VwGH 2004/21/0220

VwGH2004/21/022023.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der C, geboren 1965, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 16. Juli 2004, Zl. Fr-4250a-174/04, betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
EMRK Art6 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
EMRK Art6 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 6 sowie den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Begründend stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin sei seit etwa 1990 mit einem seit mehreren Jahren in Österreich lebenden türkischen Arbeitnehmer verheiratet. Am 6. Juli 2000 habe sie bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara einen Antrag auf Erteilung eines Visums gestellt und sich dabei verpflichtet, das Hoheitsgebiet der Schengener Staaten mit Ablauf des ihr gegebenenfalls erteilten Visums zu verlassen. Daraufhin sei der Beschwerdeführerin ein so genanntes Visum "C" (Reisevisum) mit einer Gültigkeit vom 12. Juli 2000 bis 9. September 2000 ausgestellt worden. Mitte Juli 2000 sei die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihren drei Kindern (die sich nach den angeführten Geburtsdaten zum Teil im Pflichtschulalter befinden) nach Österreich eingereist. Anstatt ihrer Ausreiseverpflichtung mit Ablauf der Gültigkeit des Reisevisums nachzukommen, habe die Beschwerdeführerin am 6. September 2000 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz für sich und ihre drei Kinder Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gestellt (und gegen den diese Anträge abweisenden erstinstanzlichen Bescheid Berufung erhoben).

Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vorbringe, sie habe bei der österreichischen Vertretungsbehörde keine falschen Angaben über den (beabsichtigten) Zweck und die Dauer ihres Aufenthaltes gemacht, um sich die Einreise in das Bundesgebiet zu erschleichen, sondern sie habe den Entschluss, bei ihrem Ehemann in Österreich zu verbleiben, erst kurzfristig nach ihrer Einreise nach Österreich gefasst, so könne die belangte Behörde diesem Vorbringen nicht folgen. Zum Einen stehe den Angaben der Beschwerdeführerin gegenüber, dass sie der Ausreiseverpflichtung trotz der von ihr bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara unterschriebenen Rückkehrerklärung nicht nachgekommen sei. Zum Anderen widerspreche es der Lebenserfahrung, dass man einen so wichtigen Entschluss, seinen Wohnsitz von der Türkei nach Österreich zu wechseln und hier bei seinem Ehepartner zu leben, erst innerhalb der kurzen Aufenthaltszeit im Bundesgebiet - gegenständlich knapp zwei Monate - fasse. Ausgehend von diesen Überlegungen erachtete die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG als erfüllt und gleichzeitig die Annahme gerechtfertigt, der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Diese Annahme werde durch den seit 9. September 2000 unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet verstärkt. Soweit sie sich auf die Integration ihres in Österreich berufstätigen Ehemannes und auf die Anwendung des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) berufe, sei ihr entgegen zu halten, dass es ihr an der in Art. 7 ARB vorausgesetzten Genehmigung, zum türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, fehle. Dementsprechend sei für die Beschwerdeführerin auch aus dem Hinweis auf die Richtlinie 64/221/EWG nichts zu gewinnen. Zu den Voraussetzungen des § 37 FrG führte die belangte Behörde aus, dass mit dem Aufenthaltsverbot angesichts des Umstandes, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin in Österreich "integriert sein dürfte", ein Eingriff in ihr Privat- und Familienleben verbunden sei. Da den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme und sich die Beschwerdeführerin bereits seit September 2000 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zum Schutz der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Diesem erheblichen öffentlichen Interesse stünden zugunsten der Beschwerdeführerin die - allerdings bloß zwei Monate rechtmäßige - Aufenthaltsdauer in Österreich und ihre familiären Bindungen zum im Bundesgebiet lebenden Ehegatten gegenüber. Durch den Umstand, dass die Beschwerdeführerin schon in der Vergangenheit trotz aufrechter Ehe jahrelang mit ihren Kindern von ihrem Ehegatten getrennt gelebt habe (lediglich das vierte Kind der Beschwerdeführerin sei im Jahr 2002 in Österreich zur Welt gekommen), würden die familiären Interessen der Beschwerdeführerin relativiert. Insbesondere sei kein unüberwindlicher Hinderungsgrund ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin zur Herstellung der Familieneinheit nicht gemeinsam mit ihrem Ehemann in ihre Heimat zurückgehen könne. Aus der Sicht der öffentlichen Interessen sei auch zu berücksichtigen, dass es unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung von Fremden nicht tragbar sei, wenn auf der einen Seite der Aufenthalt in Österreich durch beharrliche Verweigerung der Ausreise erzwungen werden könnte, und auf der anderen Seite Fremde, die in rechtmäßiger Weise zu ihren in Österreich lebenden Verwandten ziehen wollten, oft jahrelange Wartezeiten im Ausland in Kauf nehmen müssten. Insgesamt wiege daher das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme schwerer als der Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen erheblich gefährde. In § 36 Abs. 2 sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0011, mwN). Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG gilt, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen.

Die Beschwerdeführerin bekämpft die Feststellung des angefochtenen Bescheides, sie habe gegenüber der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara falsche Angaben gemacht, um sich die Einreise und den weiteren Aufenthalt in Österreich zu erschleichen. Sie habe vielmehr erst nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet erkennen können, dass ihr Ehemann nur schwer mit der Trennung von seiner Familie umgehen könne. Daher habe sie sich erst nach ihrer Einreise entschieden, bei ihrem Ehemann zu bleiben, weil sie es als ihre Pflicht als Ehefrau gesehen habe, ihren Mann in dieser schwierigen Situation (die in der Beschwerde nicht weiter konkretisiert wird) zu betreuen.

Der Verwaltungsgerichtshof kann im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht finden, dass die beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde zu der bekämpften Feststellung unschlüssig wären, zumal die Beschwerde auch keine Umstände darlegt, die es als nahe liegend erscheinen ließen, dass die Beschwerdeführerin ursprünglich nur für die Dauer des ihr erteilten Touristensichtvermerks nach Österreich habe kommen wollen. So tritt die Beschwerde insbesondere dem Argument der belangten Behörde nicht substanziiert entgegen, wonach es der Erfahrung entspreche, dass Lebenspartner, die - wie in diesem Fall - schon seit Jahren verheiratet seien, einen so weit reichenden Entschluss, sich in einem anderen Staat nieder zu lassen, gemeinsam langfristig planen (siehe zu einer vergleichbaren Argumentation auch das hg. Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 2000/21/0229). Die Schlüssigkeit der beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde ergibt sich im vorliegenden Fall insbesondere auch aus ihrem Hinweis, dass die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihren drei Kindern - die sich zum Teil im Pflichtschulalter befinden - nicht nur in das Bundesgebiet einreiste, sondern für diese hier auch um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ansuchte. Die Aufgabe des Wohnsitzes sowohl der Beschwerdeführerin als auch ihrer drei Kinder spricht somit deutlich für die Ansicht der belangten Behörde, ein derart wichtiger Entschluss sei nicht erst nach Verlassen des Heimatstaates während eines nicht einmal zweimonatigen Zeitraumes gefallen. Daher bestehen beim Verwaltungsgerichtshof gegen die Auffassung der belangten Behörde, im vorliegenden Fall sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG erfüllt, ebenso wenig Bedenken wie gegen die Annahme, dass durch den seit Jahren unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet werde.

Im Übrigen gleicht der vorliegende Beschwerdefall in sachverhaltsmäßiger und rechtlicher Hinsicht (vor allem bezüglich der in der Beschwerde behaupteten Rechte der Beschwerdeführerin aus dem ARB und dem Gemeinschaftsrecht) weitgehend jenem Beschwerdefall, der dem hg. Erkenntnis vom 30. März 2004, Zl. 2004/21/0001, zugrunde lag. Aus den im letztzitierten Erkenntnis genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, war auch dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen der Erfolg versagt. Daran vermag vor dem Hintergrund des § 37 FrG auch der Umstand, dass im vorliegenden Fall (insoweit anders als in jenem dem letztzitierten Erkenntnis zugrunde liegenden Beschwerdefall) die Beschwerdeführerin im Bescheiderlassungszeitpunkt schon seit längerer Zeit im Bundesgebiet aufhältig war, nichts zu ändern, weil dieser überwiegend unrechtmäßige Aufenthalt ihre Interessen nicht maßgeblich zu verstärken vermag. Da sich schließlich keine Anhaltspunkte für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes der Kinder der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet finden, ist durch das gegenständliche Aufenthaltsverbot eine Trennung der Beschwerdeführerin von ihren Kindern nicht zu befürchten. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher auch im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 37 FrG keine Bedenken gegen die bekämpfte aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Die beantragte mündliche Verhandlung konnte daher entfallen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083), die Entscheidung über ein Aufenthaltsverbot fällt nicht unter Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2003, Zl. 98/21/0167).

Wien, am 23. September 2004

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