtschaftlichen Einheit und einer daraus folgenden Berechtigung zur Erlassung eines Einheitswertbescheides (Nachfeststellung) ausgegangen wurde.

Gemäß § 22 Abs. 1 BewG wird für wirtschaftliche Einheiten (Untereinheiten), für die ein Einheitswert festzustellen ist, der Einheitswert nachträglich festgestellt (Nachfeststellung), wenn nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. die wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) neu gegründet wird;

2. für eine bereits bestehende wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) der Grund für die Befreiung von einer Steuer wegfällt.

Gemäß § 22 Abs. 2 werden der Nachfeststellung die Verhältnisse zu Grunde gelegt, die auf den Beginn des Kalenderjahres ermittelt worden sind, das dem maßgebenden Ereignis folgt (Nachfeststellungszeitpunkt).

Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde - dem Finanzamt folgend - davon aus, dass hinsichtlich der Grundstücke 349 und 350/2 zum 1.1.1995 eine Nachfeststellung stattzufinden hatte, weil "eine wirtschaftliche Einheit gegründet wurde". Die Gründung dieser wirtschaftlichen Einheit sah das Finanzamt und diesem folgend die belangte Behörde darin, dass unter anderem aus einem dem Finanzamt bekannt gewordenen Mietvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und der AG abgeleitet wurde, dass die beiden Grundstücke einer gemeinsamen Nutzung zugeführt werden sollten. In ihrer Gegenschrift meint die belangte Behörde in Erwiderung zum Beschwerdevorbringen zwar, das Finanzamt und sie hätten den Mietvertrag aus 1995 nicht als maßgebliches Ereignis im Sinne des § 22 Abs. 2 BewG "(was einen Nachfeststellungszeitpunkt 1. Jänner 1996 zur Folge hätte haben müssen)", sondern nur als weiteren Umstand für den Wahrscheinlichkeitsschluss einer Bebauung der "strittigen Grundflächen" in absehbarer Zeit beurteilt. Dieser Behauptung steht aber die ausdrückliche, oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides entgegen, wonach "die als Bauland gewidmeten beiden Grundstücke unter Berücksichtigung der Hinweise im beigebrachten Mietvertrag und unter Bezugnahme auf den Vorhalt vom 9. Mai 1997 eine eigene wirtschaftliche Einheit gemäß § 2 BewG bildeten" und "die wesentlichsten Kriterien für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne des § 2 BewG, nämlich Eigentümeridentität, einheitliche Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit" gegeben seien. Im Übrigen zeigt die belangte Behörde nicht auf, worin sie die zur Entstehung einer ab dem 1. Jänner 1995 zu erfassenden wirtschaftlichen Einheit führenden Gründe sonst gesehen hätte.

Ist demzufolge im Sinne der Begründung des angefochtenen Bescheides davon auszugehen, dass das die Gründung einer wirtschaftlichen Einheit und in weiterer Folge das Erfordernis der Nachfeststellung darstellende Ereignis kurz gesagt die Verwendung der Grundstücke 349 und 350/2 durch die AG war, so hat die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen, dass die damit in Zusammenhang stehenden Umstände alle erst nach dem 1.1.1995 eintraten.

Im Beschwerdefall kommt hinzu, dass im Rahmen der Nachfeststellung Grundstücke mit konkreten Flächenmaßen berücksichtigt wurden, die zum 1. Jänner 1995 in diesem nach Quadratmetern näher angegebenen Ausmaß noch gar nicht existierten.

Da die belangte Behörde damit in Verkennung der Rechtslage zu Unrecht von einer zum 1. Jänner 1995 im Rahmen einer Nachfeststellung zu berücksichtigenden Gründung einer wirtschaftlichen Einheit ausging, erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig, ohne dass es der Beurteilung bedurfte, ob die Zurechnung der entsprechenden "wirtschaftlichen Einheit" zum Grundvermögen gerechtfertigt war.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. Juni 2005

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