VwGH 2004/18/0328

VwGH2004/18/032830.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des B, geboren 1959, vertreten durch Dr. Zoe van der Let-Vangelatou, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. September 2004, Zl. SD 1093/04, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §64 Abs2;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;
SMG 1997 §28 Abs6;
StGB §15;
AVG §59 Abs1;
AVG §64 Abs2;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;
SMG 1997 §28 Abs6;
StGB §15;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. September 2004 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, idgF der ihm von der Bundespolizeidirektion Wien am 17. November 1998 ausgestellte (bis 16. November 2008 gültige) Reisepass mit der Nummer C 0970908 entzogen und der vom Magistrat der Stadt Wien (der Erstbehörde) gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung bestätigt.

Der Beschwerdeführer bestreite nicht das vom Landesgericht für Strafsachen Wien ergangene Urteil, mit dem er wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz - SMG, § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden sei. Aus den Entscheidungsgründen des in Rechtskraft erwachsenen Urteils gehe hervor, dass er Anfang April 2003 von einem indischen Geschäftsmann, mit dem er schon länger in geschäftlicher Beziehung gestanden sei - der Beschwerdeführer betreibe ein in Wien etabliertes Lebensmittel- und Textiliengeschäft - "Proxyvon"- Kapseln angeboten bekommen habe. Da er (der Beschwerdeführer) bereits mehrfach von indischen Kunden nach diesen Kapseln gefragt worden sei, seien ihm Anfang April 2003 aus Indien 3.600 Stück geliefert worden. In weiterer Folge habe er aus seinem Vorrat einen regen Handel mit den übernommenen "Proxyvon"-Kapseln begonnen. Insgesamt habe er von Anfang April 2003 bis 24. April 2003 ca. 450 Kapseln an zum Teil jugendliche Suchtgiftabnehmer verkauft. Als er am 24. April 2003 einem verdeckt operierenden Ermittler des Bundesministeriums für Inneres

1.104 Stück dieser Kapseln übergeben habe, sei er festgenommen worden. Bei der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Suchtgiftmenge handle es sich um eine die Grenzmenge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG - dies sei jene Menge an Suchtgift, die geeignet sei, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen - um das 4,5-fache überschreitende. Zudem habe er laut Urteilsbegründung in der Absicht gehandelt, sich durch den Suchtgifthandel eine regelmäßige Einnahme zu verschaffen.

Wenn der Beschwerdeführer einwende, er hätte das Suchtgift in Österreich gekauft und verkauft, aber nicht selbst über die Grenze transportiert bzw. Geschäftsanbahnungen im Ausland betrieben und es hätte sohin der Besitz oder Nichtbesitz eines Reisedokuments keine Notwendigkeit für diese Straftat dargestellt, müssten ihm zunächst die gerichtlichen Feststellungen entgegengehalten werden. Durch die Geschäftsanbahnung im Weg eines indischen Staatsangehörigen, der ihn bereits zuvor aus Indien beliefert habe, und auf Grund der unbestrittenen Tatsache, dass die Kapseln aus Indien stammten und sohin zweifelsfrei illegal (von welchem Lieferanten auch immer) und offenbar auch unter Missachtung der zollrechtlichen Bestimmungen vom Ausland aus nach Österreich geschmuggelt worden seien, sei davon auszugehen, dass sehr wohl ein mit den Suchtmitteln in Zusammenhang stehender Auslandsbezug vorliege; dies umso mehr, als der Beschwerdeführer einen unbekannten Täter bestimmt habe, für ihn den illegalen Suchtgifttransport vom Ausland aus nach Österreich durchzuführen.

Wenn der Beschwerdeführer moniere, die Erstbehörde hätte ihrer "Zukunftsprognose" einen falschen Beobachtungszeitraum zu Grunde gelegt (zumal er sich bereits seit 15 Monaten auf freiem Fuß befunden hätte) und sie hätte nicht entsprechend berücksichtigt, dass das Gericht die Strafe bedingt nachgesehen habe, so könne er damit keine Verfahrensmängel aufzeigen. Einerseits sei der seit der Tatbegehung (bzw. der gerichtlichen Verurteilung) verstrichene Zeitraum von etwa fünfzehn Monaten (bzw. noch nicht einmal einem Jahr) bei weitem zu kurz, um davon ausgehen zu können, dass er sich tatsächlich von seinen Kontakten zur Suchtgiftszene gelöst habe. Andererseits seien die Passbehörden bei der Versagung bzw. Entziehung eines Reisedokumentes nicht an gerichtliche Erwägungen im Rahmen der Strafbemessung oder der Gewährung einer allfälligen bedingten Strafnachsicht gebunden. Im Übrigen sei die den Suchtgiftdelikten immanente Wiederholungsgefahr nicht nur dann anzunehmen, wenn der Betroffene tatsächlich selbst rauschgiftsüchtig sei; dies deshalb, weil grenzüberschreitender Suchtmitteltransport vor allem in Bezug auf - wie im gegenständlichen Fall - Suchtmittel in einer das 4,5 fache der Grenzmenge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG übersteigenden Menge im Nahebereich bzw. im Bereich der organisierten Kriminalität anzusiedeln sei. In einem solchen Fall werde nämlich das Zusammenleben in der Gemeinschaft empfindlich gestört und die allgemeine Rechtssicherheit massiv beeinträchtigt.

Die Versagung eines Reisepasses stelle eine vorbeugende Sicherheitsmaßnahme zur Abwendung künftiger Straftaten, wie etwa der Einfuhr bzw. des Inverkehrsetzens großer Mengen Suchtgiftes, dar. Abgesehen davon, dass eine gerichtliche Verurteilung ebenso wenig Tatbestandsvoraussetzung für die im Spruch zitierte Bestimmung sei wie der Umstand, dass der von der Entziehung bzw. Versagung des Reisepasses Betroffene tatsächlich den Reisepass für den verpönten Zweck (der Einfuhr oder Ausfuhr von Suchtgift) benützt habe, liege - unbestritten - eine Verurteilung wegen eines gewerbsmäßig ausgeübten Suchtgiftverbrechens vor. Es könne der Erstbehörde daher kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie vor allem im Hinblick auf die besonders große Suchtmittelmenge und die erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit erfolgten Tathandlungen vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Passgesetzes ausgegangen sei und eine negative "Zukunftsprognose" für den Beschwerdeführer getroffen habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach ständiger hg. Judikatur stellt der Abspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nach § 64 Abs. 2 AVG einen von den die Hauptsache betreffenden Ausspruch zu unterscheidenden (trennbaren) selbständigen Abspruch im Sinn des § 59 Abs. 1 AVG dar (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2003/18/0284, mwN). Im Hinblick darauf und auf den in der Beschwerde formulierten Beschwerdepunkt ist davon auszugehen, dass mit der Beschwerde nur die Entziehung des Reisepasses, nicht jedoch auch die Bestätigung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs. 2 AVG bekämpft wird.

2. Gemäß § 15 Abs. 1 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, idF BGBl. Nr. 507/1995 (im Folgenden: PassG), ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f leg. cit. sind die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

3. Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe übersehen, dass dem Beschwerdeführer niemals vorgeworfen worden sei, den Reisepass zur Begehung von Suchtmittelstraftaten verwendet zu haben oder die Absicht gehabt zu haben, diesen zu verwenden. Auch habe er seinen Reisepass nicht zur Begehung der Straftaten verwendet. Die Behörde habe vielmehr festgestellt, dass er von einem Inder beliefert worden sei. Abgesehen davon könnte der Beschwerdeführer - hätte er die Absicht, neuerlich Suchtmittel in Verkehr zu setzen, welche Absicht jedoch ausdrücklich bestritten werde - die Suchtmittel ohne Verwendung seines Reisepasses, z.B. telefonisch, bestellen. Er habe nur für kurze Zeit, nämlich ca. drei Wochen, (lediglich) schmerzstillende Tabletten verkauft und sei seit 18 Monaten nicht mehr (strafrechtlich) auffällig geworden, sodass die von der belangten Behörde getroffene negative Verhaltensprognose nicht gerechtfertigt sei. Auch sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen, dass die von ihm verkauften schmerzstillenden Tabletten, die in seiner Heimat frei erwerbbar seien, suchtmittelähnliche Wirkung entfalteten, und habe es sich dabei nicht um eine große Menge gehandelt, sondern es habe nur die bestellte Menge, die jedoch nie auf den Markt gelangt sei, eine große Menge ergeben. Demzufolge habe das Gericht über ihn nur eine verhältnismäßig niedrige Strafe verhängt. Auch handle es sich bei der angeordneten Sicherungsmaßnahme um eine gemäß Art. 4 des 7. ZPEMRK unzulässige Doppelbestrafung.

4. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er mit dem oben (I.1.) genannten, in Rechtskraft erwachsenen Urteil wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 erster Fall SMG, § 15 StGB verurteilt worden ist, und behauptet auch nicht, dass die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Bescheid unrichtig wiedergegeben worden seien. Danach hat er sich Anfang April 2003 aus Indien 3.600 Stück "Proxyvon"-Kapseln liefern lassen und in weiterer Folge - von Anfang April 2003 bis 24. April 2003 einen regen Handel mit den Kapseln geführt, wobei er ca. 450 Kapseln an zum Teil jugendliche Suchtgiftabnehmer verkaufte und 1.104 Stück an einen verdeckten Ermittler übergab.

Auf Grund der Rechtskraft dieses Urteils steht in bindender Weise die Tatbestandsmäßigkeit seines strafbaren Verhaltens im Sinn der vorgenannten Bestimmungen des SMG - somit auch die Vorsätzlichkeit seines Handelns - fest, sodass die Beschwerdebehauptung, der Beschwerdeführer hätte von der suchtmittelähnlichen Wirkung der von ihm verkauften Tabletten nichts gewusst, nicht zielführend ist. Ebenso steht damit in bindender Wirkung fest, dass von seinem Vorsatz der Handel mit Suchtmitteln in einer großen Menge - somit einer Menge, die geeignet ist, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 SMG) - umfasst war und er dabei in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Dass er die große Menge von Suchtmitteln "lediglich" bestellt, sie aber nicht (zur Gänze) auf den Markt gebracht habe, ändert nichts am großen Unwert seines Verhaltens, fand doch sein reger Handel nur dadurch ein vorzeitiges Ende, dass er am 24. April 2003 einem verdeckt operierenden Ermittler 1.104 Stück dieser Kapseln übergab.

Auch der weitere Beschwerdeeinwand, der Beschwerdeführer habe seinen Reisepass nicht zur Begehung der Straftaten verwendet bzw. nicht verwenden wollen, versagt. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die gegenständlichen Straftaten vor dem Hintergrund der besonders großen Menge von geschmuggelten Suchtmitteln im Nahbereich der organisierten Kriminalität anzusiedeln seien, begegnet keinem Einwand. Im Übrigen bestreitet der Beschwerdeführer nicht die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass er eine andere Person bestimmt habe, für ihn den illegalen Suchtmitteltransport nach Österreich durchzuführen. Im Hinblick darauf kann die Annahme der belangten Behörde, es bestehe die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG umschriebene Gefahr - somit der Benützung des Reisepasses durch den Beschwerdeführer, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen - nicht als rechtswidrig erkannt werden. Auch ist der seit der Begehung der Straftaten verstrichene Zeitraum zu kurz, um einen Wegfall oder eine doch wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Entgegen der Beschwerdeansicht setzt die Entziehung des Reisepasses nicht voraus, dass der Beschwerdeführer den Reisepass bei der Begehung der Straftaten verwendet hat. Ebenso ist es nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ob dem Beschwerdeführer, wie in der Beschwerde behauptet, mit Wirksamkeit per 1. Juni 2004 seine Gewerbeberechtigungen (als Marktfahrer und Händler) entzogen worden seien, weil der bloße Entzug einer Gewerbeberechtigung keine Gewähr dafür bietet, dass der Beschwerdeführer nicht mehr mit Suchtmitteln handeln werde.

Nach ständiger hg. Judikatur stellt die Entziehung eines Reisepasses keine Strafe dar, weshalb die vorliegende Maßnahme auch nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstößt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 16. Dezember 2003, Zl. 2003/18/0136, mwN).

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 30. November 2004

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