VwGH 2004/16/0067

VwGH2004/16/006730.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der T Privatstiftung in W, vertreten durch die Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. November 2002, Zl. RV / 116-09/01, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §983;
GebG 1957 §33 TP19;
GebG 1957 §33 TP8;
VwRallg;
ABGB §983;
GebG 1957 §33 TP19;
GebG 1957 §33 TP8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die C Investmentbank Aktiengesellschaft in Wien (nachfolgend: Bank) und die Beschwerdeführerin schlossen am 14. Mai 2000 folgenden "Darlehensvertrag":

"Die Bank bietet dem Darlehensnehmer (der Beschwerdeführerin) hiemit den Abschluss des folgenden Vertrages über ein Einmalbardarlehen an, das durch die schriftliche Annahmeerklärung zustandekommt. Die Bank bleibt dem Darlehensnehmer mit diesem Angebot einen Monat ab obigem Datum im Wort.

I. Darlehensbetrag

EURO 693.000,-- (sechshundertdreiundneunzigtausend)

...

IV. Laufzeit und Tilgung

Die Laufzeit des Darlehens endet am 30.06.2001.

...

VI. Gebühren und Kosten

Der Darlehensnehmer trägt die mit dem Abschluss und Vollzug dieses Vertrages verbundenen Kosten und Gebühren, insbesondere die gesetzliche Kreditgebühr in der Höhe von 0,8 %, sowie eine einmalige Bearbeitungsgebühr in der Höhe von 1 % der ausbezahlten Darlehenssumme.

...

X. Abwicklung

Der Darlehensnehmer verpflichtet sich, bis spätestens zum 15. Mai 2000 bei der Hinterlegungsstelle einlangend, den Auftrag zu erteilen, nach Ablauf der Sperrfrist für die ao Hauptversammlung am 16. Mai 2000 346.500 Stück Aktien der ... auf das Sperrdepot der ... zu übertragen, sowie dafür zu sorgen, dass die neu emmittierten 693.000 Stück Aktien der ... dem selben Depot, nach Durchführung der Kapitalerhöhung unverzüglich gutgebracht werden.

Die Bank verpflichtet sich, den Darlehensbetrag bis spätestens 16. Mai 2000 mit Wertstellung 16. Mai 2000 gegen Vorlage des entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses auf das Subskriptionskonto ... einzuzahlen."

Mit Bescheid vom 11. September 2000 nahm das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien die Beschwerdeführerin gemäß § 30 Gebührengesetz (GebG) iVm § 224 Abs. 1 BAO als Haftungspflichtige für die Gebühr gemäß § 33 TP 8 Abs. 1 GebG (Bemessungsgrundlage 0,8 % vom Wert der dargeliehenen Sache in Höhe von 9,535.887,90 S) in der Höhe von 76.287 S in Anspruch.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, beim Darlehensvertrag handle es sich um einen Realkontrakt, welcher erst mit Zuzählung der Darlehensvaluta zustande komme. Mit dem Zeitpunkt der Unterfertigung vom 14. Mai 2000 sei jedoch noch kein Darlehensvertrag zustande gekommen, weil die Darlehensvaluta erst am 16. Mai 2000 zuzuzählen gewesen sei. Da somit der Darlehensvertrag am 14. Mai 2000 noch nicht zustande gekommen sei, fehle es an einer Voraussetzung für die Festsetzung einer Gebühr.

Mit Bescheid vom 6. November 2000 hob das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien den Bescheid vom 11. September 2000 auf.

Mit weiterem Bescheid vom 6. November 2000 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien der Beschwerdeführerin gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z 1 GebG eine Gebühr in der Höhe von S 76.287,-- vor (Bemessungsgrundlage 0,8 % von der Kreditsumme in der Höhe von 9,535.887,90 S).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es liege ein Darlehensvertrag und kein Kreditvertrag vor, sodass die Vorschreibung rechtswidrig sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab; dies mit der Begründung, bei der gebührenpflichtigen Beurteilung der Sachverhalte sei nicht die von den Parteien gewählte Wortwahl (Darlehen, Kreditnehmer) entscheidend, sondern welchem Vertragstypus die Vereinbarung ihrem Inhalt nach zuzuordnen sei. Aus der Vertragsgestaltung sei erkennbar, dass es sich um ein zweiseitig verbindliches Rechtsgeschäft handle. Die Bank verpflichte sich, einen Geldbetrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf ein Konto einzuzahlen und der andere Vertragspartner erkläre sich bereit, diesen Betrag zu bestimmten Bedingungen zurückzuzahlen. Dieser Sachverhalt verwirkliche den Tatbestand des § 33 TP 19 Abs. 1 GebG. Eine Gebührenbefreiung von Kreditverträgen im Zusammenhang mit der Verpfändung von Wertpapieren sehe das Gesetz nicht vor. Die Berufung sei daher als unbegründet abzuweisen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 24. Februar 2004, B 1716/02-7, ab und trat die Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 5. April 2004, B 1716/02-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gebührenfreiheit, also im Recht zu keiner Rechtsgeschäftsgebühr herangezogen zu werden (jedenfalls nicht auf Grund der streitgegenständlichen Urkunde zu einer Rechtsgebühr herangezogen zu werden in eventu auf Anwendung einer Befreiungsbestimmung), verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 33 TP 8 GebG unterliegen Darlehensverträge nach dem Wert der dargeliehenen Sache der Gebühr von 0,8 v.H. Ein Darlehensvertrag kommt als Realkontrakt erst mit der Übergabe der Darlehensvaluta in der Weise zustande, das der Darlehensnehmer darüber willkürlich verfügen kann. Der Darlehensvertrag ist im Gegensatz zum Kreditvertrag ein Realvertrag, der durch übereinstimmende Willensäußerung des Gläubigers und des Schuldners und durch die Übergabe der als Darlehen gegebenen Sache zustande kommt. Für das Zustandekommen des Darlehensvertrages als Realvertrag ist daher die Zuzählung der Valuta erforderlich. Die Verpflichtung aus dem Darlehensvertrag erwächst infolge seines Charakters als Realkontrakt durch die Übergabe der dargeliehenen Sache und nicht aus der Urkunde. Der Darlehensvertrag kommt als Realvertrag nicht schon mit der Darlehensvereinbarung zustande, sondern erfordert zu seiner Gültigkeit überdies die Übergabe der dargeliehenen Sachen an den Darlehensnehmer. Aus der Tatsache, dass der Darlehensvertrag ein Realvertrag ist, folgt, dass die Urkunden über den Darlehensvertrag ihrem Wesen nach nur rechtsbezeugend sein können (vgl. die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band I, Stempel- und Rechtsgebühren Rz 3 ff zu § 33 TP 8 GebG, referierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Zuzählung der Darlehensvaluta ist im Vertrag vom 14. Mai 2000 nicht beurkundet. Diese sollte bis spätestens am 16. Mai 2000 erfolgen. Im Zeitpunkt der Unterfertigung der Vertragsurkunde war daher noch kein Darlehensvertrag zustande gekommen. Damit fehlt es an den Anspruchsvoraussetzungen für die Vorschreibung der Gebühren nach § 33 TP 8 GebG für Darlehensverträge, weil im Vertragstext noch kein zustande gekommener Darlehensvertrag beurkundet wurde.

Gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z 1 GebG unterliegen Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird, von der vereinbarten Kreditsumme, wenn der Kreditnehmer über die Kreditsumme nur einmal oder während einer bis zu fünf Jahren vereinbarten Dauer des Kreditvertrages mehrmals verfügen kann, einer Gebühr von 0,8 v.H.

§ 33 TP 19 Abs. 1 GebG hat alle Kreditverträge im Sinne des Zivilrechtes zum Gegenstand, die dem Kreditnehmer die Möglichkeit einer Fremdfinanzierung privater oder betrieblicher Bedürfnisse aus vertraglich hiefür bereitgestellten Mitteln des Kreditgebers eröffnen. Beim Kreditvertrag handelt es sich um einen den Vertragstypen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches nicht zuzuordnenden Vertrag sui generis. Darunter ist ein Vertrag zu verstehen, wodurch sich der Kreditgeber verpflichtet, dem Kreditnehmer auf dessen Verlangen Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen (vgl. die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band I, Stempel- und Rechtsgebühren Rz 4 zu § 33 TP 19 GebG, referierte Rechtsprechung).

Mit dem "Darlehensvertrag" vom 14. Mai 2000 verpflichtete sich die Bank den "Darlehensbetrag" bis spätestens 16. Mai 2000 auf ein bestimmtes Konto einzuzahlen und die Beschwerdeführerin verpflichtete sich u.a. dieses "Darlehen" bis zum Ende der bestimmten Laufzeit zurückzuzahlen. Ein solcher Vertrag verwirklicht den Tatbestand des "Kreditvertrages" nach § 33 TP 19 Abs. 1 Z 1 GebG. Die Vorschreibung dieser Gebühr erfolgte daher mit Recht.

Die Beschwerdeführerin bestreitet die Gebührenpflicht und beruft sich auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Juni 1972, Zl.1086ff/71, Slg. Nr. 4405/F. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Gebührenpflicht eines Schuldscheines (§ 33 TP 8 GebG), in welchem jemand bestätigt, ein Darlehen in bestimmter Höhe erhalten zu haben, nicht entsteht, wenn das Darlehen im Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde noch nicht zugezählt war. Denn eine Gebührenpflicht für ein Rechtsgeschäft, das nicht (gültig) zustande kam, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Darlehensvertrag ist ein Realkontrakt, der erst mit der Zuzählung der Valuta zustande kommt.

Dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes liegt auch dem angefochtenen Bescheid zu Grunde. Die Vorschreibung der Gebühr erfolgte nicht nach § 33 TP 8 GebG, sondern nach § 33 TP 19 GebG, weil das Darlehen im Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde noch nicht zugezählt war.

Nach Ergehen des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat der Gesetzgeber mit der Gebührengesetz-Novelle 1976, BGBl. Nr. 668/76, Kreditverträge mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1977 in den Kreis der einer Gebühr iSd § 33 GebG unterliegenden Rechtsgeschäfte einbezogen. In den Erläuterungen einer Regierungsvorlage (eines nicht zum Gesetz gewordenen Gesetzesentwurfes mit einer Gebührenpflicht für Kreditverträge) wurde darauf hingewiesen, dass es nicht vertretbar sei, Rechtsgeschäfte, die ihrer rechtlichen Natur und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach zu den bereits gebührenpflichtigen

Rechtsgeschäften in einer engen Beziehung stehen (wie z.B. Kreditverträge zu Darlehensverträgen), gebührenrechtlich differenziert zu behandeln (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Rz 1 zu § 33 TP 19 GebG, mit Hinweis auf 1317, BlgNR 13. GP).

In der Beschwerde wird insbesondere auf folgenden Begründungsteil des zitierten Erkenntnisses des verstärkten Senates hingewiesen:

"Davon ausgehend kann nun in den Beschwerdefällen keine Gebührenschuld entstanden sein, weil den errichteten Schuldurkunden kein (gültiger) Darlehensvertrag vorangegangen ist."

Nach der vom Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates anzuwendenden Rechtslage war in den Beschwerdefällen keine Gebührenschuld entstanden, weil die Voraussetzungen der Gebührenpflicht nach § 33 TP 8 GebG nicht gegeben waren und die Gebührenpflicht für Kreditverträge nach § 33 TP 19 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des GebG noch nicht dem Rechtsbestand angehörte. Dies hat sich jedoch seit der Gebührengesetz-Novelle 1976, BGBl. Nr. 668/76, mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1977 geändert. Die Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes in dem zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates haben daher nach Änderung der Rechtslage entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nur mehr eingeschränkte Bedeutung.

Da die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermochte, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die einfach zu lösende Rechtsfrage war die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat zu treffen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. September 2004

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